Der Osten hat noch höhere Strompreise als der Westen, das lockt Investoren aus aller Welt, wenn die ostdeutschen Wähler nicht an der falschen stelle Kreuzchen machen. |
Die Brandmauer zum Angstbegriff der Deutschen, sie hielt am Ende wirklich beinahe bis zu den Schicksalswahlen der Ampel-Koalition in Hessen und Bayern. Die Zahlen aus der Wirtschaft waren das eine, sie sahen nicht gut aus, ja, sogar denkbar schlecht. Der Kanzler und seine Minister hielten wacker mit Beschwörungen anstehender neuer Wirtschaftswunder dagegen. Grün, nachhaltig, vegan und aus regionalem Sonnenanbau würden die kommen, ein Entfesselungsakt der alternden Gesellschaft, befeuert durch die Kraft unkontrollierter Grenzen und CO2-sparender Produktionseinschränkungen.
Auf einmal darf Krise
So lange Sommer war, hielten die großen Medien ihr Versprechen: Keine Verwendung des Begriffes "Wirtschaftskrise" für die aktuelle Wirtschaftskrise. Das Deutsche, eine Sprache von Poeten und Romantikern, lieferte Ersatzbegriffe wie "Eintrübung", "ausbleibender Aufschwung" und "vorübergehender Rückgang", der fingerflink kombiniert wurde mit der aktuellen Schrumpfungszahl von -0,6 Prozent. Allerdings unter Verzicht auf das Minuszeichen.
Von Niedergang zu reden, von Schrumpfung und Schließung und über das Ende des Wohlstandes zu klagen, das war Sache der Miesmacher, die an allem zu kritteln haben. Deutschland war, und das war so beschlossen worden, trotz allem, was dagegen sprach, wie damals bei Corona sehr gut durch die Krise gekommen, mit vollen Speichern und Bäuchen und trotz einer leichten Geldentwertung zeigte der Vergleich mit der türkischen Lira, dass der Euro nach wie vor äußert stabil war.
Geöffnete Bedeutungsschleusen
Erst mit dem hereinbrechenden Klimaherbst öffneten sich die Bedeutungssschleusen. Überall und jeden Tag war nun von der "Wirtschaftskrise" zu lesen, mit raunender Stimme nahmen junge Moderierende das ungewohnte Wort in den Mund, zaghaft noch, denn es war anfangs nicht ganz klar, wer nach einer Benutzung noch wie lange auf dem Sender bleiben würde. Mittlerweile aber ist klar, dass niemandem Konsequenzen drohen: Die Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" etwa, die über Ankunft und Ausbruch einer Wirtschaftskrise bisher mit keiner einzigen Zeile berichtet hatte, erwähnt sie plötzlich als "schwerste Wirtschaftskrise seit Jahren" in einem aufmunternden Text mit der mutmachenden Überschrift "Wie kommen wir da wieder raus?"
Ein Trend. Auch die Süddeutsche Zeitung, derzufolge es bis vor einigen wenigen Stunden keinerlei Anzeichen für eine Wirtschaftskrise gab, weil man allenfalls sagen konnte, dass "das deutsche Wirtschaftswachstum schwächelt", ist mit einem beherzten Satz hinüber auf die Psychologencouch gewechselt. Hier wird nun erklärt, "was Boom und Rezession für die Psyche bedeuten", während bei der Taz schon Expertende gefunden hat, die sicher sind, dass "Panik übertrieben" wäre.
Warten auf den Tripple-Wumms
Es ist also nun doch eine Rezession. Sogar nun nicht mehr nur eine "technische", die wieder fortgeht, wenn der Kanzler den nächsten Triple-Wumms an die Wand malt. Aber es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, wie der für seine verlässlichen Vorhersagen bekannte Wirtschaftsastrologe Marcel Fratzscher tröstet. Die deutsche Wirtschaft mag schrumpfen, in diesem Jahr sogar um "0,6 Prozent". Aber das sind alles in allem nur 24 Milliarden Euro, die am Bruttoinlandsprodukt fehlen. 2024 werde dann wieder alles aufwärts gehen und die deutsche Wirtschaft um 1,3 Prozent wachsen, sagt der Mann, der 2022 mit vorhergesagt hatte, dass es 2023 keine Rückgang der Wirtschaftstätigkeit geben werde. Der kam dann doch, aber "das ist keine Krise, Deutschland ist kein kranker Mann!"
