Montag, 23. Dezember 2024

Die Versprecher: Das Leben ist ein Geben

Mit einem Sack voller Versprechen gehen die Parteien auch diesmal in den Wahlkampf. Bürgerinnen und Bürger dürfen sich auf Milliardengeschenke freuen, die sie freilich nie bekommen werden. 
 

Bei den Grünen sind es wohl 56 Milliarden, bei der SPD mindestens 100, bei CDU und CSU kommen vielleicht 110 zusammen, bei der FDP genau 136 und bei Linken 200. Noch schlimmer sieht es nur am Rand aus: Das BSW droht mit Wahlversprechen in Höhe von wenigstens 230 Milliarden. Und mit der AfD im Kanzleramt wären es wenigstens 600 Milliarden, die abregnen.  

Bestverdiener ab 70.000

Das alles ist Plusminus gerechnet, niemand weiß bisher genau, was es wen kosten würde, alles umzusetzen. Unklar sind auch die Effekte: Die Union rechnet aufgrund des von ihr geplanten Geldsegens mit mehr Fleiß im Land und deshalb steigenden Steuereinnahmen. Die FDP will die Bevölkerung vom neoliberalen Märchen überzeugen, dass weniger Staat nicht nur mehr Freiheit bedeutet, sondern auch mehr in der Brieftasche. Die linken Parteien haben die Bestverdiener ab 70.000 Euro im Jahr im Blick: Wer deutlich mehr als das Doppelte des Mindestlohnes verdient, soll deutlich mehr geben, damit alle mehr haben.

Auf den Euro-Austritt setzt die AfD, auf engere Bande zu Russland das BSW. Endlich wieder D-Mark-Kaufkraft. Endliche wieder billiges Gas und billiges Öl. Ob das alles so aufgeht, und wenn ja, was, steht noch infrage. Sicher aber ist: Egal, wen sich die Deutschen ab März in die Regierung wählen, es wird ein lukratives Geschäft für die hart arbeitende Mitte werden, ein sehr gutes für die Industrie und für den Rest der Einwohnenden gibt es wenigstens Entschädigung. Höherer Mindestlohn, weniger Spekulationssteuern, Kryptogewinne und Freibeträge, dazu Klimageld und eine staatliche Ladekarte für das E-Auto. 

Großzügig wie nie

Nie zuvor sind Deutschlands Parteien in einem Wahlkampf so großzügig gewesen wie dieses Mal. Weil es schnell gehen musste mit den Angeboten an die Wählenden, wurde in den Parteizentralen zusammengenagelt, was bei drei nicht zerrissen war. 

Die CDU hat deshalb der Einfachheit halber das Wahlprogramm von 2005 von einer KI überarbeiten lassen, leicht angefresht mit neuen Daten und fürchterlichen Prognosen, wie alles zugrundegehen wird, bleibt die Konkurrenz am Ruder. Die SPD vertraut auf das Programm von 2021, damals Grundlage des märchenhaften Aufstieges des in der Partei ungeliebten Olaf Scholz in ein Amt, das der Niedersachse sich bis dahin nicht einmal selbst zugetraut hatte. Und die Grünen haben ihre Allzweckwaffe: Robert Habeck kommt mit den üblichen Leckerli. Grüne Wirtschaft. Jede Menge gutbezahlter Arbeit, günstige Energie. Rettung der Welt inklusive. Und die Rente ist sowieso sicher. 

Eine Zeitenwende zurück zu dem, was schon immer versprochen, aber nie eingelöst wurde. Ein Tabubruch ist schon die Überschrift: "Zusammen wachsen" hat die Degrowth-Partei ihr als "Regierungsprogramm" bezeichnetes Wahlprogramm genannt - ein kleiner Witz auf Bürgerkosten in Zeiten, in denen die Parteien die zunehmende Spaltung der Gesellschaft und Ökonomen das stabil ausbleibende Wachstum beklagen.

Niemanden kostet nichts etwas

Beim Verfassen hatte die KI nicht ihren besten Tag. "Mit der Kraft von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, die den Laden jeden Tag trotz der großen Herausforderungen am Laufen halten", schreibt sie etwa, und das ist er schon, der gesamte Satz, der hinführt zu Appellen: "Es geht jetzt darum, diese Kraft als Zukunftskraft aufzunehmen: ökologisch und ökonomisch, solidarisch und europäisch. Als Kraft, die sich den Herausforderungen stellt und die Probleme löst. Mit einer Zuversicht, die aus dem gemeinsamen Handeln kommt."

Wenigstens, das ist nach 72 Seiten klar, wird das niemanden nichts kosten, jeder bekommt aufgerundet raus. Welche Partei der Bürger am 23. Februar ankreuzt, ist dabei gleichgültig: Mit des Steuerzahlers Geld, selbst mit dem, von dem niemand weiß, auf welch geschickte Weise man es den Betroffenen noch unbemerkt aus dem krummgearbeiteten Kreuz leiern kann, sind alle freigiebig wie nie. 

Nur nicht sparen

Das Wort "Sparen" kommt im grünen Wahlprogramm nur im Zusammenhang mit "Zeit sparen" vor und beim Verweis darauf vor, wie Bürger künftig "Wasser sparen" können. Bei der SPD taucht es elfmal auf. Zehnmal inmitten des Begriffes "Transparenz". Und einmal im Satz "Heute wollen die Konservativen erreichte Fortschritte rückgängig machen und dort sparen, wo es viele Bürgerinnen und Bürger persönlich trifft" (Originalzitat). Die Konservativen ihrerseits sehen das nicht so. Die CDU will laut Wahlprogramm nur  "CO₂ einsparen".

Noch jemand ohne Milliarde? Noch irgendwelche Wünsche offen? Dass ein Bundesamt aufgelöst werden soll, eine Bundesbehörde von rund 200, erscheint als Sakrileg. Wohin denn aber dann mit den 1.800 hochqualifizierten Fachleuten? Wo es doch so schon überall an Fachkräften fehlt? 

Die Mehrheit ist zu allem bereit

Dass es Behörden gibt, bedeutet doch, dass sie dringend benötigt werden. Jeder Euro ist gut angelegt, denn er kommt den Menschen im Lande zugute. Wer die Axt an eine solche Organisationseinheit legt, und sei es auch eine der kleineren, die im Jahr mit nur 165 Millionen Euro haushalten muss, der zielt auf den gesamten Staatsapparat. Der aber ist Grundlage dafür, dass Deutschland einfach funktioniert, die Rädchen ineinandergreifen und binnen von nur drei Jahren in der Lage ist, eine technische Möglichkeit zu schaffen, direkt Geld an die Menschen in Deutschland auszuzahlen, statt es wie bisher nur als Steuern, Abgaben oder Gebühren von ihnen entgegenzunehmen.

Müsste der Staat den Gürtel enger schnallen, wäre das nicht gut für die Bevölkerung. Die setzt darauf, dass die großen Parteien geben, die dürfen daher zuversichtlich damit rechnen, dass eine große Mehrheit - Umfragen zufolge im Moment mehr als 70 Prozent - bereit ist, noch weit mehr zu geben. Die berühmte Hutschnur, die hochgeht, wenn es zu viel wird, hat noch Spiel. Dank großzügig gewährter "Entlastungen" kurz vor Jahresende, die nicht mehr versprechen als nicht noch viel mehr zu nehmen, platzt der Kragen nicht einmal angesichts steigender Steuern, Abgaben und Beiträge.

Gefährliche Wut: Zeit für Besinnlichkeit

Hinweise zur "mutmaßlich für den Anschlag verantwortlichen Person" wurden ernst genommen, aber aus Gründen der behördlichen Zuständigkeit nicht weitergeleitet. Mit Vorratsdatenspeicherung aber wird das anders.

Ein Wochenende später ist die Sache im Grundsatz klar. Wer jetzt Fragen stellt oder Behördenhandeln infrage, wer Schuldige sucht, fassungslos ist über das, was sich aus 18 Jahren Lebensgeschichte des Bernburger Arztes Taleb Al Abdulmohsen in Deutschland ergibt, oder gar Wut und Ohnmacht fühlt, gibt dem mutmaßlichen Mörder von Magdeburg im Nachhinein recht.  

Dass vielfache Hinweise auf die Gewaltfantasien des Flüchtlings aus Saudi-Arabien nicht beachtet wurden, dass Ämter und Behörden abwiegelten und sich für nicht zuständig erklärten, werfe Fragen auf, heißt es überall. Schon beunruhigend, dass ein "Anhänger des globalen Rechtsextremismus" sich als Flüchtlingshelfer habe tarnen können, um gegen Asyl und Migration mobil zu machen. Doch deswegen schon wieder vom modischen "Staatsversagen" zu reden, sei eine Instrumentalisierung des Anschlages im Wahlkampf, die niemand wollen könne.

