Freitag, 24. November 2023

Doku Deutschland: Mit der Bürgerwehr auf Schutzeinsatz

Mit Taschenlampen und Deutschlandfahnen bewaffnet zieht die Bürgerwehr in Schneckenbach allabendlich aus, um Antisemitismus zu bekämpfen. Abb.: "Die nationale Nachtwache" by Kümram, Blut auf Leinwand

Wir saßen wie immer in der Kneipe beim Rudi bei uns im Dorf und fragten uns, was nur los ist in der Welt, vor allem aber in dem Land, das wir alle gern mit Schutzuchend:innen teilen, dass aber immer mehr Gewalt gegen Jüdinnen und Juden zulässt. "Die Zahl der antisemitischen Straftaten im dritten Quartal ist deutlich gestiegen, sagte Rolf und schaute traurig in sein Bier. "Die Gefahr kommt vor allem aus dem rechten Spektrum", nickte Lorenz bedrückt, er ist Physiker und hat Spektralfotografie studiert. Jens, der als Lehrender arbeitet, sagte: "Auch Frankreich meldet über tausend Vorfälle, habe ich gelesen." Heinz bestellte noch eine Runde. "Die Welt ist so scheiße", rief er vom Tresen aus, "man muss sie sich schönsaufen!"  

Anruf im Morgengrauen

Aber dem Rolf, dem Jens und mir, uns hat das wenig später nicht mehr gereicht. Es war am nächsten Morgen und das Telefon klingelte ganz früh. Fast wäre ich nicht rangegangen, weil die Mülltonnen noch rauszubringen waren und der Vermieter seit Monaten niemanden findet, der das macht. Wegen des Fachkräftemangels springen wir Mieter:innen ein, die Müllsache gehört jetzt zur großen Hausordnung. Ich hörte es also klingeln, dachte aber, wenns wichtig ist, ruft der nochmal an. Es kam anders, der Anrufer blieb hartnäckig und ich schaffte es mit dem letzten Atem, den Hörer abzunehmen. Der Rolf war dran, ein bisschen aufgeregt. Mit einer Idee, die mich vom Fleck weg gehabt hat, da will ich ehrlich sein.

Ich bin kein Typ, der sich gern wichtig macht. Mein Ding sind so eher die Hintergründe, meine Frau sagt immer, wäre ich Sänger, würde ich im Background brummen. Aber als der Rolf am Telefon fragte, hast Du gehört, was der Kanzler gesagt hat, war ich sofort bei ihn. "Meinst Du, wer Juden in Deutschland angreift, greift uns alle an?", habe ich gesagt. Ich hörte den Rolf förmlich nicken und dann sagen: "Und er meint, deshalb sollen wir uns nun alle für den Schutz von Jüdinnen und Juden in Deutschland einsetzen, da gehe es um Zivilcourage".

Kanzler ruft zu den Waffen

So ist die Lage. Gleich am selben Abend haben wir die anderen zusammengetrommelt, den Lorenz, den Heinz, auch den Jens, Udo, Peter, Ali von der Shishabar und Miran, der Poolservice macht. Ja, und Wanja natürlich, der noch nicht so lange hier lebt, aber gern blieben will, weil das Geschäft mit seinem kleinen Baubetrieb eigentlich ganz gut angelaufen war. Ich nehme mal vorweg: Es gab keine lange Diskussion. Rolf hat kurz aus dem "Mannheimer Morgen" vorgelesen, also dass der Bundeskanzler bedrückt ist wegen des auf einmal überall verbreiteten Antisemitismus in Deutschland. Und er hat auch klargestellt, dass sie in der Regierung nun beschlossen haben, dass es seit zwei, drei Wochen egal ist, "von woher er kommt, ob von ewig Gestrigen, von links, von rechts, ob er aus religiösen oder atheistischen Motiven entsteht". 

Lorenz hat an der Stelle genickt. "Gerade diese atheistischen Motive, die sind ja lange geleugnet worden", sagte er. Beinahe hätte es da Streit gegeben, denn zwischen Miran und Udo brach ein Dissenz auf, was Scholz mit "religiösen Motiven" meint. Miran war der Ansicht, es seien die Übergriffe der Buddhisten auf Synagogen gemeint, Udo glaubte sich an ein Verbot völkischer Siedler zu erinnern, deren Plan es gewesen war, jüdisches Leben durch eine sektenartig betriebene Landwirtschaft zu bedrohen. An dem Punkt habe ich dann das Wort ergriffen und klargestellt: "Wir müssen uns gegen Antisemitismus klar positionieren."