Es hat ja den Osten, eine Region, die für die Wirtschaftsweise Veronika Grimm idealtypisch ist für das, was Deutschland insgesamt werden muss. Hier leben sie in weitgehend entvölkerten Ebenen, die Helden, denn es zu verdanken ist, dass Deutschland wenigstens ein wenig von seinen Klimaversprechen eingelöst hat. Die heute zumindest halbwegs vorzeigbare Klimabilanz des Exportüberschussweltmeisters verdankt sich ausschließlich dem Ende der DDR als Industrieland: Zwei Drittel des gesamten deutschen Co2-Rückgangs um 28 Prozent wurden in den ersten zehn Jahren nach der deutschen Einigung durch die nahezu vollkommene Abwicklung der volkseigenen Kombinate erreicht. Eine Pioniertat der De-Industriealisierung, die Opfer gefordert hat, aber zum Glück nicht in hamburg, Köln, München und Stuttgart.
Ein deutscher Trick
Deutschlands positive CO2-Bilanz, soweit sie existiert,
verdankt sich allein dem weitsichtigen Trick, die weil die inzwischen
abgeschaltete DDR-Industrie in die Ausgangszahlen einrechnen zu
lassen. Ein Erfolg, der das Land sich selbst als weltweit führende
Klimanation sehen ließ, obwohl die 24-prozentige Absenkung von 1990
bis 2009 sich nur dem Beitritt der DDR-Bezirke als neue Bundesländer
verdankte und eine Verminderung rein zahlenmäßig in den Statistiken
nicht zu entdecken ist. 912 Millionen Tonnen CO2 produzierte
Deutschland 2009. Und so viel produzierte Deutschland auch 2014
wieder, 2018 waren es dann 866 Millionen Tonnen.
Nach einer
Reduzierung von 24 Prozent in 20 Jahren – durchschnittlich 1,2
Prozent pro Jahr - folgte dann also eine knapp sieben Prozent in fünf
Jahren. Zusammen ist das ein Prozent pro Jahr - weit weg von den
acht, die ursprünglich geplant waren, weit weg sogar von den 5,2
Prozent, die man sich zwischendrin mal europaweit zurechtgerechnet
hatte. Nach den ursprünglichen Plänen von Kyoto 1997, von denen
schon lange niemand mehr spricht, hätte Deutschland nun übrigens
noch fünf Jahre Zeit, um auf 750 Millionen Tonnen zu kommen.
Das wäre eine Reduzierung von 3,6 Prozent pro Jahr, also eine
Reduzierung im dreifachen Tempo des vergangenen Vierteljahrhunderts.
Der ostdeutsche Weg
Veronika Grimm schwebt der ostdeutsche Weg für das ganze Vaterland vor. Tausche Wirtschaftswachstum gegen Klimaabkühlung, die Wohlstand sichert. Eine komplizierte Rechnung, die noch nirgendwo aufgegangen ist. Aber Deutschland ist das beste Testgelände: Nur hier wurden bereits zwei Weltkriege geplant und begonnen. Nur hier sorgt ein öffentlich-rechtlicher Medienkonzern, der größer ist als alle seine rpivaten Konkurrenten zusammen, für die „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit Nachrichten, Fußballspielen und bunten Glamournews. Nur hier ist der globale Klimaschutz Staatszweck und der Energieausstieg kein unkalkulierbares Risiko, sondern Garantie für eine Aufschwung, der eines Tages kommne wird, weil er kommen muss wie der Endsieg, wenn Wenck zum Entsatz auf Berlin marschiert.
