Sonntag, 17. März 2024

Ein Hoch aufs Runter: Abschwung bringt Aufschwung

glücklich ist eben nicht, wer viel hat, sondern wer wenig braucht.
Jede Fabrik, die nicht mehr produziert, ist ein Schritt auf dem Planpfad in eine gute und gelingende Zukunft.

Auch die Zahlen des Chemiekonzerns Wacker Chemie bestätigten die alte Weisheit zuletzt. Fast ein Viertel weniger Umsatz, ein Gewinnrückgang um fast zwei Drittel und ein Konzernergebnis, das um drei Viertel niedriger lag als im Jahr zuvor. Doch glücklich ist eben nicht, wer viel hat, sondern wer wenig braucht. Bei Wacker Chemie ist es wie bei Deutschland: Eine geringere Auslastung der Produktionsanlagen führte zu weniger Verschleiß und damit zu mehr Umweltschutz. Das Unternehmen aus Burghausen profitiert davon, ebenso aber auch das Weltklima.

Höhenflug des Niedergangs

Ein Beispiel nur, wie Deutschland in den letzten Monaten Tempo bei der Rückkehr auf den sogenannten Planpfad zu den nationalen Klimazielen gemacht hat. Erstmals seit mehr als 30 Jahren gelang wieder eine zweistellige Senkung beim Kohlendioxidausstoß, erstmals seit der deutschen Unterschrift unter die Pariser Klimaverträge besteht zumindest rein rechnerisch die Chance, dass die globale Führungsnation bei der klimagerechten Transformation bis 2030 tatsächlich in nur sechs Jahren mehr CO2 einsparen wird als im Zeitraum zwischen 1990 und 2023.

Es ist eine Roßkur, die mit vielen Einschränkungen einhergeht. Im Unterschied zur ersten Ausstiegsphase, in der nur eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um ein Drittel gelang, weil die fossile Schwerindustrie unverhohlen weiterproduzierte und die Energieversorgung von Privathaushalten und öffentlichen Einrichtungen weiter rücksichtslos auf billiges Gas, gefährliche Atommeiler und heimische Kohle setzte, geht es jetzt ans Eingemachte. Schädliche Produktionsprozesse müssen zurückgefahren, alte und klimatisch ineffektive Fabriken geschlossen werden. Statt Energie selbst zu produzieren, werden neue Lieferketten geschmiedet, die große Teile des nationalen Stromverbrauchs aus der deutschen Bilanz nehmen. 

Stolz auf den Klimatrick

Klimawirtschaftsminister Robert Habeck ist zu recht stolz auf diesen Trick: "Deutschland ist auf Kurs – erstmals. Wenn wir Kurs halten, erreichen wir unsere Klimaziele 2030", erklärte der Grünen-Politiker bei der Vorstellung des Berichts zu den deutschen Klimafortschritten. Binnen nur eines Jahres ist es gelungen, den CO2-Ausstoß um mehr als zehn Prozent zu verringern

Obwohl die Bundesregierung selbst den Ausbau der Erneuerbaren als "zu langsam" bezeichnet hatte, sieht das Klimaschutzministerium jetzt den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien als Grund für die überraschenden Klimafortschritte. Aus den derzeitigen Ergebnissen lasse sich errechnen, dass das Zwischenziel einer Senkung von 65 Prozent im Vergleich zu 1990 bis 2030 ebenso erreichbar sei wie die komplette Klimaneutralität bereits zehn Jahre später. Voraussetzung dafür sei jedoch, "weiter hart daran zu arbeiten".

Wohlstand ohne Wachstum

Und nicht weich werden, wenn es schwer wird, sich zwischen Wachstum, Wohlstand und einem guten Leben in einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft ohne weiteres Wachstum zu entscheiden. Mehr Ausstieg, mehr Rückbau, noch mehr weniger energieintensive Produktionsverfahren, dazu weniger Verkehr und weniger Bautätigkeit - in einigen Bereichen ist Deutschland auf einem gute und gelingenden Weg. 

So gut gemacht und zum Besten aller rigoros durchgezogen, ist "Klimaschutz kein Verelendungsprogramm". Trotz aller Sparmaßnehmen dürfen sich wohlhabende Kommunen weiterhin auch mitten im Winter auf mollige 27 Grad geheizten Freibadschwimmbecken leisten. Trotz aller Unkenrufe zeigen die Ergebnisse des Opfergangs so vieler Traditionsunternehmen umgerechnet in Klimazahlen, dass "Politik wirkt" (Die Zeit).

Kapitalismus wirkt

Kapitalismus wirkt, wie der bekannte "Zeit"-Experte Mark Schieritz beschwört, einmal mehr als starker Veränderungsmotor: Wer kann, wandert ab wie lange zuvor angekündigt. Und nimmt damit zusätzliche Klimalasten von der deutschen Rechnung. Dass Robert Habeck einen schuldenfinanzierten "Brücken-Industriestrompreis" (®© BWHF) im Herbst noch für unerlässlich hielt, weil die Frage stehe, "keine Gelder aufnehmen oder keine Industrie mehr haben" (Habeck), erscheint im Nachhinein als Moment der Schwäche und Wankelmütigkeit. 

Dass es nie dazu kam und die "Einigung nach langem Streit" (Der Spiegel) stattdessen in aller Stille beerdigt wurde, ist ein Zeichen für Stärke und Vitalität. Glücklich ist nicht, wer viel hat, sondern wer wenig braucht.


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