Fair geht vor

Gerade noch rechtzeitig haben sich die demokratischen Parteien inklusive der - kurzfristig in die bürgerliche Familie aufgenommenen Linken - auf ein Fairnessabkommen für einen gelingenden Wahlkampf geeinigt. Niemand soll Trennendes überbetonen, niemand soll mit frei erfundenen Geschichten Stimmung machen oder hastig den Stab brechen über Entscheidungen von Strafverfolgern, gegen Schwachkopfverbrecher vorzugehen, nicht aber gegen einen Mann, der schon 2013 mit einer ersten Anschlagsdrohung aktenkundig wurde.

In der Stunde der Not, dass das Wahlvolk in ein paar Wochen fast alle Parteien mit dem Bade ausschüttet, sind Parteibücher dicker als Tränenwasser. Zusammenhalten von Söder bis zur Kommunistischen Plattform, vom Team Habeck über die neuen Neoliberalen in der Kettensägen-FDP bis zu der AG Anonymer Sozialdemokraten in der SPD, das ist das Gebot der Stunde. Sich nicht locken lassen von Leuten, die mit Vorwürfen um sich werfen, weil sie spalten wollen.

Wahrheit braucht Zeit

Aufarbeitung braucht Zeit, gerade weil die Geschichte der Gewaltandrohungen der "mutmaßlich für den Anschlag in Magdeburg verantwortlichen Person" (BAMF) bis in eine Zeit zurückreicht, als das progressive Deutschland noch vergeblich für ein Verbot der NPD kämpfte und die Junge Union der SPD standhaft gegen eine Große Koalition mit der Merkel-CDU auftrat.

Abdulmohsen nutzte seinerzeit noch ein Telefon, um Handlungen anzukündigen, "die international Beachtung" finden würden. Was blieb ihm auch übrig. X war damals noch Twitter, keine Kloake des Bösen, an dem sich US-Milliardäre mit unzulässigen Meinungsäußerungen in  den deutschen Wahlkampf einmischten. TikTok, die chinesische App, über die Russland für ein paar Pfennige die rumänische Präsidentschaftswahl torpedierte, gab es noch nicht. 

Hetze nach Feierabend

Eine Hausdurchsuchung später gelang es, den Mediziner gesellschaftlich zu integrieren. Abdulmohsen fand ein Auskommen, er betreute Suchtkranke und machte sich im Justizsystem als "Dr. Google" einen Namen. Seine Tätigkeit als Aktivist, Onlinehetzer und Gewaltandroher verlegte er auf die Zeit nach Feierabend. Nur, wenn es gar nicht anders zu schaffen war, ließ er sich krankschreiben. Hinweise auf sein Treiben gab es. Als Gefahr wurde der "aggressivste Islamkritiker" nicht gesehen, denn Taleb Al Abdulmohsen kämpfte mit offenem Visier, unter Klarnamen  und als gern gesehener Gast bei FAZ. "Zeit" und BBC.

Natürlich braucht es vor diesem Hintergrund jetzt nichts dringender als einen neuen Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser drängt CDU und FDP, Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse zu geben. Der Staat braucht nicht nur das Recht, auf der Suche nach Taschenmessern in die Handtaschen älterer Damen schauen zu dürfen, sondern "alle notwendigen Befugnisse und mehr Personal", um "die Menschen in Deutschland vor entsetzlichen Gewalttaten zu schützen". Hätte es etwa die biometrische Überwachung schon vor Magdeburg gegeben, davon ist die scheidende Innenministerin überzeugt, dann.

Hoffnung auf Vergessen

Während die großen Gemeinsinnsender Trauer tragen und die Bundespolitik auf gnädiges Vergessen der Tragödie über die Feiertage hofft, ist die Gefahr einer "Instrumentalisierung" als fürchterlichste Folge des Anschlages ausgemacht worden. Betroffenheit und Schock sind erlaubt, Empörung und Wut hingegen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gefährden damit Ruhe und Ordnung

"Nur nicht schrein, mit der Zeit wird das schon, alles bringt euch die Evolution", schrieb Theobald Tiger in seinem gleichnamigen Gedicht schon vor 100 Jahren, als es nach den Reichstagswahlen von Anfang  Dezember 1924 noch immer keine Regierung gab, die Alliierten drohten, Köln räumen zu lassen und trotz gesenkter Reparationszahlungen kein Aufschwung in Sicht kam. Es braucht jetzt Geduld, Geduld und Zutrauen zu den Verantwortlichen. 

Annalena Baerbock hat umgehend eien Aufarbeitung aller Hintergünde des Anschlages zugesagt. Sobald Zeit ist, wird das alles mit Mannheim, Solingen und Corona zusammen aufgearbeitet. Ein Abwasch. Und eines Tages wird mitgeteilt werden, was es über Taleb Al Abdulmohsen zu sagen gibt. 

Bis dahinnun aber bitte nur noch Besinnlichkeit.

 

Sonntag, 22. Dezember 2024

VW-Sanierung: Gute Tipps vom Vize-Kanzler

So einfache Autos könnte VW nach den Hinweisen des Vize-Kanzlers bald wieder bauen, nur diesmal mit Notbremsassistent, Müdigkeitswarner, Rückfahrassistenten, Notfall-Spurhalteassistent und Schnittstelle für alkoholempfindliche Wegfahrsperren.

Sie haben es doch immer gekonnt! Angefangen beim "Käfer", jenem ersten legendären Volkswagen, der der als VW Kübel bis kurz vor Moskau fuhr, bis hin zum "Lupo", einem Dreiliterauto, das dem fast volkseigenen VW-Konzern förmlich aus den Händen gerissen wurde. Der größte deutsche Autobauer war immer für Innovationen gut. Liebhaber denken heute noch an den so gefragten Vierrad-Zwerg "Up", dessen rein elektrischer Nachfolger noch auf sich warten lässt. Und an den in vergangenen Zeiten bei jungen Menschen ebenso wie bei Handwerkern so beliebten "Bulli".

Umjubelte Einigung

Dann verlor das erfolgreichste deutsche Unternehmen den Fokus. Dann verlor er Marktanteile. Dann verlor es Geld. Und nun musste es sich selbst retten: 35.000 Mitarbeiter müssen gehen. Werke werden zwar nicht geschlossen, aber auf Effizienz getrimmt. 

Die üppigen Tarifgehälter eingefroren. Das Urlaubsgeld entfällt. Eine Einigung zwischen Unternehmensführung und Gewerkschaften, die im politischen Berlin für große Erleichterung gesorgt hat. Werksschließungen und Massenentlassungen mitten im Wahlkampf hätten gewirkt wie ein Scheitern aller Pläne von Bäckern, die nur mal zwischendurch nicht mehr backen, und Unternehmen, die nach einer langen Pause später sicher wieder viel unternehmen werden.  

Die VW-Einigung etabliert die Bundesbetriebsferien als kosmetische Operation, die Probleme noch einmal auf die lange Bank schiebt. Grundlage aller Berechnungen ist die Annahme, dass die deutsche Verkehrswende scheitert, Fahrrad, ÖPNV und Deutschland-Ticket nicht wie geplant so sehr an Bedeutung gewinnen, dass der Individualverkehr zum Verschwinden gebracht werden kann. Sondern später wieder, wenn alles nicht mehr so teurer ist, wieder Autos auf Volksburg gekauft werden.

Schwächelnder Staatskonzern 

Den Weg dahin hatten Fachpolitiker schon vor Wochen gewiesen. Aus allen politischen Parteien kamen gute Tipps und wertvolle strategische Vorschläge. So hatte die grüne Bundestagsfraktionsvorsitzende Katarina Dröge angesichts der existenziellen Krise beim Staatskonzern - zwei der größten Anteilseigner sind das Land Niedersachsen und das Land Katar - zurecht die Frage gestellt, wann Volkswagen aufgehört hat, Volkswagen zu bauen. 

Auch Vize-Kanzler Robert Habeck hat den Finger in die Wunde gelegt. Volkswagens E-Modelle seien zu teuer, findet er. " Ihr heißt ">Volkswagen und nicht Luxuswagen", erinnert der grüne Kanzlerkandidat die Manager in Wolfsburg. Deutschland brauche bezahlbare Modelle. Sonst würden bald chinesische Firmen und Tesla dominieren. Lange schon fragen sich Beobachter, weshalb der Großkonzern nicht wieder beginnt, einfache, billige Autos für alle herzustellen, elektrisch angetrieben, ohne Schnickschnack, den niemand braucht. Dafür aber wieder finanzierbar für den kleinen Geldbeutel. Zusammen mit den drastischen Strafzöllen auf chinesische Billigfahrzeuge, die die EU verordnet hat, ergäbe das einen Zaubertrank zur sofortigen Rettung für Hunderttausende Arbeitsplätze.