Realität ausblenden, Gesundbeten und grundlos Hoffnung verbreiten, das muss nun helfen, sagte die Wissenschaftlerin. Grimm steht dabei selbst als Zeuge dafür, was möglich ist in Deutschland, wenn eine sich reinhängt und tut und macht. Die 52-Jährige ist nicht n nur ein bedeutsamer Teil des Rates der Wirtschaftsweisen, der Ende 2022 ein Wirtschaftswachstum nach umfangreichen Berechnungen von +0,2 Prozent vorhergesagt hatte, also letztlich nur um 0,8 Prozent danebenlag.Multifunktionärer Fleiß
Nein, Grimm ist auch noch als Professorin für Volkswirtschaftslehre und Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Uni in Nürnberg berufstätig. Und nebenher findet sie sogar noch Zeit, als Vorsitzende der Wissenschaftlichen Leitung des Energie Campus Nürnberg (EnCN), Direktorin des Laboratory for Experimental Research Nuremberg (LERN), Leiterin des Forschungsbereiches "Energiemarktdesign" am Energie Campus Nürnberg, Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung, im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), in der Expertenkommission zum Monitoringprozess „Energie der Zukunft“ am BMWK, im Zukunftskreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), im Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (BMJV) und im Energy Steering Panel des European Academies' Science Advisory Council (EASAC) tätig zu sein.
60-Stunden-Tage
Jeder Tag hat 60 Stunden, jede Woche wäre für einen gewöhnlichen Menschen ein Jahr. Aber Veronika Grimm ist außerdem noch eine Kennerin der Materie vor allem im Osten, der "als Wirtschaftsstandort sehr stark investiert in Forschung und Entwicklung", wie sie eine Pressemitteilung der Bundesregierung im ZDF zutreffend zusammenfasste. Zahlen zu nennen, fällt schwer, weil sie meist eine noch ungewisse Zukunft betreffen.
Doch ungeachtet dessen machte Grimm klar, dass "der Osten zunehmend Standortvorteile hat". Durch den höheren Ausbaugrad der Erneuerbaren sind die Netzentgelte und damit die Strompreise dort höher, die Arbeitskräfte seien älter, ihre Renten aber ebenso niedriger wie die Löhne. "Der Osten hat die Krise besser überwunden, ist besser aus der Krise gekommen und das sogar trotz der signifikanten Probleme rund um die Chemiestandorte", dachte sich Veronika Grimm ein paar aufmunternde Worte aus, die nicht der Wirklichkeit entsprechen, im ZDF aber sehr positiv aufgenommen wurden.
Nur der Wähler kann das Wunder noch verhindern
Das bisschen Wachstum, was der Osten hat, verdankt er im Moment allein Tesla. Aber besser klingt es doch, wenn man wie Grimm einfach geplante Großansiedlungen wie die mit Milliarden Steuerhilfen subventionierten neuen Chipfabriken in Sachsen-Anhalt und Sachsen ähnlich wie ihr Minister Robert Habeck schon als vollendete Tatsache wertet. Daraus lässt sich auch die Warnung ableiten, dass die Ostler am Ende selbst schuld sein werden, wenn das alles nichts wird, weil sie sich verwählen.
Veronika Grimm zufolge sind der "aufkommende Extremismus, die größere Zustimmung zu extremistischen Parteien, insbesondere der AfD", eine Gefahr für Ostdeutschland. "Grade" (ZDF) die "großen Fabriken und Start-Ups, die sich ansiedeln, brauchen hoch qualifizierte Mitarbeiter und Zuwanderung aus dem Ausland" und das "nicht nur, weil Fachkräftemangel herrscht, sondern auch, weil durch die Diversität ganz neue Impulse und Innovationskraft in den Osten kommen". Verweigern Thüringer, Sachsen, Brandenburger und Mecklenburger sich dieser helfenden Hände, dürfen sie auch nicht klagen.
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