Das Produkt wird immer langweiliger, die Einnahmen aber steigen. Nur am nächsten Schritt, den Schrottplatz zu vergolden, ist die Deutsche Fußball Liga gescheitert. |
Spieler, die niemand kennt, sind die Stars. Vereine ohne Tradition und Bedeutung, gegründet als Hobbyspielzeug von Industriellen, stehen in der Tabelle ganz vorn. Der Dauermeister hat sich selbst so müde gespielt, dass er der Kapelle nur noch hinterhertaumelt. Der Rest vom Schützenfest füllt seine Teams auf mit lauter Franzosen. Der größte und ehemals erfolgreichste Klubs hält sich den einen grundsympathischen Alt-Aktiven nur noch, weil jemand ja die Interviews geben muss. Wenn schon wegen der auf 27 Einzelanstoßzeiten verteilten "Spieltage" niemand mehr zuschaut.
Operettenfußball in der Krise
Die Deutsche Fußball Liga hat ein hervorragendes Produkt. Gehabt. Die Fußball-Bundesliga zieht Millionen an, alle auf der Suche nach unverdächtigen Emotionen. Fußballvereine sind Aufhänger für Herzen, ehrliche Liebe ohne Sex, Mitleidensangebote. Einmal verfallen, gibt es kein Zurück. Der Mensch wird zum Opfer einer Idee: Dass der BVB oder FCB, der HSV oder der HFC zwar ihre Spieler wechseln können wie Handtücher, ihre Trainer, Präsidenten, Sportdirektoren, Zeugwarte und Stadien. Sie aber doch bleiben, was sie sind. Immer derselbe Verein, in denselben Farben, mit demselben Geist.
In einer Welt, die immer schneller wird und immer weniger Konstante hat, ist das ein vortreffliches Produkt. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) vermarktet es entsprechend erfolgreich: Beinahe läuft der Punktspielbetrieb nur noch in den Bezahlkanälen. Beinahe spielen nur noch Vereine mit, die sich mit tatkräftiger Mäzenatenhilfe hochgeschlafen haben.
Aber beinahe wäre es trotzdem geglückt, noch einen riesigen Deal obendrauf zu packen. "Investoreneinstieg" meinte nicht, dass alte Investoren wie der Chemiekonzern Bayer, der Getränkehersteller RB oder die Autoschmiede Volkswagen hätten gehen müssen. Nur die Medienrechte wollte die DFL vermarkten - also vor der Zeit teilweise an einen Geldgeber abtreten, der gleich gezahlt hätte, was später sowieso gezahlt werden wird.
Fans auf den Barrikaden
Die Fans waren auf den Barrikaden. Nach den vielen, vielen verlorenen Kämpfen mit den Funktionären wurde ausgerechnet der Investoreneinstieg zur letzten großen Schlacht zwischen denen, für die Fußball Lebensinhalt ist, und denen, denen er die Brieftaschen füllt.
Der Tennisball wurde zur ultimativen Waffe der Davids gegen den Goliath DFL, wenige Monate vor einer anstehenden Heim-Europameisterschaft eine beinahe schon tödliche Bedrohung. Immer wieder flogen sie, bis an die Grenze der Unbespielbarkeit der üblichen Routinen. Ratlos waren die Kommentatoren, die Funktionsträger, die Spieler. Mit Blackstone, der für alles Unheil der Welt verantwortliche gemachten Fondsgesellschaft, zog sich der erste Anwärter auf die Übernahme zurück.
Dem zweiten und letztem verbliebenen teilte die DFL nun selbst mit, dass sie ihre Bemühungen einstellt und ihre Pläne aufgibt. Einstimmig habe das Präsidium beschlossen, dass "eine erfolgreiche Fortführung des Prozesses in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr möglich" sei, wie Dortmund-Chef Hans-Joachim Watzke mitteilte. Die Auseinandersetzungen im deutschen Profifußball hätten sich als "Zerreißproben" erwiesen, die "nicht nur innerhalb des Ligaverbands zwischen den Clubs, sondern teilweise auch innerhalb der Clubs" zu Auseinandersetzungen geführt hätten, so dass es an der "breiten Akzeptanz" für den geplanten Verkauf der Medienrechte fehle.