Alternativloser Weg

Ein alternativloser Weg, daran hatte zuvor bereits Dröges Stellvertreter Andreas Audretsch keinen Zweifel gelassen. Unabhängig vom Fahrzeugabsatz und Betriebsergebnis sei eine Bestandsgarantie für alle VW-Werke und eine Beschäftigungsgarantie für alle Angestellten unabdingbar. Im Falle der allergrößten Not müsse der Staat eingreifen und die nicht absetzbare Überproduktion an Fahrzeugen über eine neue Kaufprämie vom Markt nehmen. 

Sozialismus ist machbar 

Dabei müsse der Neubestand, heißt es bei den Verkehrswendeplanern im politischen Berlin, nicht zwingend unmittelbar und vollständig auf dem Schrottplatz landen. Allein eine Elektrowende bei Polizei, Zoll, Bundeswehr und öffentlichen Verwaltungen könne rechnerisch fast zwei Monate lang viele VW-Werke beschäftigen. 

Derzeit krankt die Realisierung des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetzes (SFBG)), mit dem der Bund die europäische Richtlinie EU2019/1161 vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (Clean Vehicles Directive, kurz CVD-Richtlinie) umgesetzt hatte, noch an fehlenden Mitteln und dem erlahmenden Willen zum Umstieg: Gerade Behörden und Ministerien verweigern den Umstieg auf die klimaschonende Mobilität.

Verschwiegener Skandal

Es ist ein bekannter, aber von den Leitmedien wohlweislich verschwiegener Skandal. Derzeit ist die Zahl elektrisch betriebener Fahrzeuge im öffentlichen Dienst in Deutschland so niedrig, dass es nicht einmal eine Statistik dazu gibt. Der Behördenbestand an Fahrzeugen ist dermaßen verbrennerlastig, dass offenbar jede öffentliche Information über den desaströsen Zustand der öffentlichen Elektrifizierung vermieden werden soll.

Vermeintliche Vorreiter wie die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart hatte ursprünglich einmal geplant, ihren gesamten Fuhrpark von 260 Fahrzeugen bis 2023 auf Elektromobilität umzustellen. Mittlerweile wurde das Ziel unauffällig eingedampft. 2025 sollen nun nur noch 40 Prozent aller Fahrzeuge im städtischen Fuhrpark mit alternativen Antrieben unterwegs sein werden. Anderswo gibt es überhaupt keine Zielvorgaben mehr.

Rettung für Volkswagen

Dabei läge hier für den schwächelnden Volkswagen eine riesige Chance. Würde die Bundesregierung ihre eigene Forderung umsetzen, statt großer Benziner lieber einfache, billige Fahrzeuge zu für den Dienstgebrauch zu kaufen, könnte Volkswagen diese Fahrzeuge auch planen und bauen. Ein Schlüssel zum Erfolg wäre dazu ein klares Zeichen aus Berlin, dass die zuletzt von der EU beschlossenen neuen  Auflagen für die Autobauer hinfällig werden, mit denen die EU die Herstellung von Fahrzeugen zuletzt immer weiter verkompliziert hatte. 

Vom Sicherheitsassistenten ISA, der Autofahrerinnen und Autofahrer mit nervenden akustischen und optischen Signalen auf Überschreitungen des Tempolimits hinweisen soll über die ins Auto eingebaute automatische Temporeduktion, bei der das Gaspedal leicht gegen den Fuß drückt, um den Fahrer an seine gesetzlichen Pflichten zu erinnern, bis hin zur Blackbox, die den Behörden im Fall eines Unfalls Daten liefert, haben EU-Vorgaben aus den einst simplen Mobilitätshilfen Computer auf Rädern gemacht, die ihre Nutzer auf Schritt und Tritt überwachen und zu erziehen versuchen. 

Die große Chance von VW

Hier liegt die Chance von Volkswagen. Das ganz klein und billig zu bauen, mit den  demnächst zwingend vorgeschriebenen Notbremsassistent, der Gefahrensituationen selbständig erkennen muss und das Fahrzeug automatisch abbremst, dem zusätzlichen Notbremslicht, das nachfolgenden Fahrzeugen starke Bremsmanöver sofort anzeigt, dem Müdigkeitswarner, der im Blick behält, ob der Fahrer schläfrig wird, dem Rückfahrassistenten, der Personen oder Objekte hinter dem Fahrzeug erkennt, dem Notfall-Spurhalteassistent und der vorbereiteten Schnittstelle für alkoholempfindliche Wegfahrsperren, das werden auch die Chinesen nicht schaffen.

Noch sind die sogenannten "Alcolocks" nicht marktreif, noch muss für all das nicht nur Hard- und Software entwickelt, sondern die automatische Schnapsdrosselerkennung auch durch komplizierteste EU-Zertifizierungsprozesse gefädelt werden. Der gute Rat von Robert Habeck, das alles so zu gestalten, dass am Ende der Produktion super günstige W-Autos herauskommen, die auch die hart arbeitende Mitte sich wieder leisten kann, ist unbezahlbar.

Aufatmen im Abgrund: Heile Welt vor Heiligabend

Hätte Abdulmohsen einmal "Schwachkopf" geschrieben, wäre er vielleicht aufgehalten worden.
 

Wieder kurz vor Weihnachten. Wieder viele Tote. Wieder Verletzte. Vernichtete Hoffnungen in zahllosen Familien, namenloses Entsetzen in der Gesellschaft. Zerstörtes Vertrauen in das Handeln der Zuständigen. Kurz nach Magdeburg, einem Code wie einst Paris, Berlin, Lüttich oder Brüssel, geht denn noch ein großes Aufatmen durch Deutschland. 

Es hätte viel schlimmer kommen können! Anfangs sah es ganz danach aus. Wieder ein Einmann arabischer Abstammung. Wieder ein Weihnachtsmarkt. Wieder ein "Auto", das in eine Menschenmenge fährt. Wieder sofort Kommentare, in denen von 2015, Merkel, Scholz und den offenen Grenzen die Rede ist. 

Mitleid aus Berlin

Der Versuch, stattdessen eine Diskussion darüber zu beginnen, wie es sein kann, dass ein deutscher Weihnachtsmarkt sieben Jahre Erfindung der Terrorsperre und drei Monate nach Einführung des Messerverbots noch immer nicht rundum gesichert ist wie eine mittelalterliche Feste, verlief unglücklich. Die wohlfeilen Mitleidsbotschaften aus Berlin, verfertigt nach einem bewährtem Schnittmusterbogen, der von Amtsträger zu Amtsträger weitergegeben wird, schienen in der Breite kaum zu verfangen. 

Eine halbe Nacht lang drohte Deutschland eine neuerliche Zeitenwende. Der Wahlkampf, bis hierher absehbar ein langweiliges Wettrennen, bei dem die Starter versuchen würden, ohne inhaltliche Festlegung genug Stimmen zu ergattern, um in dieser oder jener Konstellation weiterzumachen wie immer, schickte sich an, zu einer Entscheidungsschlacht zu werden. Four more years? Oder Kettensäge?

Wenigstens kein Islamist

Die Rettung kam unverhofft, und sie kam in Person des Mörders von Magdeburg. Der ist zwar wirklich ein Mann saudischer Abstammung, aber weder der islamistische Schläfer, den die ersten Terrorexperten in ihm erkannt zu haben glaubten, noch der Soldat des Islamischen Staates, der in Sachsen-Anhalt die Kollaboration der deutschen Regierung mit den netten Islamisten von der HTS  rächen wollte. 

Taleb Al Abdulmohsen stellte sich vielmehr schnell als Arzt aus Saudi-Arabien heraus, der schon lange vor Merkels "Grenzöffnung" (Barack Obama)  nach Deutschland gekommen war - auf der Flucht vor den salafistischen Blutprinzen, die in seinem Heimatland mit harter Hand herrschen, dabei aber vom Westen als verlässlicher Bündnispartner gegen als noch schlimmer eingeschätzte Schreckensregime betrachtet werden. Al Abdulmohsen hatte in Deutschland Asyl gesucht, in der neuen Heimat aber keine Verbündeten gefunden, um gegen die unmenschlichen Verhältnisse im Land seiner Väter zu kämpfen. 

