Montag, 25. September 2023

Die Schamlosen: Helden der politischen Arbeit

 

Um die Werktätigen zu Bestleistungen zu motivieren, hatte sich die DDR-Führung ein buntes und vielfältiges Angebot an Orden und Ehrenzeichen ausgedacht. Von der Aktivistenmedaille, dem Groschen unter den Ehrenzeichen, ging es hinauf bis zum "Orden der Völkerfreundschaft" und dem "Helden der Arbeit". 

Nur wenige Wochen vor dem Mauerfall 1989 wurden die letzten Träger ausgezeichnet, Staatschef Erich Honecker selbst ließ es sich nicht nehmen, verdienten Genossen noch etwas vom Blechvorrat anzuheften. Unter den Angehörigen der sozialistischen Elite beargwöhnte man sich gegenseitig eifersüchtig: Wer hat schon welche Plakette? Wer trägt schon welche Blechorden mit Lorbeerkranz für "beispielgebende Initiativen und andere hervorragende Verdienste bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft"?  

Acht Stufen aus Blech

Das historische Berlin kennt diese Szenen wie keine andere Stadt. Schon die DDR-Vorgängerdiktatur verlieht mitten in der Mitte, keine drei Kilometer entfernt vom Schloss Bellevue, beinahe bis zum letzten Atemzug Orden und Auszeichnungen an emsige, verdienstvolle oder auch nur an solche Mitstreiter, die gerade greifbar waren. Eine Tradition, an die das neue, demokratische Deutschland nach nur wenigen Jahren Pause anknüpfte.

Ein Foto aus dem Elfenbeinturm.
Der "Verdienstorden der Bundesrepublik", einst vom Bundespräsidenten Theodor Heuss gestiftet, wenn auch nicht auf eigene Kosten, wird inzwischen in acht Stufen vergeben, dazu gibt es eine neunte, die nur Staatsoberhäupter erhalten dürfen, während sie an den jeweiligen deutschen Bundespräsidenten automatisch als Dienstantrittsprämie ausgereicht wird. Bei direkten Zuarbeitern der Politik aus Beamtentum, Bundeswehr und unabhängiger Justiz erfolgt eine Verleihung automatisch, sobald verdienstvollen Persönlichkeiten aus ihrem Amt scheiden.

In illustrer Runde

Alle anderen auch im politischen Raum müssen jemanden kennen oder jemanden kennen, der jemanden kennt, um sich wenigstens Hoffnung auf das als "Volkskreuz" bekannte Verdienstkreuz am Bande machen zu dürfen. Mehr als Viertelmillion Menschen hat es irgendwo in einem Schubfach liegen, meist direkt neben dem Parteiausweis. Unter den ausländischen Trägern sind Diktatoren wie der Äthiopier Haile Selassie, der letzte persische König Mohammed Zahir Schah, der korrupte spanische Ex-Herrscher Juan Charlos I. und der für seine Vertuschungsversuche rund um die Atomkatastrophe von Tschernobyl, seinen brutalen Feldzug in Afghanistan und seine Rückendeckung für das ostdeutsche Mauerregime bekannte Michail Gorbatschow.

In diese illustre Reihe von teils weltweit Preisträgern darf sich nun auch Bärbel Bas stellen, als Figur eher unter dem Radar der Weltöffentlichkeit, als Bundestagspräsidentin aber aktuell die Nummer 2 unter den deutschen Würdenträgern. Protokollarisch hat die Sozialdemokratin damit Anspruch darauf, dass ihr das "Großkreuz des Verdienstordens" von der Nummer 1 umgehängt wird. Bas, erst seit dem großen Hinterzimmerstreit um die Besetzung des begehrten Sitzungsleiterpostens in die erste Reihe der Bundespolitik gerückt, steigt in ihre Ordensträgerlaufbahn gleich mit Stufe sieben von acht ein, wobei das allerhöchste "Großkreuz in besonderer Ausführung" generell nur an ausgeschiedene CDU-Kanzler vergeben wird.

Acuh für Bärbel Bas, die die Republik geprägt hat wie kaum jemand anderes, wird keine Ausnahme gemacht. Der offizielle Festakt ist bescheiden, das gleißende Scheinwerferlicht der krisenhaften Zeit entsprechend gedimmt. Festredner betonen im einfühsamen Worten die Transparenz und Offenheit der Bundesregierung und es bleibt kein zweifel daran, dass viele über Bas sagen: "Wir stehen zu ihr." Die Ausgezeichnete, überwältigt von Gefühlen, nickt unmerklich. Selbst Jahrzehnte im harten politischen Geschäft haben sie nicht verbogen noch verbildet. Bärbel Bas ekünnte jetztihre Kandidatur als Bundeskanzlerin bekannt geben. Aber dazu ist sie viel zu bescheiden, viel zu sehr Teamarbeiterin.

