Industrielles Wohnen verspricht Gleichheit als finale Ausprägung von Gerechtigkeit. Den Platz in den Innenstädten teilen sich Behörden, Verwaltungen, Firmen und NGOS. |
Auf einmal ist der Mangel wieder da, plötzlich und unerwartet. 33 Jahre nach dem Datum, das für die Planerfüllung bei der Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem vorgesehen gewesen war, fehlt es an Wohnungen, zumindest dort, wo immer mehr Menschen leben wollen. Während draußen auf dem Land, in den weitgehend entvölkerten Regionen Ostdeutschlands, Häuser verfallen und Ruinen zusammenbrechen, wird es in den Metropolen eng, weil immer mehr Ältere immer länger leben und sich stur weigern, noch zu Lebzeiten ihre großen Altbauwohnungen mit dem Stuck und den Seidentapeten aufzugeben. Appelle fruchten nichts, Drohungen haben bisher auch keinen Erfolg gehabt.
Landleben ist keine Lösung
Doch mehr Landleben ist nicht die Lösung, denn das Klima verzeiht keine weitere Versiegelung, keinen weiteren Bau umweltschädlicher Einfamilienhäuser, die abgezahlt sind, wenn die Kinder langsam in die Stadt abwandern. Bundesbauministerin Klara Geywitz, eine aus dem Berliner Speckgürtel stammende Sozialdemokratin, hat angesichts der katastrophalen Lage an der Neubaufront jetzt eine neue Strategie vorgeschlagen: Zurück zum Beton, Neubau nach Norm, eine Zukunft in der Platte.
Die Zahlen zeigen, dass es anders nicht mehr gehen wird. Den Leerstand auf dem Land mit Zwangsumsiedlungen zu füllen, verbietet sich, denn es würde die Falschen treffen. Die jungen, urbanen Eliten werden in den Behörden, Verwaltungen und NGOs Downtown gebraucht, können aber unter den anstehenden Klimaneuregelungen nicht mehr co2-gerecht von außerhalb einpendeln. Das Wohnen muss also dorthin gehen, wo kein Platz ist, aber Bedarf. Und Neubau muss so geschehen wie beim letzten Mal.
Gerechte Verdichtung
Wenige Außenwände, viel gerechte Verdichtung. Mehr hoch als breit, aber diesmal ruhig mit begrüntem Dach und Mietersolaranlage. Industrielles Bauen von Wohnungen, die im Osten Deutschlands "Neubau" und im Westen "Platte" genannt wurden, aber in der Sowjetunion als Breshniki begehrt und gefürchtet zugleich waren. Eng und zentralbeheizt, mit endlosen Fenstergalerien an den hohen, seelenlosen Wohntürmen, die mathematisch gesehen die günstigste Möglichkeit sind, um eine beständig wachsende Masse an Menschen unterzubringen, die ins Land kommen, um beim weiteren Aufbau und der Sicherung der Rentenkassen zu helfen.
Fünfzig Jahre nach dem Beschluss des Zentralkomitees der SED, die Wohnungsnot in der DDR mit einem großen Wohnungsbauprogramm bis 1990 zu beenden, steht eine Neuauflage an. Beobachter im politischen Berlin mutmaßen aufgrund der Ankündigungen von Klara Geywitz, aber auch von Olaf Scholz und Robert Habeck, dass schon bei der sagenumwobenen Kabinettsklausur Ende des Monats Pflöcke eingeschlagen und neue ehrgeizige Wohnungsbauziele verkündet werden könnten.Bisher standen 400.000 neuzubauende Wohnungen im Plan, da nur 295.000 erreicht werden konnten, sei eine Planerhöhung auf mindestens ein Million unumgänglich, heißt es im Regierungsviertel.
Bestes Beispiel Bundesregierung
Die Bundesregierung selbst geht mit bestem Beispiel voran. Unbeirrt von steigenden Baupreisen, fehlenden Fachkräften und der absehbaren Verschärfung von Klimazielen am Bau errichtet die Verwaltung direkt an der Spree dringend notwendige neue Gebäude zur Erweiterung des Kanzleramtes, um "allen Beschäftigten wieder Platz zum Arbeiten bieten zu können". Das "Band des Bundes" soll rund dreimal so viel kosten wie seinerzeit für das Kanzleramt selbst aufgewendet werden musste, dafür aber ist im Preis eine "Entfernung" (Kanzleramt) von mehr als 200 sogenannten Großbäumen bereits enthalten. Dafür aber wird Deutschland nach Fertigstellung über den größten Regierungssitz der Welt verfügen - inklusive einer eigenen Brücke, einem geheimen Verbindungstunnels, von sogenannten "Bewegungsflächen" im Untergeschoss und einer Hubschrauberlandeplattform.
Was hier für einen Leuchtturm ausgegeben wurde, dessen Bau bereits im "Frühjahr 2023" (Bundesregierung) begonnen hat, aber bisher nicht angefangen wurde, kann am besten draußen im Land eingespart werden. Künftige Wohngebäude sollen nach Überzeugung von Klara Geywitz durchaus neuer sein als die, die zu DDR-Zeiten gebaut wurden. Doch aus ökologischen und sozialen Gründen sollen sie denselben Entwürfen folgen: billig und robust, deprimierend und völlig
freudlos, ein einziger Triumph der Funktion über die Form und finale Ausprägung von Gleichheit als Gerechtigkeit. Ein Kollektiverlebnis, das die Gemeinschaft stärkt. Nicht mehr nur Wohnungsbau vom Fließband. Sondern Gesellschaftsdesign.
4 Kommentare:
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Ballast
Sall ick, Kinnings? Mir wird ein Tainihaus angenötigt.
Muss so ein Bauprojekt nicht erst dem ausgelosten Bürgerrat zur Genehmigung vorgelegt werden?
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