Im unauffälligen Kittel eines Psychiaters, der sich im Maßregelvollzug um weggesperrte Straftäter kümmerte, trieb die Vorstellung, Deutschland lasse sich willig islamisieren, den Islam-Aussteiger vom Hass auf Salafisten zum Hass auf den Islam und vor dort weiter zum Hass auf Deutschland. Lange vor seinem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt kündigte der 50-Jährige an, im Kampf für seine Sache sterben zu wollen.

 "Gefällt mir" für die AfD

"Gerechtigkeit um jeden Preis" war sein Ziel. Wer als Deutscher auch betroffen sei, solle sich anschließen, schrieb er. Wer sich nicht betroffen fühle, solle sich später nicht beschweren. Der in der Kleinstadt Bernburg lebende Mediziner, engagiert in der Flüchtlingshilfe und im Internet mit einer Seite vertreten, die fluchtwilligen Frauen und Mädchen aus Saudi-Arabien Tipps wie "do not seek asylum in G e r m a n y" gab, verteilte "Gefällt mir"-Klicks an die AfD. 

Er nannte sich selbst einen Linken, bezog aber rechte Positionen, was den Umgang mit Moslems Muslimen anlangt. Der Mann war, nach allem, was Stunden später feststeht, Ausländer und Ausländerfeind. Ein Arzt als Mörder. Ein Zufluchtsuchender, der gut integriert schien, aber nie angekommen war. Ein Gefährder, vor dem gewarnt wurde, um den sich aber niemand kümmern konnte.

Abdulmohsen ist das Beste, was den Wahlkämpfern in Berlin in einer Situation passieren konnte, in der über die ersten Stunden hinweg in keiner Parteizentrale klar war, wie sie sich beherrschen lassen würde. Natürlich lieferte AfD-Chefin Alice Weidel mit "Der Wahnsinn muss ein Ende haben" eine Parole, der jeder unwillkürlich zustimmen musste. 

Wie im Robert-Frost-Gedicht

Weidel aber muss noch auf absehbare Zeit keine Idee haben, wie genau sich verhindern lassen soll, dass ein Akademiker nach 18 Jahren im Land plötzlich ein Signal empfängt wie die mit einem Robert-Frost-Gedicht konditionierten KGB-Agenten in Don Siegels Thriller "Telefon". Die werden mit dem Satz "des Waldes Dunkel zieht mich an, doch muss zu meinem Wort ich stehn und Meilen gehn, bevor ich schlafen kann" von braven Normalbürgern zu roboterhaften Killern - ein Schritt, den Taleb Al Abdulmohsen nur wenige Tage nach der deutschen Zustimmung zur Vergabe der Fußball-WM 2030 an Saudi-Arabien ging.

Ein Zufall? Oder der Auslöser dafür, dass der Mediziner Menschen ermordete, die er nicht einmal kannte, die ihm nie begegnet waren und deren Person für seine Tat weder individuelle noch funktionale Bedeutung hatten, wie es bei deutschen Terroristen überwiegend Brauch ist? Am Abgrund, in den der arabische Terrorist sein Gastland zu ziehen drohte, herrscht am Tag danach hörbares Aufatmen. 

Mag der Mann aus Bernburg auch den Krieg aus seinem Heimatland mit nach Deutschland gebracht haben - immerhin war es keiner der Kriege, die seit 2015 so viele Menschen in Europa das Leben gekostet haben. Abdulmohsen ist zweifelsfrei überführt, keiner der ganz normalen islamistischen Attentäter zu sein, der uns unsere freiheitliche Lebensart, unsere Glühweinstände und den Weihnachtsmann nehmen will. 

Kritiker des Islam

Vielmehr gehöre sein Anschlag "in eine Reihe mit den rechtsextremistischen Anschlägen von Breivik (77 Tote) und Christchurch (51 Tote)" (Ruprecht Polenz), der Täter habe "Verbindung in die rechtsextremistische Szene" gehabt, er habe sich als "aggressivster Kritiker des Islam" bezeichne und "Beiträge von rechtsideologischen Accounts, etwa auch von AfD-Chefin Alice Weidel und der neurechten Influencerin Naomi Seibt sowie von X-Besitzer Elon Musk" geteilt. Andererseits war er vielleicht aber auch nur wirr. Beileine nicht die schlimmste Variante. Schnelle Urteile, vielleicht nicht richtig, aber beruhigend.

Die Welt ist wieder so gut wie in Ordnung. Der Kanzler und die Kanzlerkandidaten, der Bundespräsident und der Landesvater, sie haben Beileid bekundet. Die Medien haben die Finger in die Wunde, die Magdeburger Blumen niedergelegt. Aufgearbeitet werden muss noch, wieso der Weihnachtsmarkt nicht sicher war, die Polizei den Verdächtigen zur geplanten "Gefährderansprache" nicht antraf, nachdem eine Vielzahl von Hinweise auf die Mordfantasien des 50-Jährigen einging, und wieso im Psychiaterkollektiv im Maßregelvollzug niemandem auffiel, dass in den Therapiestunden mit Abdulmohsen immer die Falschen auf der Ledercouch lagen.


Samstag, 21. Dezember 2024

Zitate zur Zeit: Die Logik des Verlustes


Dem Bürger wird kein eigener Wille zugestanden, sondern alles, was nicht passt, muss auf Lügen finsterer Mächte zurückgehen. 

Man kritisiert nicht die Linken dafür, dass vom Volkswillen abweichen, sondern man kritisiert das Volk dafür, dass es nicht den Linken folgt.

Hadmud Danish kommentiert den anstehenden Bundestagswahlkampf

Angriff aus Amerika: Murren in der Mottenkiste

Droht, den deutschen Wahlkampf zu entscheiden: Elon Musk. Zeichnung: Kümram, Buntstift auf Pergament

Er hatte sich nicht einmal die Mühe gegeben, seinen Versuch der Wahlbeeinflussung im größten Land der EU ins Deutsche zu übersetzen. Elon Musk schrieb einfach nur "Only the AfD can save Germany" und es funktionierte dennoch. Ähnlich aufgeregt wie damals, vor Wochen, als die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer beinahe entscheidend in den US-Wahlkampf eingriff oder als EU-Wettbewerbskommissar Thierry Breton nach Übersee signalisierte, dass der alte Kontinent sich ungeprüfte Interviewinhalte nicht straflos würde zusenden lassen, schlugen die Wochen hoch.  

Inakzeptable Wortmeldung

"Vollkommen inakzeptabel" sei die Meinungsäußerung des Amerikaners, hieß es von einem SPD-Hinterbänkler. Musk schalte sich damit "in den deutschen Wahlkampf" ein, urteilte die "Tagesschau", Musk "empfiehlt die AfD" dehnte der "Spiegel" die Interpretation des kurzen Satzes gewohnt fantasiereich. Schließlich meldete sich der amtierende Bundeskanzler selbst zu Wort, um den Satz auf dem in Deutschland schon seit zwei Jahren zunehmend bedeutungsloser werdenden Portal X als "nicht so abgewogen" einzuordnen.

Das Kanzlerduell und das Kanzlertriell, das Kanzlerquadrat und ein mögliches Kanzlerkandidatenquintett, sie waren schlagartig in den Hintergrund gerückt. Überall dort, wo der Einsatz der milliardenschweren Sängerin Taylor Swift für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris als lobenswerter Akt bürgerschaftlichen Engagements gewertet worden war und die Zurückhaltung der "Washington Post" des Milliardärs Jeff Bezos bei der Abgabe einer Wahlempfehlung als Verrat an allen gemeinsamen Werten, gilt Musks Meinung als offener Angriff auf die Integrität der anstehenden Schicksalswahl. 

Gefragte deutsche Wahlhelfer

Solange deutsche Medien und deutsche Politiker Wahlkampf in anderen Ländern betreiben, ist das gutgemeint. Sobald sich Stimmen aus dem Ausland in deutsche Angelegenheiten mischen, ist der Ruf nach Verboten, Strafen und Konsequenzen zu hören. Um zu beweisen, wie schädlich Musks Wortmeldung ist, wird sie von Freiwilligen sogar übersetzt und von den großen Medien auch den 97 Prozent der Deutschen vor die Tür getragen, die weder einen X-Account haben noch irgendetwas von dem mitbekommen, was dort tagein, tagaus diskutiert wird als hänge von der Debatte das Schicksal der Welt ab. 

