Mittwoch, 20. September 2023

Angriff auf Armenien: Er ist doch unser Schweinehund

An der Grenze zu Karabach erinnert ein Mahnmal an einen im Konflikt mit Armenien gefallenen Soldaten.

Großer Bahnhof in Berlin, damals im März, als Bundeskanzler Olaf Scholz den aserbaidschaischen Präsidenten Ilham Alijew empfing. Der erste Mann in der früheren Sowjetrepublik hatte keine zwei Jahre zuvor gerade ein Nachbarland überfallen, seine Armee tötete ohne Vorankündigung rund 4.000 armenische Soldaten und beendeten damit einen 1994 anhaltenden Waffenstillstand zwischen den christlichen Armenier und den muslimischen Aserbaidschanern. Im September 1991 schon hatte die Republik Bergkarabach nach Massenmorden an Armeniern in Aserbaidschan ihre Unabhängigkeit erklärt, im November schaffte daraufhin Aserbaidschan den autonomen Status der Region ab.  

Hand in Hand mit dem Aggressor

Bei Gefechten zwischen Verbänden aus Nagorno-Karabakh, die von Armenien unterstützt wurden, und aserbaidschanischen Truppen schickten sich die Armenier kurzzeitig an, bis nach Baku durchzumarschieren. Erst ein Ordnungsruf aus Moskau stoppte sie. Es kam zum Waffenstillstand, doch es war klar, dass das vielmals größere, reichere und fünfmal bevölkerungsreicheren Aserbaidschan nicht ruhen würde, bis es die überwiegend von Armeniern bewohnte Enklave zurückerobert hätte. 

Dass es jemanden im Westen gestört hätte, als es soweit war, lässt sich nicht sagen. Ein paar laue Proteste, leise ins Handtuch geflüstert, das war alles, was die Ölmacht am Kaspischen Meer zu fürchten hatte. Es war gerade Corona und selbst die Weltfriedensmacht Deutschland mit allem beschäftigt,nur nicht mit völkerrechtswidrigen Angriffen auf Nachbarstaaten. Als sich dann später wieder Protestreserven gesammelt hatten, war alles schon viel zu lange her.

Mal nicht etepetete sein

Rechtzeitig vor seinem Flug nach Berlin hatte sich Ilham Alijew dann auch noch das Blut von den Händen gewaschen und ein Rettungspaket für die unter dem Embargo für russischesx Öl und Gas leidenden Deutschland geschnürt: "Wir können es uns nicht leisten, etepetete zu sein", zeigte Bundeskanzler Olaf Scholz Talent zum Pragmatismus. Der neue Pakt mit dem Diktator, der als Amtsnachfolger seines Vaters in einer Wahl voller Betrug und Benachteiligung der Opposition an die Macht gelangt war, galt angesichts der Alternativen als alternativlos. Um den einen Kriegstreiber zu treffen, musste man mit dem anderen ins Bett steigen.

Eine klare Haltung, die Alijews Bestrebungen beflügelte, die Armenien aus der selbsternannten Republik Arzach zu vertreiben, so lange die Werteunion in Europa noch mit Russland beschäftigt ist und die USA über jeden Staat froh sind, der wenigstens so tut, als stehe er treu zum Westen. Nachdem Armenien Russland mit der Absage gemeinsamer Manöver brüskiert hatte, um der Nato zu signalisieren, dass man wisse, wo seine wahren Freunde sitzen, zog der Kreml seine schützende Hand zurück. Die Nato allerdings entschied, dass es Armenien nicht wert sei, dafür einen Weltkrieg zu riskieren.

Deutschland wirkt ein

Im Sommer war Alijew so weit, Seine Truppen sperrten den Latschin.Korridor, die einzige offene Straße zwischen Armenien und Arzach. 120.000 Menschen waren ohne Versorgung. Wer hinein und hinaus durfte, bestimmten Alijews Soldaten. Die Bundesregierung protestierte nicht, versprach aber, auf Aserbaidschan "einzuwirken". Zwei Monate später machte Außenministerin Annalena Baerbock ernst mit der feministischen Außenpolitik: Sie drang nun auf einen Hilfszugang und appellierte ultimativ an den Angreifer: "Die Menschen in Berg-Karabach müssen das, was sie zum Leben brauchen, endlich bekommen. Der Latschin-Korridor muss frei sein für humanitäre Hilfe". 

