Sie halten sich nicht nur für "Reichsbürger" wie bisher, sie sind nun anerkannt. |
Sie sind einander nicht grün, sie streiten leidenschaftlich um des Kaisers Bart, zanken um Paragrafen und vergessene Artikel in alten Büchern. Die einen glauben, das Deutsche Reich von 1890 existiere noch, die anderen denken, es sei das von 1922 oder 1945. Sie nennen sich "Selbstverwalter", folgen Königen von eingebildeten Ländern oder versuchen, wenigstens von Russland ernst genommen zu werden.
Skurrile Kundschaft
Viel erreicht haben die 30.000 oder 50.000 Männer und Frauen, die in Deutschland zur "Reichsbürgerbewegung" gezählt werden, in den zurückliegenden Jahren nicht. Seit Roy Bates eine stillgelegte Seefestung im Ärmelkanal 1967 als unabhängigen Staat Sealand ausrief, folgten zwar zahlreiche Nachahmer mit unterschiedlichen skurrilen Ideen seinem Beispiel. Doch wie auf Sealand, das heute von zwei konkurrierenden Regierungen beansprucht, eine davon hat ihren Exilsitz in Brandenburg, blieben auch alle anderen versuche das, was sie waren: Verschrobene Versuche, Aufmerksamkeit zu erbetteln.
Schon die Logik des Völkerrechts steht dem Unterfangen entgegen, einen eigenen Staat zu gründen. Wer irgendwo Staatsbürger ist, kann zumindest als Passinhaber eines demokratischen Staatswesens, nicht aus diesem austreten, ohne irgendwo anders einzutreten. Rausgeworfen werden kann er auch nicht, der Eintritt aber gilt nur, wen er in ein Land erfolgt, das bereits anerkannt ist. Eine "Staatssimulation" (BfV), aus der "die Existenz der Bundesrepublik geleugnet wird" langt nicht, um nicht mehr zu sein, als was man durch die Gnade der späten Geburt geboren wurde: Unkündbarer Bürger eines völkerrechtlich anerkannten Staates, aus dem ein Umzug nach Fantasialand, Germanitien oder den Freistaat Preußen faktisch unmöglich ist, weil all diese Entitäten so wenig existieren wie Bananistan oder ein kommunistische Himmel.
Bürger des Mayareiches
Wenn also Reichsbürger, die für sich selbst eine Vielzahl von verschiedenen Bezeichnungen bevorzugen, erklären, sie seien aus Deutschland ausgetreten und nun Staatsangehöriger des Königreichs der Himmel, eines Herzogtums auf der dunklen Seite des Mondes oder des untergegangenen Mayareiches, dann ist das nicht bedeutsamer als die Willenserklärung, ab sofort als Giraffe, Bahnschranke oder Küchenmaschine leben zu wollen.
Jeder kommt irgendwann wieder, jeder taucht eines Tages an der Rentenkasse auf, beim Zahnarzt oder vor dem Tor des Gefängnisses, in dem er vom Gewaltmonopol seines gefühlt ehemaligen Staates gezwungen wird, seine Steuerschulden in Tagen abzusitzen. Es sind traurige, aber nur einige wenige Einzelschicksale.
Mit dem Säbel rasieren
Wer sich selbst als "Reichsbürger" begreift und sich selbst davon überzeugen konnte, dass die ihn umgebende Realität nicht existiert, kann in Kaiserbettwäsche schlafen, die Reichsverfassung von 1871 auswendig lernen und sich - zumindest daheim - sogar mit einem Säbel rasieren. Ein Anrecht auf Sonderkonditionen darüber hinaus hat er nicht, auch nicht das auf allgemeine Anerkennung seines privaten Glaubens an die Fortexistenz der konstitutionellen Monarchie, der mittelalterlichen Ständewirtschaft oder die Notwendigkeit einer Rückkehr zur steinzeitlichen Tauschwirtschaft.
Ausgerechnet das Bundesamt für Verfassungsschutz aber hat nun beschlossen, diese klare Linie im Umgang mit "Systemaussteigern" und Fantasiewährungsgründern zu verlassen. Erstmals gaben die Hüter der Verfassung bekannt, dass ihnen "mehrere AfD-Mitglieder als Reichsbürger bekannt" seien. Nicht mitgeteilt wurde zwar, welchem Reich die Betreffenden gerade angehören, doch in den einschlägigen rechtsextremen Kreisen dürfte die Nachricht aus Köln für Erleichterung gesorgt haben. Wenn auch noch nicht das Reich selbst, welches der vielen auch immer, so haben doch nun dessen eingebildete Bürgerinnen und Bürger den Segen der Anerkennung einer offiziellen Bundesbehörde.
5 Kommentare:
Mehrere Grünenmitglieder sind dem Verfassungsschutz als Antifa-Mitglieder bekannt.
https://gj-nrw.de/calendar/event/campista-campista-antifascista/
Der gleiche Faxenkram gehört aber auch zur Doppelstaatsbürgerschaft. Wo gehöre ich hin? Oder nur zur Hälfte? Abschaffen !
Abschaffen !
Nicht falsch verstehen jetzt. Abér: Dann mach mal! Schaff mal ab!
Wie gut, dass wir das edelste Staatswesen haben, in dem allweyl gestärcket wird das Recht und gekräncket wird das Unrecht.
Keine Frage, dass die sogenannten Reichsbürger Knallchargen sind. Aber es gibst wesentlich Beklatschtere, die da meinen, dieses Etwas wäre ein funktionierender Staat.
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