Das Phänomen gleich dem, von dem Wladimir Putin profitiert. Unmittelbar nach Russlands Einfall in die Ukraine verbot die EU-Kommission die Verbreitung russischer Fernsehsender und Internetseiten in der EU. Medienfreiheit, Grundrechte - sie waren das erste Opfer des Krieges. Seitdem besorgen die Nachrichtenagenturen, Fernsehsender und Internetseiten des Westens das Geschäft des Kreml. Wenn Putin spricht, wie er es gerade getan hat, übertragen deutsche Adressen die Propagandashow des Diktators im Livestream.

Irrelevant, aber bedeutsam

Elon Musks X ist noch nicht verboten, dafür aber einerseits von einer solchen Abwanderungswelle so hart getroffen, dass sich angesichts des "Scheiterns" (Manager-Magazin) des Trump-Getreuen klammheimliche Freude über den "Absturz" des früheren Twitter breitmacht. Andererseits aber kein Zweifel daran besteht, wie mächtig die Waffe ist, die Musk besitzt, obwohl nach der Rückkehr der SPD auf die Plattform nun sogar das teilweise SPD-eigene RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) verkündet hat, dass es seine "Aktivitäten auf der Plattform X mit sofortiger Wirkung" einstelle,  weil es "seinen Charakter als Forum für sachliche, konstruktive Debatten aufgegeben" habe.

Debatten, die das der Taz zufolge im politischen Berlin zuweilen als "Reichsnachrichtendienst" verhöhnte Portal, das zu 23 Prozent der SPD gehört, stets auf dieselbe Weise führte: Das RND - nicht zu verwechseln mit den ND verbreitete eine Ansicht, vermied aber jede Diskussion darüber, stellte sich keiner Kritik, beantwortete keine Fragen und ging auf keinen sachlichen Hinweis ein. Von oben herab teilte die Redaktion zum Abschied mit: "Diese Debatten sind aus unserer Sicht aber die Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt." Weshalb man nun sein "Angebot auf anderen digitalen Bühnen" verstärke.

Aber weiter mitlesen

Lesen sie weiter mit? Aber sowas von! Feindbeobachtung ist wichtig und bei X ist immer etwas Empörendes zu finden, mit dem sich künstliche Aufregung erzeugen lässt. Musks AfD-Satz gilt auch beim RND als Einmischung in den Bundestags­wahlkampf, auch die SPD-nahe Redaktion, die eben noch mit großer Geste auf die Reichweite seines Netzwerkes verzichtet hat, beklagt nun, dass Musk "die Reichweite seines Netzwerks" nutze.

Ein Sakrileg sondergleichen

In der Gedankenwelt der Mitarbeiter der Contentfabrik aus Hannover ist das ein Sakrileg sondergleichen. Wie bei "Spiegel", SZ, FR, ZDF und ARD gehen hier alle davon aus, dass außerhalb ihres Elfenbeinturmes unmündige Schwachköpfe leben, die ihre Wahlentscheidung keinesfalls selbst treffen können.

In der Mottenkiste ihres Menschenbildes gibt es keine selbstbestimmten Wähler, niemand außerhalb der eigenen Blase hat ausreichend profunde Kenntnisse, um zu wissen, was gut für sie oder ihn ist. Aus dieser Überzeugung speist sich der Glaube, dass die Leute da draußen tun, was ihnen ein Prominenter sagt, dass sie darauf warten, von Taylor Swift oder Elon Musk zu erfahren, wo es langgeht. Und mangels eigener Lebenserfahrung von wohlmeinenden Politikern, Influencern und Kommentätern, davor geschützt werden müssen, sich Schaden zuzufügen. 

Freitag, 20. Dezember 2024

Tuchfühlung mit Terrortruppe: Ohnmacht bei den Islamisten

Eine Wandlung im Eiltempo: Die aktenkundige islamistische Terrororganisation HTS wurde innerhalb von drei Wochen zum akzeptierten Gesprächspartner der EU.

Eben noch Terrorist, auf einmal schon Staatsmann. Für HTS-Chef Abu Mohammed al-Julani könnte es ganz schnell gehen: Noch im Sommer bezichtigten ihn Berichte der Vereinten Nationen, der EU und USA, schwere Menschenrechtsverbrechen, darunter Folter, extralegale Hinrichtungen, Diskriminierung von Frauen und Minderheiten sowie die systematische Unterdrückung politischer Gegner, Journalisten und Aktivisten zu begehen. Noch vor Winterbeginn aber könnte der Chef der islamistischen Terrororganisation  Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) ein anerkannter Partner des Wertewestens bei der Befriedung des Nahen Ostens werden.

Syriens größte Terrororganisation


Er muss sogar, denn anderenfalls könnten sich führende EU-Diplomaten nach deutschem Recht strafbar machen: § 129b Strafgesetzbuch stellt Werbung und Unterstützung terroristischer Vereinigungen unter Strafe. Zwar kann die strafwürdige Propaganda zu Gunsten terroristischer Vereinigungen seit einer Änderung des Gesetzestextes "nicht mehr ausreichend strafrechtlich erfasst werden".  
 
Doch bei einer Kontaktaufnahme mit Syriens  größter Terrororganisation, wie sie die EU und die Bundesregierung planen, könnte es sich durchaus um einen Schritt handeln, der gehalten ist, das strafbare und völkerrechtswidrige Vorgehen der Terrormiliz zu verharmlosen.

Das wiederum käme einem weiterhin strafbaren "Werben um Mitglieder oder Unterstützer" gleich, weil es den Eindruck erwecken würde, die europäischen Staaten und die amtierende Bundesregierung rückten von der Einstufung der HTS als Terrororganisation ab. 
 
Ein Fehler, den Deutschland im Fall der Hamas schon einmal begangen hat: Um Gesprächskanäle zu den Terroristen offenzuhalten, verzichteten alle Bundesregierungen über Jahrzehnte hinweg darauf, die Hamas offiziell als Terrorgruppe anzuerkennen. Die EU führte die antisemitische Mördervereinigung deshalb zwar trotz einer Empfehlung von EuGH-Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs Eleanor Sharpston auf ihrer offiziellen Terrorliste. Deutschland aber verzichtete wegen seiner besonderen Verantwortung Israel gegenüber darauf, die antisemitischen Mörder als solche zu führen.
 

Von der Rebellenmiliz zur Übergangsregierung


Im Fall der HTS, die erst Anfang Dezember als "Rebellenmiliz" in die weltweite Berichterstattung eingeführt wurde und es schon wenige Tage später zur Bezeichnung "Übergangsregierung" gebracht hatte, ist die Lage unübersichtlich. 
 
Die USA haben auf HTS-Chef Abu Mohammed al-Dschulani ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar ausgesetzt, die Europäische Union hat einige ihrer strengen Sanktionen verhängt. Zugleich ist die Dankbarkeit diesseits und jenseits des Atlantik groß, dass Mohammed al-Dschulani  und seine Terrortruppe Baschar al-Assad und die zugleich auch dessen russische Unterstützer aus Syrien vertrieben haben. 

Sei al-Dschulani also auch ein Schweinehund mit blutigen Händen, so ist er doch derzeit der Schweinehund des Westens, um den sich die EU-Außenminister auf bewährte Weise bemühen. Was war, ist vergessen. Die Terrorliste der Vereinten Nationen, auf der die HTS einen sicheren Platz hat, ist nicht mehr wichtig. Die Toten bleiben begraben. Die Opfer der HTS spielen keine Rolle mehr, wenn die derzeit beliebtesten Islamisten die russischen Militärstützpunkte im Land schließen, den Schutz von Minderheiten versprechen sowie die Achtung der Rechte von Frauen schwören.
 

Ohnmacht als Parlamentär

 
Die EU-Außenminister haben lange gesucht. Und dann einen Mann mit sprechendem Namen gefunden, den sie als ersten Parlamentär in das von Islamisten befreite Damaskus geschickt haben. Michael Ohnmacht - arabisch "لا أستطيع أن أفعل أي شيء" im Sinne von "kann nichts tun" - soll der "neuen syrischen Führung" die Bedingungen mitteilen, die die große europäische Völkerfamilie stellt, ehe sie sie bereit ist, Gespräche auf Augenhöhe zu führen.

Eine davon, und es ist die bei weitem wichtigste, ist beinahe erfüllt. Die Russen sind abgezogen oder dabei, sich im Nachbarland Libyen neu einzurichten. Den Vorgaben der feministischen Außenpolitik folgend, gilt es nun, die Rebellen, Religionsrevolutionäre und Kopfabschneider schnell von einer Korrektur ihrer Einstellung in vielen anderen Fragen des Umgangs mit Vielfalt und Freiheitsrechten zu überzeugen. 
 
