Samstag, 28. Oktober 2023

Fünftes Jahrgedenken: Ende der Zeitrechnung

Vor fünf Jahren kündigte die EU an, die jährlichen  Zeitumstellungen abzuschaffen. Wie so oft, wenn die größte Staatenfamilie der Welt sich etwas vornimmt, wurde auch daraus nichts.

Einmal Tatkraft zeigen, Durchsetzungvermögen, blitzschnell Entscheidungen durchdrücken, die sich die Menschen draußen in den 27 Mitgliedsstaaten schon lange sehnlichst wünschten. Kurz vor dem Ende seiner langen und überaus erfolgverprechenden Laufbahn als einer der Macher an der Spitze der Europäischen Union ließ Jean-Claude Juncker das Volk befragen. Sollen wir? Oder sollen wir nicht?  

Ende des Endes der Zeitumstellung

Zwar beteiligte sich nur eine verschwindend kleine Minderheit der EU-Bürger an der tief im Netz versteckten EU-Online-Umfrage zum Thema Zeitumstellung. Doch immerhin waren viele Deutsche dabei - und Juncker beschloss, dass eine bessere Gelegenheit nicht mehr kommen würde,  die Wähler in den Mitgliedsländern davon zu überzeugen, dass in der Großgemeinschaft nicht etwa wie gehabt alle wichtigen Entscheidungen im Hinterzimmer getroffen werden, an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei und ausgewürfelt in undurchsichtigen Kungelrunden. Mit höchster Transparenz verkündete der eigensinnige Modeliebhaber, dass schon in Kürze eine Abschaffung der Zeit erfolgen werde, zumindest einer. Nur die EU-Staaten und das EU-Parlament müssten noch kurz zustimmen.

In der Regel eine "Formsache" (DPA), denn vorgeschaltet ist der berühmte Trialog, ein Prozess, in dem die Zeit nach  ganz eigenen Regeln vergeht. Schnelles wird langsam, zuweilen bleiben die Uhren über Jahre stehen. Die europäische Armee etwa ist wie die Gesundheitsunion ein Jahrhundertprojekt, ebenso die europäische Arbeitslosenversicherung und die europäische Flüchtlingslösung. die immer wieder gefunden und zufrieden verkündet wird, unmittelbar im Anschluss aber wieder verlorengegangen ist.

27 Köche und kein Brei

27 Köche und kein Brei und obwohl Juncker mit fester Stimme verkündete, "die Menschen wollen das, wir machen das", blieb es beim "raschen Vorschlag der EU-Kommission zur Abschaffung der Zeitumstellung und eine Entscheidung noch vor der Europawahl im Mai". Mai 2019, nur neun Monate nach dem Abschluss der Umfrage. Achtmal wurde seitdem zwischen Sommer- und Normalzeit umgeschaltet, gelegentlich noch ploppte die Frage auf, was aus dem großen Juncker-Plan geworden war.  Die zuständige Kommissarin Violeta Bulc konnte sie nicht mehr beantworten. Die frühere Basketballerin war durch einen früheren Kunstturner ersetzt worden, der daheim weggemusst hatte. Sein Thema war das nie

Juncker war auch weg, die Zeit blieb. Die EU-Europäer nahmen es stoisch wie so vieles. Wie immer hatte sich die EU nicht einigen können, wie immer hatten das außerhalb der Brüsseler Blase und der Leitmedienredaktionen eigentlich alle geahnt. Kein normaler Bürger war ernsthaft davon ausgegangen, dass eine Wertegemeinschaft, die zwei venezuelanische Präsidenten anerkennt, zu selben Zeit, ein Problem damit haben könnte, an zwei Zeitumstellungen jährlich festzuhalten, von denen die EU-Kommission überzeugt ist, dass sie unnötig, störend und nicht im Sinne der Regierten sind.

Ignoriert und torpediert

Auch aus diesem großen Plan wurde also nichts, obwohl das "Ergebnis einer Konsultation so offensichtlich" war, dass die "europäischen Gremien es nicht ignorieren" durften, wie der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese mit einem Vierteljahrhundert EU-Parlamentserfahrung einschätzte, taten sie genau das. Nichts. Es würde doch im Norden zu schnell dunkel und im Süden zu früh hell werden, oder umgekehrt, hieß es. Niemand wisse auch genau, ob es besser sei, für immer Winter zu haben oder doch, für immer auf Sommer zu setzen.  Never change a winning time. Man beschloss also, sich in der Mitte zu treffen. Und nicht mehr von der peinlichen Angelegenheit zu sprechen.

Ursula von der Leyen, für die die Umstellungsabschaffung zu Beginn ihrer Amtszeit noch Chefsache war, besteht nun darauf, dass der "Ball bei den Mitgliedsstaaten" liege. Wenn die 65-Jährige im kommenden Jahr auf bewährte Weise, also ohne vorher umständlich zur Wahl angetreten zu sein, als Wahlsiegerin in ihre zweite Amtszeit geht, wird er dort immer noch liegen.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wir sollten dankbar sein, dass die Uhren in Brüssel bisweilen für Jahre still stehen. Der schwergängige Entscheidungsmechanismus und die Obstruktion der Mitgliedstaaten ist das entscheidende Hindernis für eine Entwicklung der EU in Richtung woker Totalitarismus.

Anonym hat gesagt…

Ich frage mich immer, wer was davon hat, dass es abends eine Stunde eher dunkel wird. Es ist halt ein paar Leuten egal, die im Unterhemd vor dem TV Bierbüchsen leer machen. Aber denen ist es eben auch andersrum egal.

Carl Gustaf hat gesagt…

Grönland schafft mit sofortiger Wirkung die Winterzeit ab. Ab jetzt gilt dauerhaft die Sommerzeit (https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_100268886/zeitumstellung-groenland-schafft-die-winterzeit-ab-das-ist-der-grund.html).
Der grönländische Innenminister Nuuk Eskimo begründet diesen Schritt damit, dass Grönland so die Voraussetzungen für die Bewerbung um die olympischen Sommerspiele im Jahr 2056 schaffen möchte.
Kritiker, darunter namhafte Wissenschaftlerseiende des Potsdamer Klimainstitutes, warnten dagegen vor den langfristigen Folgen für den Klimawandel. Eine Forschendengruppe um den Klimanobelpreisträger Mojo Latufte (Kiel) hat berechnet, dass durch das dauerhafte Festhalten an der Sommerzeit der grönländische Eisschild bis zum 23. August 2097 um 64,1734% geschrumpft sein wird.