Zauberwort mobilisiert

Es war wie ein Zauberwort. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich hätte gar nicht noch einmal erwähnen müssen, dass Olaf Scholz nicht Geschwätz am Kneipentisch, am Arbeitsplatz oder im Sportverein von den Bürgerinnen und Bürgern gefordert hat, sondern ausdrücklich "einen aktiven Einsatz gegen Antisemitismus". Wir waren uns alle einig, beinahe unausgesprochen: Ja, wie auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, gefordert hat, nehmen wir die Judenfeindlichkeit in der arabischen und türkischen Bevölkerungsgruppe nun stärker in den Blick. "Wer Juden angreift, greift uns alle an", das ist unser Schwur, den wir jeden Buddhisten, jedem Atheisten und jedem religiös verblendeten Kirchengänger ab sofort offen ins Gesicht sagen.

Hier bei uns im Dorf hat das keine Chance. Zwar gab es hier auch aufgrund des Gaza-Kriegs infolge des verheerenden Terrorangriffs der islamistischen Hamas im israelischen Grenzgebiet noch keine vermehrten sogenannten pro-palästinensische Demonstrationen, auf denen zum Mord an Juden, zur Einführung der Scharia und zur Errichtung eines Kalifats im Ort aufgerufen wurde. 

Wehret den Anfämgen

Aber wehret den Anfängen! Der Schoß ist fruchtbar noch! In den vergangenen Tagen hat die "Tagesschau" zwar darauf verzichtet, der Vielzahl der israelfeindlichen Aggressionen im Alltag, bei Demonstrationen und im Netz eine Plattform zu bieten. Aber wer mit offenen Augen durchs Leben geht, dem entging trotz dieser Vorsorgemaßnahme nicht, dass sich unter den 23,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland viele arabischstämmige Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe finden, bei denen "offenbar nur allzu leicht antisemitische Grundhaltungen aktiviert werden können."

Wir gehen seitdem Streife, immer zu dritt, die Augen offen und gewappnet mit Taschenlampen, Deutschlandfähnchen, festem Schuhwerk und einem Alamo-Gefühl, wie es Jens nennt. Bei uns hier in Schneckerbach haben alle noch gedient, der Miran in jugoslawischen Armee und Wanja beim Russen. Ali weiß ich nicht, aber der Mann ist so groß, vor dem läuft der Antisemit bestimmt weg, sobald er ihn sieht.

Einigkeit und Recht und Streife

Wir sind uns einig. Bis hierher und nicht weiter, bis in unser Dorf wird der Hass nicht gelassen, denn wir stehen an der Seite von Olaf Scholz und Felix Klein, an der Seite aller friedliebenden Buddhisten und Muslime, die bang auf die bisher erfassten Zahlen der ersten drei Quartale schauen, die zeigen, dass judenfeindliche Gewalt in Deutschland bisher vor allem von rechts kommt. Die Behörden haben da beängstigende 540 antisemitischen Straftaten gezählt, 14 davon Gewalttaten, 44 Propagandadelikte auch dabei und weit über 400, von denen man bis heute sagen kann, was sie waren.

Das wollen wir hier bei uns nicht und das werden wir auch nicht zulassen. Auch wenn das Wort Bürgerwehr in Deutschland immer so einen Geruch hat, als würden Nazi-Milizen patrouillieren, sehen wir uns schon als so eine Art Zivilverteidigung, die Antisemitismus bekämpft, und zwar "ohne jedes Pardon", wie Olaf Scholz von uns fordert. Bisher hatten wir zum Glück noch keine entsprechende Auseinandersetzung, aber selbst wenn die eines Tages kommt, ist für uns klar, dass wir mehrheitlich friedlich sein werden. Aber Antisemitismus in welchen Form auch immer, buddhistisch, hinduistisch, atheistisch, werden wir nicht akzeptieren. Wir sind da ganz bei Olaf Scholz:: Deutschland hat glasklare Gesetze: Es ist strafbar, israelische Fahnen zu verbrennen. Es ist strafbar, den Tod von Unschuldigen zu bejubeln. Es ist strafbar, antisemitische Parolen zu brüllen.Wer das hier bei uns tun will, der wird knallhart angezeigt.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hehe, rief der böse Schlich - auf Journalistenwatch, da hat man sich!
Kluge und weniger kluge Israelis ...

Anonym hat gesagt…

Aber nicht pauschalisieren, sondern bitte zwischen judenfeindlichen Angriffen und israelkritischen Angriffen unterscheiden.

Glatzenmann:
"Wer Juden in Deutschland angreift, greift uns alle an. ..."

Ja uns alle, zum Beispiel in den Freibädern.

Hase, Du bleibst hier... hat gesagt…

Ja, auf dem Dorf, da kann der Ali noch mit dem Wanja. Eine Regenbogenfahne, anstatt der deutschen Farben, würde die friedliche Mission noch unterstreichen.