Derzeit gilt die HTS noch als antisemitisch und frauenrechtsfeindlich, die Freiheitskämpfer sind Schwulenhasser und für eine aufgeklärte Transgenderpolitik nicht zu haben. Das Regime lehnt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Grundlage der Politik offenkundig ab. Dass ein Sprecher Frauen androhte, man wolle für sie "Aufgaben finden, die ihrer Biologie und Psychologie entsprechen", zeigt, dass für EU-Europa noch viele Fördermillionen wird schicken müssen, bis sich die Islamisten einlenken.

Geheimplan: Manchmal, im Traum, erscheint ihnen der Wannsee

Für fast drei Monate setzte das Geheimplan-Team - hier in den blauen Anzüge der Entscheider -  das Thema das Jahres. Nach der letzten Protestdemo begann die Debatte um mehr Rückführungen und weniger Migration.


Auch andere haben schon riesige Verschwörungen enthüllt, die Angriffe von mächtigen Interessengruppen auf die demokratische Gesellschaft ausrecherchiert und der Öffentlichkeit präsentiert oder Umtrieben von Stellen, die unter der öffentlichen Aufmerksamkeit dahinschleichen, die Maske vom Gesicht gerissen.  

Erschütterndes Ausmaß

Doch weder die beiden Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post noch Edward mit seinen Enthüllungen über das erschütternde Ausmaß amerikanische Spionageaktivitäten bis ins Heiligste von engverbündeten Staaten oder Rudolf Augsteins Geschichte über die nur "Bedingt abwehrbereite" Bundeswehr hatten gesellschaftlich eine ähnliche Sprengkraft wie das, was sie Mitglieder des Internetportals "Correctiv" Anfang des Jahres ausdachten,

Eine Sitzung mehrerer öffentlich weitgehend unbekannter älterer Damen und Herren. Ein Vortrag eines Ausländers, der über deutsche Werte und deutsche Grenzen schwadroniert. Und eine Aufregung, die zu den größten Demonstrationen führte, die Bundesdeutschland jemals gesehen hat. Das "Geheimtreffen" in Potsdam, so geheim, dass schriftlich eingeladen worden war, versprach mehrere Tage lang, den Rechtsrutsch in Deutschland zu beenden. Wir waren mehr, behaupteten alle. 

Umbenennung in Rostock

Als Schlusspunkt wurde das Abschiebeabteilung Remigration im Rostocker Rathaus umbenannt. Ein Einreiseverbot wurde vorübergehend zurückgenommen. "Remigration" durch "Rückführungen" ersetzt. Und schon zu Ostern war der Aufstand der Anständigen beendet. Alle wollten nun "konsequenter abschieben", jeder mühte sich, schärfere Regeln zu fordern und die eben noch gefeierte gemeinsame EU-Migrationslösung grundlegend infrage zu stellen.  

Gar kein Geheimplan gegen Deutschland: Nach sieben Zehn-Punkte-Plänen der EU, um "den hohen Zustrom von Migranten zu bewältigen", forderte EU-Chefin Ursula von der Leyen Abschiebezentren außerhalb der EU, ein Modell, das die "italienische Post-Faschistin" (Bild) Giorgia Meloni bis dahin im Alleingang vorangetrieben hatte. Das Thema Asyl war damit durchgespielt.

Jahrestag im Januar

Die aufwendige "Geheimplan"-Recherche der Correctiv-Reporter war letztlich folgenlos verpufft. Ein Sturm im Ansturmglas, an den sich schon zum Jahrestag im Januar niemand mehr erinnert hätte, wäre nicht angekündigt worden, mit der "Initial­zündung einer bislang einzig­artigen Protest­welle in Deutschland"  (Medium-Magazin) rund um die Tage der Erinnerung auf Deutschland-Tour zu gehen. 

Jetzt, wo führende Kanzlerkandidaten vielleicht nicht gleich "25 Millionen Asylbewerber*innen, Ausländer*innen mit Bleiberecht und deutschen Staatsbürger*innen mit Migrationsgeschichte" deportieren lassen wollen, aber doch alle Syrer, die nicht "gut integriert sind" (Olaf Scholz)  - was nicht weniger als einen völkisch-rassistischen Angriff auf das Grundgesetz darstellt - war es Zeit, ein neues Zeichen zu setzen. 

Deshalb hat die - österreichische - Fach­zeit­schrift "Medium Magazin" nicht etwa entschieden, dem im letzten Jahr ausgezeichneten "Rechercheteam Rammstein" wegen zahlreicher verlorener Gerichtsverfahren in der Causa "Row Zero" die Auszeichnung als "Journalistinnen und Journalisten des Jahres" zu entziehen. Sondern mit dem "Geheimplan"-Team von Correctiv eine Truppe von ähnlichem Kaliber zu ehren. Eben erste hatte das  Landgericht Berlin II Correctiv vorgeworfen, die "Geheimplan"-Erzählung erwecke einen "falschen Eindruck" zu Ausweisungsplänen gegen deutsche Staatsbürger.

Der Wannsee im Traum

Manchmal erscheint einem der - zehn Kilometer entfernte - Wannsee im Traum, manchmal Frau Merkel, manchmal gewinnen wie immer dieselben und immer verliert der Journalismus. Der "Medium"-Jury zufolge hat der "Geheimplan" "das Thema des Jahres" gesetzt, wenn aus realiter nur für 90 Tage. Im Angesicht der Umstände und der Geschwindigkeit, mit der andere staatsfeindliche Pläne vom Tisch verschwinden, ist das aller Ehren wert. Zumal das Geheimplan-Team auch gezeigt habe, wie eine "enge Zusammen­arbeit verschiedener Fach­richtungen - von klassischer Recherche­arbeit über Fakten­check, Kommunikation und Rechts­beratung" -  zu Ergebnissen führen könne, die erfolgreich einen Eindruck erweckt, es sei etwas behauptet worden, was nie behauptet wurde.

Die feierliche Preisverleihung wird pünktlich zum Jahrestag der letzten Geheimplan-Demonstrationen am 19. Mai im Berliner Hotel Oderberger in Berlin stattfinden, das beinahe 30 Kilometer vom Wannsee entfernt liegt..

Donnerstag, 19. Dezember 2024

Letzte Generation: Am Ende des Aussterben

Der Ruf ist ruiniert, das Interesse nahe Null: Die für ihre Selbstgerechtigkeit bekannte "Letzte Generation" sucht nach einem neuen Namen und einer neuen Aufgabe.

Sie kamen, um zu sterben, und es reichte ihnen nicht, auf den Tod zu warten. Als zur Bundestagswahl vor drei Jahren einige wenige offenkundig verwirrte junge Leute mitten im politischen Berlin ein Zeltlager errichteten, um dort bis zum Tod zu hungern, war das nicht nur die Verzweiflungstat einer Generation, die in Elternhaus, Schule und Ausbildung den Eindruck vermittelt bekommen hat, dass sich alles um sie dreht und alles nur nach ihrem Kopf geht.  

Eine elitäre Bewegung

Sondern auch die Geburtsstunde einer elitären Bewegung, die noch kleiner war als Attac, Occupy Wall Street und Fridays for Future: Die "Letzte Generation" trat an, Schluss zu machen mit dem zögerlichen Herumstreiken der Greta Thunberg und ihres Gefolges. 

Die neuen Aktivisten hatten die Geduld mit den 99 Prozent der Menschen verloren, die einfach nur ihr Leben leben wollen, in Ruhe und Frieden und mit der Aussicht auf ein paar angenehme Jahre im Ruhestand, dann, wenn 45 oder mehr Jahre in der Knochenmühle von Fabrik oder Büro halbwegs lebendig absolviert wurden. 

Die Letzte Generation wollte den Klimawandel gleich verhindern, aus allem Aussteigen, was der Zukunft schadet. Sie sagten: "Wir sind die Letzte Generation. Wir kommen zusammen und leisten entschlossen gewaltfreien Widerstand gegen den fossilen Wahnsinn unserer Gegenwart". Und sie begannen, die nimmersatte Medienmaschine mit malerisch inszenierten Anschlägen auf die kritische Infrastruktur zu füttern. 

Hier ein Farbbeutelanschlag, dort eine sabotierte Pipeline. Blockierter Verkehr, provozierende Talkshowauftritte und die Inszenierung der eigenen Selbstgerechtigkeit als Endpunkt der menschlichen Moral: Nie zuvor war es einer kleinen Gruppe von Menschen gelungen, eine so tiefe gesellschaftliche Spaltung in so kurzer Zeit zu bewirken.