Die im Februar versprochene große EU-Friedensmission in Armenien hatte da immerhin schon den Namen EUMA bekommen und  die Aufgabe erhalten, "lokale Kommunikationskanäle und De-
Eskalationsmechanismen zwischen den Konfliktparteien aufzubauen". Die erhoffte "neue Phase des EU-Engagements im Südkaukasus" aber brach trotz der rund 100 zivilen Beobachter anders an als erhofft: Aserbaidschan setzte seine Truppen wieder in Marsch, um endlich Schluss zu machen mit dem Dauerkonflikt.

Mahnende Worte aus Brüssel und Berlin

Die Außenministerin wird das freilich nicht zulassen. "Aserbaidschan muss den Beschuss sofort einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren, nur so ist dauerhafter Frieden möglich", kabelte Annalena Baerbock bei X, kaum dass Bakus seine Zusage gebrochen hatte, "von militärischen Maßnahmen abzusehen" (Baerbock). Die EU eilte zu Hilfe und ließ ihren Außenkommissar Josep Borrell eine Verurteilung der "militärischen Eskalation in Karabach" nebst einer bedauernden Bemerkung zum "Verlust von Menschenleben" tippen. Ursula von der Leyen mischte sich selbst nicht ein. Ein Repost musste reichen.

Zu wichtig sind Öl und Gas aus Aserbaidschan inzwischen, als dass sich so kurz vor dem Winter noch große Sanktionsaktionen ausrufen lassen. Die Raffinerie in Schwedt etwa, aus deren Produktion auch die Regierungslimousinen betankt werden, läuft nur noch, wenn auch nur ein bisschen, weil Baku kasachisches Öl zur Versorgung über sein Gebiet weiterleitet. 

Auch die eigenen Exporte hat der geschäftstüchtige Diktator hochgefahren: Von acht auf zwölf Milliarden Kubikmeter mit Aussicht auf mehr. Nach den Plänen der EU, die von der Leyen vor einem Jahr vorstellte, sollen es bis 2027 schon 20 Milliarden Kubikmeter sein, die der "verlässliche Partner" (Alijew) nicht nur selbst fördert, sondern zuvor auch aus Russland importiert.

Armenien hat nun eine Chance. Schnell selbst viel Öl und Gas finden.

 


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Olaf verbraucht sein ganzes etepetete für die Ukraine weil Demokratie und Werte & cetera!

Anonym hat gesagt…

ach komm. mir ist das Gemetzel in den B und C -Staaten herzlich egal . Die sollen Sprit liefern und die Schnauze halten . Die verkackten Moralapostel können mich mal .

Anonym hat gesagt…

Man kann es Realpolitik nennen, oder Heuchelei. Die Moral wurde gerade wieder bei der UNO entdeckt.

Anonym hat gesagt…

"Völkerrechtswidriger Angriff auf einen Nachbarstaat" ist ein großes Wort. Das Komplexe der Situation liegt ja gerade darin, dass Berg-Karabach völkerrechtlich zu Aserbeidschan gehört und Alijew daher durchaus behaupten kann, nur sein Staatsgebiet wieder unter seine Kontrolle bekommen zu wollen, was völkerrechtlich vollkommen zulässig ist. Dass das ganze auf eine ethnische Säuberung hinauslaufen wird und unsere Haltungspolitiker dies mit dem üblichen Geschwätz hinnehmen werden, steht auf einem anderen Blatt. Letztlich müssen sich die Armenier an die eigene Nase fassen. Wenn ich militärisch vom Schutz einer Großmacht (Russland) abhängig bin, muss ich mich dem Schutzherren gegenüber eben entsprechend verhalten. Das wissen sogar die Zauberlehrlinge in Berlin (bezüglich USA).

Anonym hat gesagt…

... müssen sich die Armenier an die eigene Nase fassen. Wenn ich militärisch vom Schutz einer Großmacht (Russland) abhängig bin, muss ich mich dem Schutzherren gegenüber eben entsprechend verhalten ...

Eingestanden, da stehe ich etwas auf dem Schlauch. Was wäre da diesbezüglich gewesen?

ppq hat gesagt…

@anonym 4: lass das mal nicht die taiwaner hören