Triumph der Tennisbälle
Der Triumph der Tennisbälle aber wird ein kurzer sein. Mögen auch die Kurven nun auch ihren unerwartet leichten und schnellen Sieg feiern, ändert er doch nichts daran, dass der Weg des großen Fußballs schnurgerade ins Abseits führt: Was ehemals überall war, auf allen Sendern, in allen Blättern, in allen Stadien, verschwindet zusehends hinter den Bezahlschranken einer langsam unüberschaubaren Anzahl von Sendern, die die frohe Botschaft vom Kräftemessen um die Meisterschaft nur noch einem verschwindend kleinen zahlungsbereiten Publikum vorrüberbringen.
Das schrumpft beständig, auch weil die Pay-TV-Giganten immer mehr für die für sie lebenswichtigen Übertragungsrechte zahlen müssen, also beständig gezwungen sind, die Abo-Preise zu erhöhen. Dazn schraubte seinen Monatsbeitrag jetzt um 50 Prozent nach oben. 45 Euro sind nun nahe an dem Preis, an dem selbst der Fan, der sich am ewigen Durchmarsch des FC Bayern München und den alljährlichen Duellen der sechs, sieben europäischen Großvereine um den Champions-League-Titel noch begeistern kann, die Reißleine zieht.
Überleben ja, aber wie lange
Der Fußball überlebt das. Nur wie lange ist nicht klar. Wenn erst in den Wohnstuben keine "Sportschau" mehr läuft und der große Fußball mit den Superstars nur als 30-Sekunden-Zusammenfassung auftaucht, wird es bald keine Kinder mehr geben, die der Faszination des Spiels verfallen. Die Nachschuldner, die irgendwann in die Abo-Falle bei Sky, Dazn, Prime, RTL+ und Magenta gehen sollen, werden fehlen wie heute schon die Beckenbauers, Brehmes, Völlers, Kohlers, Netzers, Matthäus', Poldis, Schweinis und Klinsis fehlen. Der Operettenfußball, das Schauspiel auf der großen Bühne, entleert sich von innen, je größer, desto schneller.
Am letzten Spieltag kamen in die Stadien der 2. Bundesliga erstmals mehr Zuschauer in die der 1. pilgerten. Für den Kommerzfußball mit seinem Milliardenbedarf ein weitaus bedrohlicheres Symptom als der abgesagte Investoreneinstieg.
6 Kommentare:
War für Sammer oder Ballack kein Geld mehr für die Aufzählung übrig? Frage für vernachlässigte Ossis.
es sollte sich niemand ausgeschlossen fühlen, denn das passiert ja immer, wenn irgendwas ostdeutsches separatbeachtung reklamiert
Dass in der zweiten Liga mehr Zuschauer kommen, liegt halt daran, dass die Vereine mit dem größten Anhang dort aufzufinden sind (HSV, S04, H96, HBSC, 1.FCN, FCK etc.), während Heidenheim und Darmstadt in der ersten Liga spielen. Irgendwas müssen die besser gemacht haben als die Großkopferten.
Kann man das nicht so drehen, dass die Tennisbälle die Demokratie gefährden? Den Sportbonzen geht's wie der Regierung. Das lästige Volk soll bezahlen und nicht Ansprüche stellen.
OT
Der boese Wolf 22. Februar 2024 at 09:10
Rechtspopulist 22. Februar 2024 at 07:25
„OT: Berufsschüler aus Wiesbaden klatschten bei Filmvorstellung Beifall, als die Zahl der von den NS ermordeten Juden eingeblendet wird (6 Millionen)“
Welchen Religionshintergrund haben die Berufsschüler?
Apropos – 6 Mio – woher stammt diese Zahl?
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Das fragt der böse Wolf, nicht etwa ich:
Woher stammt diese Zahl?
Gretchen: Das ist nicht recht, man muss dran glauben!
Faust: Muss man?
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