Sie selbst gibt sich staatsmännisch: "Ich sage nichts zu dem Thema." Stattdessen bezeichnet ein CDU-naher Besucher einen Bericht als "kompletten Unsinn", der ähnliche Gedanken nahelegt. Doch um all das geht es heute so wenig wie um die Kritik, dass sich die sogenannte "Elite" in schöner Regelmäßigkeit gegenseitig staatliche Orden umhänge. Die Vergabe, heißt es offiziell, beruhe immer "auf sauberen, statistisch repräsentativen Auswertungen".

Und so treten die Festredner, wie Joachim Gauck Teil des Gewissen der friedlichen Revolution in der ehemaligen Ex-DDR, auch mit einem Lächeln ans Mikrophon. der Alt-Bundespräsident begrüßt die vielen bekannten Gesichter aus Film, Funk, Fernsehen und Radio, die herbeigeeilt sind, um Schulz zu ehren. "Herzlich willkommen in Schloss Bellevue! Herzlich willkommen zu dieser Feierstunde", sagt Gauck mit seinem weichen, nachdenklichen Bass.

Zur Sache


Dann kommt er zur Sache. Blicke man auf die vielen, vielen Würdigungen, die die "liebe Frau Bas" schon erhalten habe, sei offenkundig: "Wir zeichnen hier und heute einen begeisterten und begeisternden Europäer aus, der in Nah und Fern hohe Wertschätzung und großes Vertrauen genießt." Warum also nicht noch eine bedeutende staatliche Ehrung?

So manchen orden hat sie schon, diesen aber nicht. Das Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, das auch schon Lennart Bernadotte, Präsident der Deutschen Gartenbau Gesellschaft und Besitzer der Blumeninsel Mainau, der Humorist Loriot und neben Andreas Meyer-Landrut, dem Vater der bekannten Popsängerin, auch der frühere Wehrmachtsgeneral Hans Speidel, Chef des Stabes der Heeresgruppe B unter Erwin Rommel, tragen.

Joachim Gauck taucht tief ein ins Leben von Bärbel Bas, der er attestiert, dass er bei der Karlpreisverleihung mit dem Präsidenten der Französischen Republik, François Hollande, und dem König des Haschemitischen Königreichs von Jordanien, Abdullah II. Ibn Al-Hussein, "über die Bedeutung Ihres Wirkens für Europa" gesprochen habe. Die habe immer der Frage gegolten, "wo liegt die Zukunft"? Das sei Bas' Frage, die ihr leben präge. Gauck sorgt sich. "Brauchen wir als Konsequenz aus den Krisenerfahrungen der jüngeren Vergangenheit neue europäische Visionen?", fragt er. "Oder einfach nur mehr Pragmatismus?" Eine Antwort scheint auch Gauck nicht zu haben. "Um uns herum geschehen Dinge, die uns Europäer mehr fordern, als uns lieb sein mag und als wir uns lange haben eingestehen wollen."

Präsidentin des Vertrauensverlustes

Welches Signal sendet das aus? Bas sitzt dem Parlament seit zwei Jahren vor, die aktuellen Analysen großer Medienhäuser zufolge nicht eben als die glücklichsten der noch jungen deutschen Demokratie gelten. Der demokratische Block der linken Mitte ist in der Zeit ihrer Regentschaft im Bundestag förmlich zusammengeschrumpelt. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates ist erodiert. Selbst Gemeinsinnsender pflegen regelmäßig vom "Staatsversagen" zu schwadronieren. Die SPD, der Bas wie Steinmeier angehören, ist auf dem Weg, auch noch die letzten getreuen Stammwähler zu vergrätzen und nach dem Osten auch den Westen an marodierende Rechtspopulisten zu übergeben. Was daran ist auszeichnungswürdig? Welche besonderen "Leistungen, die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienten" (Theodor Heuss) werden hier prämiert? Und wenn nicht, warum?

Ja, warum denn nicht? Für Walter Steinmeier, schon als Außenminister und Kanzlerkandidat ein Mann, der sich um die Ansichten der Öffentlichkeit nicht weiter scherte, war es ausreichend, dass Bas "eine herausragende Parlamentarierin" ist, die "unserem Bundestag würdevoll und bürgernah als Präsidentin dient". Sie macht ihre Arbeit. Und sie macht sie gut. Wenn das kein Grund ist, ihr nach zwei Jahren den höchsten Orden der Republik umzuhängen, was denn dann? Bärbel Bas, deren großer Wettbewerbsvorteil in der SPD darin besteht, dass sie aus den dort so selten zu findenden "kleinen Verhältnissen" kommt, sieht das nicht anders. 

