Mittwoch, 14. Februar 2024

Berliner Bundestagswahl: Lehren aus dem Stimmungsloch

Außerhalb Berlins wird die Art, wie Deutschland von oben herab regiert wird, oft als arrogant wahrgenommen. Darin zeigt sich aber eigentlich einfach eine intellektuelle und moralische Überlegenheit.


Erst Pleiten, Pech und Pannenwahl, dann eine Wiederholungswahl, die wenig besser gemacht hat, vieles aber noch schlechter. Dass sich am Gesamtergebnis wenig geändert hat und Deutschland somit nicht nur regierungsseitig stabil bleibt, sondern auch fest verwurzelt im westlichen Bündnis und engagiert im Klimakampf um eine wettbewerbsfähige grüne Wirtschaft. Und doch ist das Signal des Zeichens aus Berlin auch ein Fingerzeig an die globale Welt: Nach Wochen mit landesweiten Aufmärschen von Millionen und Abermillionen Menschen zahlt der Widerstand gegen den Rechtsruck an der Wahlurne noch längst nicht ausreichend ein.  

Teurer Verlust

Viele sind immer noch unwillig, sich an Wahlen zu beteiligen, weil sie meinen, es müsse vorher ein politisches Angebot für sie geben, das nicht abschreckt. Andere ignorieren die symbolische Bedeutung auch kleinster demokratischer Partizipation. Eine Handvoll Stimmen nur war es, die der Linkspartei neues Leben einhauchte. Ein paar fehlende hingegen kosteten den Abgeordneten Lars Lindemann nicht nur das Mandat, sondern auch 200.000 Euro allein an Diäten.

Ja, die Ampel insgesamt hat diesen ersten wichtige Stimmungstest in einem Superwahljahr bestanden, wenn auch mit einem denkbar üblen Ergebnis. Selbst eigentlich solidarische Medien sprechen von "schlechten Nachrichten für den Kanzler". Und selbst kritisch eingestellte ersparen sich den längst fälligen Nachruf auf den kleinsten Koalitionspartner, weil die Redaktionen davon ausgehen, dass das besiegelte Schicksal einer Partei, die es als politische Kraft nicht mehr lange geben wird, heute schon keinen Klickertrag mehr abwirft. 

Das Stimmungsloch von Berlin

Das Stimmungsloch von Berlin aber weist auf tiefersitzende Probleme hin. Ein paar Plakate, ein wenig Eckenstehen, das war der ganze Wahlkampf. Von Mobilisierung der Massen keine Spur, stattdessen  Apathie und Lähmung, leere Durchhalteparolen und der Glaube, es werde schon nicht so schlimm kommen, wie es hätten kommen können, wären nicht die perfiden Pläne zur Remigration von Millionen rechtzeitig aufgedeckt worden. 

Der Rückenwind gegen rechts aber ist verpufft, befeuert vom Glauben an eine Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus wagen sich auch in Deutschland immer mehr sogenannte "Ratten" aus ihren Löchern. Dass Olaf Scholz zuletzt in Washington klar gemacht hat, wo die Prämissen der USA zu liegen haben, war ein deutliches Zeichen, das auch im Lager des Republikaners ankam: Kaum war der Deutsche abgereist, ließ Trump in Panik vor einem festen Schulterschluss zwischen Biden, dem amerikanischen Volk und den kurz vor Karneval stehenden Partnern in Deutschland alte Zitate streuen, die das Existenzrecht der Nato infrage stellen.

Energischer Widerspruch

Aus Europa, zumal aus Deutschland, kam aus berufenem Munde zum Glück sofort energischer Widerspruch.  Steinmeier, Kiesewetter, Borrell, Scholz, vor allem aber die in einer seinerzeit pazifistischen SPD herangewachsene und großgewordene Katarina Barley  nutzten die Vorlage, um zu den Waffen zu rufen. 100 Milliarden, 300 Milliarden, Panzer, Helme und Gewehre, vielleicht eine eigene Munitionsproduktion, wenn die Baugenehmigungen durch sind und die EU zustimmt. 

"Aufrüsten wird Chefsache" (SZ), ein weiterer Dringlichkeitspaket auf dem Schreibtisch des Kanzlers, der Stand Ende Dezember bereits 13 Themen als Chefsache bearbeitete. Aus Olaf Scholz aber, lange auf grausame Weise als "Scholzomat" gemobbt, ist längst ein gewiefter Stratege und kühl rechnender Taktiker geworden. So wie seine Partei schon lange keine Realität mehr braucht, um ihre Grundpositionen und die großen Linien ihrer Politik an der Wirklichkeit zu messen, weiß Scholz als einer der wenigen verbliebenen Erwachsenen in der deutschen Sozialdemokratie, dass Kriege und auch schon die Aussicht auf Kriege die Rahmenbedingungen für die Innenpolitik stets umfassend ändern.

Sieg über die Zweifel

Nach dem Sieg der Millionen von Anständigen, die immer noch in Deutschland leben und das in den zurückliegenden Wochen bei Tausenden Demonstrationen für den Erhalt der Demokratie und der Ampel-Regierung auch eindrucksvoll zeigten, steht nun der Sieg über die Zweifel an, ob eine Regierung ohne Mehrheit, ohne gemeinsame Erkenntnis über die grundlegenden Probleme und ohne Plan, wie sie anzugehen sind, weiterwursteln sollte. Sie muss und sie wird und nicht zuletzt mit Hilfe des wiederauferstandenen Donald Trump kann  es ihr gelingen, ein Klima der Angst zu schaffen, das alles außerhalb der Landesgrenzen und der noch befreundeten EU-Staaten als so bedrohlich wahrnimmt, dass sich die Bedrängten, Beunruhigten und Betroffenen millionenfach zurück zur SPD flüchten. 



4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

OT

Der Bob-Weltcup in Altenberg wird von heftigen Stürzen überschattet. Auch der deutsche Weltmeister Johannes Locher ist betroffen. Seine Halswirbel werden untersucht. Sehr schwer erwischte es ein Schweizer. Er wird ausgeflogen.
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Ob da beim Aust mal jemand die Duden Seals einfliegen lassen könnte, damit die den Laden gründlich aufmischen? Tickert der Lochner grad ins Internet. Er empfiehlt obendrein, in der Schule den Akkusativ wieder ins Programm zu nehmen.

Anonym hat gesagt…

a propos atomare Aufrüstung

Herfried Münkler in: Koffer mit Knopf

https://www.deutschlandfunk.de/barley-spd-kein-verlass-auf-nuklearen-schutz-durch-usa-100.html

Bereits im vergangenen November hatte auch der Politologe Herfried Münkler Europa zu einer atomaren Aufrüstung geraten, ... „Wir brauchen einen gemeinsamen Koffer mit rotem Knopf, der zwischen großen EU-Ländern wandert.“

Das ist etwa, was technisch interessierter Erstklässler zu dem Thema losplappern würden.

Anonym hat gesagt…

"Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht...". Ist das nicht die Nationalhymne der SPD?

Anonym hat gesagt…

Viele sind immer noch unwillig, sich an Wahlen zu beteiligen, weil sie meinen, es müsse vorher

Viel zu viele sind immer noch auf dem Sprung, bei dem Affenzirkus mitzutun und zur "Wahl" zu gehen: Jetzt haben wir es denen aber gezeigt! Lächerhaft.