Wechsel der Klebeziele

Dabei wechselten die Klebeziele so schnell wie die Prioritäten bei der Rettung der Welt. Mal sollte nie mehr Essen weggeworfen werden, mal galt es, gleich morgen alle Verbrenner stillzulegen. Angegriffen wurden politische Verantwortungsträger und vor Jahrhunderten verstorbene Künstler. Erpresst wurden die höchsten Repräsentanten des Staates und aufgerufen wurde dazu, die Justiz lahmzulegen. Die von einigen Talkshowprofis abgesehen stets anonym bleibende Führung der Gruppe ohne festen Organisationszusammenhang spielte virtuos auf der Klaviatur der Mediengesellschaft. Die führenden Köpfe wussten genau: Erst wenn es langweilig wird, ist es vorbei mit dem sogenannten "Aufstand der Letzten Generation".

Doch als es so weit war, haben sie es selbst nicht einmal bemerkt. Berauscht vom Gefühl, über die Medien ein sogenanntes "Umdenken" in Gesellschaft und Politik erreichen zu können, das aus Deutschland im Handumdrehen einen Staat machen werde, der nachhaltig und klimaneutral wirtschafte, dabei aber natürlich immer noch sehr, sehr wohlhabend sein werde, verpasste die Letzte Generation den Moment, an dem ihr Treiben von den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr als das bizarre Gezeter  verwöhnter Wohlstandskinder wahrgenommen wurde, sondern nur noch als lästiges Buhlen um Aufmerksamkeit

Im demokratischen Mäntelchen

Der Versuch der Klebekinder, sich ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen und den friedlichen terror nach Europa zu tragen, scheiterte episch. Die Letzte Generation, die in den Jahren ihrer Existenz  mehr Bildschirmzeit und Schlagzeilenplatz zur Verfügung gestellt bekommen hat als jede andere Lobbygruppe in der Geschichte, schaffte es bei der EU-Wahl mit 0,26 Prozent der Stimmen gerade so vor die offiziell als "Schwurblerpartei" bezeichnete Basis, die Partei "Menschliche Welt" und die rechtsextreme "Heimat".

Der Versuch, das chinesische Videoportal TikTok zu missbrauchen, um die Wahl für sich zu entscheiden, war schiefgegangen. Der Plan, die "EU aufzumischen", damit erledigt. Viel mehr aber blieb den Letzten ihrer Art nicht an strategischen Optionen: Einfache Demonstrationen waren von Anfang an kein Mittel der Wahl gewesen. Der friedliche, zivile Widerstand war für unzureichend befunden worden. Beim Hungerstreiken meldete sich dann doch immer der Appetit. Die Anschläge auf den gesellschaftlichen Betrieb führten zu immer weiter wachsender Ablehnung. Die Sabotierung der Justiz durch Massenverfahren letztlich zu Geld- und Haftstrafen. Und die EU-Wahlkandidatur zu einer Blamage.

Die Letzten der Letzen Generation machen nun das Licht aus. Nach den neuen Zielen und den neuen Kampfmethoden soll ein neuer Name kommen, womöglich ist irgendwo noch Geld auf einem Konto, das für etwas "Neues, Großes" (Carla Hinrichs) genutzt werden kann - dann vielleicht gemeinsam mit den Dissidenten der Grünen Jugend.

Social-Media-Verbot für Ältere: Generation Gefährder

Es sind zumeist Ältere und zumeist Männer, die die Möglichkeiten der Meinungsfreiheit missbrauchen, um zu spalten und zu unterstellen.

Dass Männer Mitte, Ende 50 und oft noch älter oder Frauen im reifen Alter von 55 und mehr Jahren oft stundenlang auf X, Instagram, Facebook oder Tiktok herumhängen und sich dort Hassbotschaften anschauen, ist das Eine. Gerade diese Generationen von Boomer bis X aber hat nie von Kindesbeinen an lernen können, wie sich korrekt mit den sogenannten sozialen Medien umgehen lässt. Sie sind es, die sich zu Hass, Hetze und Zweifel hinreißen lassen, die Politiker, Parteien und Staatsorgane kritisieren, Beleidigungen ausstoßen und sich staatsfeindliche Delegitimierer verdächtig machen.

Generation Gefährder


Viel haben die Behörden versucht, um den Hang zu Ausfälligkeiten einzuhegen, der die Altersgruppe über 50 derzeit zur gefährlichsten Generation macht. Es wurde gedroht, es wurden Exempel statuiert, die den Älteren noch als von der Kunstfreiheit geschützt geltende Satire zu illegalem Hohn erklärt und mit einem KI-gestützten System begonnen, die Datenautobahnen nach Verdachtsfällen von Regierungsfeindlichkeit und Politikerkritik abzuscannen. 

Ein Kurs, der nur wenig Erfolg hatte. Zwar verfingen die Einschüchterungen wie geplant, zugleich aber vermehrte die harte Hand gegen Gehässigkeiten den Unmut im Land. Statt sich zurückzuhalten und die Meinungsfreiheit in Ruhe zu lassen, damit sie reifen kann, fühlten sich Tausende aufgefordert, verfassungsfeindliche Parolen wie #schwachkopf und #stolzmonat abzusetzen. Und allen Berichten von HateAid, Respect!, So Done, Polizei, Staatsanwaltschaft und Ministerien zufolge sind es immer vor allem die Älteren, die bewusst in das wohlgemachte Bett spuckten, das ihnen die Bundesregierungen samt der sie tragenden Parteien seit dem Ende von Finanz- und Coronakrise zur Verfügung stellen.

Einstieg erst im hohen Alter


Es seien möglicherweise nicht mehr ausgleichbare kognitive Defizite, die die ältere Generation daran hindert, verantwortlich mit den Möglichkeiten der neuen Datenwelt umzugehen, glaubt Hans Achtelbuscher. Der Wissenschaftler, der am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung an Sprachregelungsmechanismen und dem Einfluss subkutaner Wünsche auf die berichterstattete Realität forscht, hat die Generation Gefährder über Jahre hinweg beobachtet, ihre Verhaltensweise analysiert und aus Cloud-Daten von Facebook, TikTok und verschiedenen Krankenkassen Rückschlüsse auf sogenannten Renitenz-Reflexe ziehen können. 

Wer erst im hohen Erwachsenenalter erste Schritte als Influencer gehe, sei kaum mehr in der Lage, sich Verhaltensweisen anzueignen,  die in zu einer verantwortlichen Nutzung der Plattformen befähige. "Da geht dann vor lauter Unbeholfenheit vieles durcheinander, es wird provoziert und gespalten", sagt der Forscher.

Immer wieder im Blickfeld der Behörden: Männer wie der 64-jährige Rentner, der die Fortwirkung eines Bundesministers gezielt. erschwerte. Ein anderer Senior, der die Karriere eines anderen Ministers mit Vorwürfen beendete, die von Kennerinnen der Umgangsformen im politischen Berlin als  "kein "Paradebeispiel für Würde" gebrandmarkt wurden. Eine Krankenschwester aus Haßbergen, die sich im brutal Ton vergreift und von  einem selbst bereits als radikal aufgefallenen Parteiführer in höherem Alter angezeigt werden muss.

Die Radikalisierung Älterer


Achterbuscher hält gesetzliche Regelungen zur Eindämmung der Gefahr einer weiteren Radikalisierung Älterer für angebracht. Der Blick des Medienwissenschaftlers geht dabei nach Australien: Das Land hat jetzt als erstes weltweit eine Altersgrenze für die Nutzung sozialer Netzwerke eingeführt. Plattformbetreibern wie X, TikTok und Facebook drohen bei Verstößen Strafen in Millionenhöhe. 

Deutschland und die EU sollten sich daran ein Beispiel nehmen, empfiehlt der Regressionforscher: Um Hass auszubremsen und Hetze einzudämmen, könne ein adäquates deutsches Social-Media-Gesetz eine Altersgrenze von 50 Jahren festlegen. "Ältere wären dann grundsätzlich nicht mehr in der Lage, die Netzwerke zur Verbreitung ihrer Hetzbotschaften zu verwenden."

Sehnsucht nach strenger Lösung


Der Bedarf nach einer solchen strengen Lösung ist da. Zahlen und Daten zeigen, dass gerade die Boomer-Generation gewährte unveräußerliche Grundrechte häufig missbraucht, seit sie nach einem vorübergehenden Entzug während der Pandemie wieder gewährt werden. Eine einheitliche EU-Regelung nach dem Vorbild des bisher weltweit einzigartigen australischen Gesetz  könne das Problem lösen, dass gerade die Älteren in der Gesellschaft oft niemanden mehr hätten, der ihnen die Nutzung von Social Media einfach verbieten könne. "Dadurch geraten viele ja erst in Abhängigkeiten und schließlich in ideologische Blasen, in denen sie sich zunehmend radikalisieren".