Gemäß einer Geheimabmachung

Wenn alle, warum dann nicht sie auch? Schon seit Mitte der 90er Jahre gibt es schließlich eine bindende Geheimabmachung zwischen den Bundestagsfraktionen, nach der pro Legislaturperiode 30 höchste und allerhöchste Orden vollkommen unabhängig von tatsächlichen Verdiensten an Bundestagsabgeordnete verliehen werden, die entsprechend der jeweiligen  Fraktionsstärke verteilt. Eine "ganz neue Form der Selbstbedienung", wie es der Verfassungsrechtler Herbert von Arnim nennt. Aber eben für die neuen Verdienstkreuzträger auch eine schöne Sache. 

"Frau und Macht, das leben Sie ganz selbstverständlich", hat Walter Steinmeier seine Genossin bei der Preisverleihung ausdrücklich gelobt. Bas verkörpere das Ideal, "dass in der Demokratie nicht Herkunft, Status oder Vermögen über den Zugang zur politischen Macht entscheiden", sondern "dass unsere Politiker aus der Mitte der Gesellschaft heraus stammen und bestimmt werden", wenn sie sich nur über Jahre die Karriereleiter hochdienen. Für die SPD, deren Führungsriege von der "Generation Parteiarbeiter" dominiert wird, die noch nie in ihrem ganzen Leben Zeit außerhalb der sozialdemokratischen Nomenklaturblase verbracht hat, ist Bas ein Glücksfall: Zumindest ihre Biografie, lobt Steinmeier, strafe "Populisten Lügen, die Politiker als eine abgehobene Elite verleumden". 

Die Unbekannte aus dem Ruhrgebiet

Bärbel Bas sitzt seit noch nicht einmal 15 Jahren im Parlament, etwa 89 Prozent der Deutschen haben ihren Namen noch nie gehört oder können ihn nicht korrekt zuordnen. Dennoch ist die 55-Jährige aus dem Ruhrgebiet vielen sehr viel bekannteren Persönlichkeiten nun enteilt: Weder der Langzeitparlamentarier Christian Ströbele noch der erste grüne Außenminister Joschka Fischer, weder der frühere FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle noch der langjährige PDS-Anführer Gregor Gysi haben "zielstrebig, hartnäckig, unprätentiös" genug "für Ihre Überzeugungen gekämpft" (Steinmeier über Bas), als dass ihnen ein Großkreuz hätte angeheftet werden dürfen.

Jemand, der wie Bas angetreten ist, das "Parlament vor Angriffen zu schützen und die Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen", müsste verstehen können, dass "der beste Schutz gegen die Verachtung unserer repräsentativen Demokratie, die wir mitunter spüren" (Steinmeier) darin besteht, den Eindruck zu vermitteln, dass Diedaoben sich einen Kehricht darum scheren, was Diedaunten von ihrer Amtsführung, von ihren kleinen politischen Geschäften auf Gegenseitigkeit und der abgebrüht wirkenden Abarbeitung einer einmal beschlossenen Agenda auch im Angesicht des drohenden Machtverlustes halten. "Wir wissen alle, dass diese Verachtung von jenen gezielt geschürt wird, die ein Interesse daran haben, unsere Demokratie zu destabilisieren", hat Walter Steinmeier in seiner Laudatio für die "liebe Frau Bas" gesagt.

Wen er meinen könnte, erklärte er nicht.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Man könnte jetzt sagen, immerhin hat sie ein Direktmandat und wurde nicht per Listenbeschiss in den Reichstag befördert. Aber erstens qualifiziert das nicht zum BVK und zweitens ist es der gleiche Wahlkreis, in dem Lamya Kaddor 14% bekam.

OT Ampel verdoppelt Maut.
Staatspresse: Profite machen fast die Hälfte der Inflation aus
Technisch gesehen macht der Staat freilich nicht mehr Profit. Er holt sich bloß mehr Geld.

Anonym hat gesagt…

OT weil's so schön ist

https://www.foxnews.com/world/canada-under-fire-applauding-literal-nazi-parliament-during-zelenskyy-visit

Standing ovation des Kanadischen Parlaments für Yaroslav Hunka (98), Soldat der Waffen SS a.D.

Anonym hat gesagt…

Yaroslav Hunka (98), Soldat der Waffen SS a.D ...

Huuuuh, wie schröcklich!

Anonym hat gesagt…

>Nazi-Eklat: Kanadas Parlamentspräsident tritt zurück.<

Da jauchzet @ Anmerkung.