Wo die Regenbogenflagge weht, kommt Gewalt nur von rechts. Was nicht passt, wird passend formuliert. |
Es war einer jener ganz gewöhnlichen Christopher Street Days, die jeden Tag, den der Herrgott der Menschheit schenkt, an unzähligen Orten stattfinden. Doch diesmal blieb es wieder nicht bei einem friedlichen Fest mit Tausenden, die gemeinsam auch im mitteldeutschen Raum ein deutliches Zeichen für Toleranz, Buntheit und fröhliches Feiern unter brennender Klimasonne zeigten. Kaum war die große Fete einige Stunden vorüber, attackierten mehrere Männer einige Teilnehmer. Einer der Angegriffenen wurde schwer, mehrere andere wurden leicht verletzt.
Kein sicherer Hafen
Die Sittenwacht fiel auf die Meldung herein. |
So weit, wo normal. Deutschland ist auch Wochen nach dem Pride-Monat kein sicherer Hafen für Menschen, die anders leben, anders aussehen und sich anders aufführen. Die rechtsextreme Gefahr ist überall, vor allem aber in den früheren Ostgebieten, die jahrzehntelang abgeschottet von der Welt und ohne demokratische Grunderfahrungen leben mussten. Dass die Polizei schon wenige Stunden nach dem Überfall meldete, zwei der Täter gefasst zu haben, zeigt, das inzwischen auch die Beamten im tiefsten Osten verstanden haben, dass solche Übergriffe von bundesweiter Bedeutung sind und mit aller Kraft ermittelt werden muss.
Auch der brutale Überfall im "sächsischen Halle" (Der Spiegel) brauchte nicht lange, um es auf die nationale Ebene der Berichterstattung zu schaffen. Die führende Danachrichtenagentur DPA belieferte die deutsche Medienlandschaft in bewährter Weise mit einer zusammenfassenden Meldung, die erschreckende Hintergründe nicht ausspart: "mehrere Angreifer" hätten Teilnehmer attackiert, ein schwer Verletzter, drei weitere Personen leicht verletzt, hieß es mit Verweis auf die Polizei.
Mit Tritten attackiert
Die Teilnehmer seien nach der Veranstaltung am Samstagabend zunächst beleidigt und dann von vier Männern mit Tritten und Schlägen attackiert worden. Die "schwer verletzte Person" sei 41 Jahre alt und zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht worden. Rettungskräfte hätten Leichtverletzten vor Ort versorgt. Bundesweit verbreitete sich die Nachricht. Redigiert wurde nur vorsichtig und mit spitzem Stift: Die Süddeutsche Zeitung übernahm die ungegenderte Agenturfassung. Die Hamburger "Zeit" betrieb ein wenig Aufwand, um "Teilnehmer" durch "Teilnehmende" zu ersetzen, die "Angreifer" (DPA) jedoch blieben auch in der Hamburger Fassung. Wegen der dünnen Wochenendbesetzung reichte die Kraftwohl nicht, sie in Angreifende zu verwandeln.
Es ist pure Information, die hier geboten wird. 16 und 20 Jahre alt seien die mutmaßlichen Täter, heißt es übereinstimmend überall. Gegen sie seien Ermittlungen aufgenommen worden, habe die Polizei mitgeteilt. Die Nachrichtenagentur DPA, bekannt für ihre allumfassende Markt- und Deutungsmacht, ordnet zugleich noch ein: Beim CSD hätten sich Tausende Menschen für die Rechte von queeren Menschen eingesetzt. Doch schon während der "weitgehend friedlichen Veranstaltung" sei es am Rande immer wieder "zu wechselseitigen Beleidigungen von Teilnehmern der Parade und Gegendemonstranten gekommen", wobei "überwiegend die Gegendemonstranten beschimpft" worden seien. Dann der Überfall am Abend. Fast erwartbar, denn "bereits im August hatte es beim ersten CSD in Weißenfels Störungen durch Rechtsextreme gegeben. Dabei soll auch der Hitlergruß gezeigt worden sein. Der Staatsschutz ermittelt."
Ausradierte Fakten
Wer nun noch nicht an 16 und 20 Jahre alte Nazis glaubt, die ungeachtet aller Leugnung einer wachsenden Gefahr von rechts einmal mehr brutal zugeschlagen haben, der hat nicht bis hierher gelesen. Mit großer Sorgfalt legt die größte deutsche Nachrichtenagentur, eine Serviceanstalt, deren Texte tagtäglich hunderte Millionen Leserinnen und Leser erreichen, den Verdacht nahe, dass wie stets faschistische Schläger zur Tat schritten. Dass die Polizei in ihrer offiziellen Meldung von jungen Männern mit "südländischem Aussehen" spricht, haben die Agenturmitarbeiter im Unterschied zu sämtlichen anderen Angaben nicht in ihre Meldung übernommen. Dass es sich nach Recherchen der Bild-Zeitung um zwei junge Afghanen handelt, bliebt nicht aus Versehen, sondern mit voller Absicht unerwähnt.
Die Tat passt, die Täter aber passen nicht. Eine umfassende Information der Öffentlichkeit über die bekannten Umstände der Ereignisse könnte diese überfordern und nur den sogenannten Falschen dienen. So bleibt nichts anderes übrig, als die Fakten einer Inhaltskosmetik zu unterziehen: Was nicht gefällt, fällt weg. Was das Bild vom faschistisch verseuchten Osten trübt, wird ausgespart. Und damit niemand bei der Erwähnung des Begriffes "Männer" automatisch das Richtige assoziiert, wird eine falsche Fährte gelegt: "Bereits im August hatte es beim ersten CSD in Weißenfels im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt Störungen durch Rechtsextreme gegeben" stellt den Angriff klar und deutlich in eine Kontinuität, die durch anwesende Afghanen komplett zerstört werden würde.
Medien im Überlebenskampf
Weglassen, ausstreichen, nur die genehmen Tatsachen mitteilen - vom MDR bis zur FAZ entscheiden sich die großen Medienhäuser im Kampf um das Vertrauen der Medienkonsumenten beinahe durchweg einheitlich dafür, nicht mitzuteilen, was bekannt ist. Das SPD-eigene Medienportal RND schwurbelt stattdessen davon, dass die Täter "überraschend jung" seien, die "Frankfurter Rundschau" halluziniert auf der Basis der DPA-Meldung eine "Gewalt-Eskalation" herbei, die die 16 und 20 Jahre alten Afghanen nun in Verdächtige verwandelt, die "zwischen 16 und 20 Jahre alt" seien.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache, die Nachricht führt die Nachrichtenkonsumenten in die völlig falsche Richtung.
2 Kommentare:
Man fragt welches verzweifelte Framing hinter der Einordnung der Täter als 'überraschend jung' steckt. Nichts an all dem war überraschend.
Vielleicht waren die Urgroßväter der Afghanen Söldner im türkischen Diensten in WK 1. Also deutsche Waffenbrüder. Dann passt die Nazikeule. Paar Jahre zu früh, aber wer wird denn so kleinlich sein.
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