Es sind aber die Älteren, Vulnerablen, die vor den Tech-Konzernen geschützt werden müssen. Den Umgang mit Smartphone, Tablet und Laptop hätten diese Generationen zwar noch selbst gelernt. Doch ihr Wissen sein häufig oberflächlich, "sie kennen Apps, haben aber keinerlei Programmierkenntnisse". 

Krankhaftes Halbwissen


Eine gesetzliche Altersgrenze, die Über-50-Jährige von der Selbstverletzung durch die Offenbarung ewiggestrigen Denkens bei Facebook, X und Co. abhielte, "würde familiäre Konflikte vermeiden", ist sich Hans Achtelbuscher sicher. Zwar werde es "aus einschlägigen Kreisen sicher anfangs wieder Proteste hageln", prognostiziert er. "Aber die Schultern des Rechtsstaates sind breit genug, um die Plattformen zu zwingen, sich an nationales Recht zu halten."

Europa solle hier dennoch besser gemeinsam auftreten wie bei der Lösung der Flüchtlingskrise. "Wenn eine Richtlinie der EU Geldstrafen für Plattformen wie TikTok, Instagram, Snapchat, Reddit und X in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro vorsieht, wenn sie Menschen über 50 Jahren nicht systematisch daran hindern, Konten zu führen und Kommentare zu verfassen, werden die Betreiber schnell Lösungen für die Umsetzung des Verbots zu finden."

Der Staat muss alles wissen


Über den elektronischen Personalausweis könne etwa eine smarte rechtsgültige Altersverifizierung stattfinden, die zugleich auch die schon lange geforderte Klarnamenpflicht durchsetzen werde. "Das würde doppelt disziplinieren und wäre auch ein wirksames Werkzeug für Strafverfolger." Die SPD arbeitet bereits länger an einer solch umfassenden Lösung, die die denkbare Eingriffstiefe für Behörden und Strafverfolger erweitern würde. Eine Notwendigkeit, die sich allein schon aus der Vielzahl der Versuche ergibt, politisch Handelnde zu verhöhnen, um ihnen die Menschenwürde zu nehmen.

Beinahe-Kanzlerkandidat Boris Pistorius hatte deshalb immer wieder eine Klarnamenpflicht für Netzbürger gefordert, denen damit schneller auf die Schliche gekommen werden könne. Innenministerin Nancy Faeser ist dabei, die von Bundesverfassungsgericht und EuGH bereits vielfach abgelehnte Vorratsdatenspeicherung noch im laufenden Interregnum zwischen zwei demokratisch gewählten Regierungen zu realisieren. 

Offene Türen zu mehr Aufsicht


Die Sterne stehen günstig: Der Europäische Gerichtshof hatte die Türen zu einer stärkeren Aufsicht über die Bürgerinnen und Bürger mit seinem Urteil vom 30. April 2024 (Az.: C-470/21) weit geöffnet: Danach ist eine flächendeckende Speicherung von IP-Adressen grundsätzlich nur für die Bekämpfung schwerer Kriminalitätsarten möglich. Den Regierungen der Einzelstaaten wäre es nun möglich, verbale Hasskriminalität und Vorwürfe Richtung Regierung als schwere Straftaten einzuordnen. Dann dürfte Datenbewegungen, die den Vorverdacht legaler, aber illegitimer Inhalte erregen, nicht nur per KI proaktiv gesucht, sondern bis zum Beginn eines Strafverfahrens grundgesetzkonform in einer Überwachungscloud gespeichert werden.

Mittwoch, 18. Dezember 2024

Vergiftetes Angebot: Kein Duell am Katzentisch

Der Verdacht stand schon länger im Raum. Russland würde sich eine Bundestagswahl, bei der russlandfreundliche Parteien erfolgreich sind, nicht bieten lassen. Die Beispiele Georgien und Rumänien haben gezeigt, wie der Kreml hineinregiert in Staaten, die ihren eigenen Weg gehen wollen. Dann wird hineinregiert, wird TikTok benutzt und es werden Trollarmeen auf X in Marsch gesetzt.

Neu aber: In Deutschland geraten öffentlich-rechtliche Gemeinsinnsender und die Stationen der privatkapitalistischen Medienheuschrecken unter Verdacht, mindestens ebenso an den Grundlagen der demokratischen Grundordnung zu sägen. 

Indiz eins: Ungeachtet der hohen Beliebtheit des grünen Kandidaten Robert Habeck, der seine Konkurrenten von rechts teilweise weit hinter sich lässt, bestimmte die ARD, dass nur Olaf Scholz und Friedrich Merz in ihrer Wahlarena gegen einander antreten dürfen, um erneut Argumente für ein entschiedenes Weiterso auszutauschen. Indiz zwei: Beide sollen gleich mehrfach vorgeführt werden, offenbar gleich bei mehreren Sendern an zwei Sonntagen im Februar.

Die meisten werden aussortiert


Nicht berücksichtigt werden sollen hingegen die übrigen Kandidierenden: Nicht Alice Weidel von der AfD, nicht Robert Habeck von den Grünen, nicht Sahra Wagenknecht vom BSW, nicht Christian Lindner (FDP), nicht Markus Söder von der CSU, nicht Jan van Aken und Heidi Reichinnek von der Linken oder Gabi Fechtner von der MLPD.   Ebenso außen vor bleibt den Senderplanungen zufolge Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, Maral Koohestanian von Volt und Jürgen Todenhöfer vom "Team Todenhöfer", der ersten aller Teamparteien.

Robert Habeck etwa sollte sich mit einem "Duell" abfinden lassen, das ihn gezwungen hätte, der in den Teilen gesichert rechtsextremen Kanzleramtsanwärterin der AfD eine Plattform zu bieten. Habeck gegen Weidel, eine Konstellation, die nach Angaben von Irene Mihalic, der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, geeignet gewesen wäre, den "bisher offenen Wahlkampf" durch "politische Fakten" zu entscheiden, "die an der Realität vollkommen vorbeigehen". 

Angst vor der schlechten Figur


Ein Satz wie Donnergrollen, der früh klarmachte: Wer wie Robert Habeck "nach den gemeinsamen Regeln unserer liberalen Demokratie" (Habeck) spielt, kann sich auf ein solches vergiftetes Angebot nicht einlassen. Zu groß die Demütigung, nur am Katzentisch der von der ARD aussortierten Parteien palavern zu dürfen. Und zu groß die Gefahr, in der Diskussion mit der extremen Kandidatin vom anderen Ende des politischen Spektrums eine schlechte Figur zu machen. 

Habecks Team habe der ARD mitgeteilt, "dass wir eine Einladung nicht akzeptieren werden", sagte ein Sprecher der grünen Wahlkampagne dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Umfragewerte Habeck seien so gut, dass niemand voraussagen könne, wie das Ergebnis am Wahltag aussehen werde, weil auch die SPD vor der Wahl 2021  in den Umfragen ähnlich weit zurückgelegen habe. 

Es sei nun an der ARD, die Bedingungen für eine Aufholjagd des Kandidaten der Partei zu schaffen, die derzeit in den meisten Umfragen nur auf dem undankbaren Platz 4 rangiere, den vor drei Jahren die FDP einnahm.

Noch vor der Einladung abgelehnt


Die wurde seinerzeit zu keinem Kanzler-Triell geladen, konnte damit keine angekündigte Einladung zu einer Teilnahme demonstrativ absagen und blieb am Wahltag entsprechend wirklich auf Platz 4 hängen. Eine Warnung für Habeck, der mit seinem algorithmusgestützten #TeamHabeck bisher die erfolgreichste Kampagne aller Wahlkämpfer führt. 

Im Moment liegt Habeck nur noch sechs Punkte hinter AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, von Olaf Scholz trennen ihn sogar nur noch vier Prozent der Stimmen und von Friedrich Merz 17. Kaum ein anderer Kandidat hätte mehr Anspruch darauf, in der ersten Reihe zu debattieren, kein anderer hätte deshalb mehr Grund, eine Zurückstufung in die "Ameisen-Runde" (AfD) rundheraus abzulehnen. 

Es ist nun an der ARD, den angerichteten Schaden für die Demokratie zu reparieren und Robert Habeck ein Angebot zu machen, das den Stellenwert des grünen Kandidaten für die Zukunft des Landes und das Überleben der Menschheit richtig gewichtet.