Chemnitz, 2018: Die Hetzjagd in der drittgrößten Stadt Sachsens führte zu einer Umbesetzung an der Spitze des Verfassungsschutzes. |
Es ist nun wirklich kein großes Ding. Ein paar "Maskierte" (Tag24) hacken einem Mann bei hellichtem Tag in einem öffentliche Park ein paar Finger ab. Tja, Sachsen. Und sieben hat er ja noch. Was soll man dazu sagen? Die deutschen Leitmedien haben sich sich mit beinahe schon traumwandlerischer Sicherheit alle gleich entschieden: Bei dem Übergriff einiger "Unbekannter" (T-Online) auf einen ortsbekannten Neonazi handelt es sich um ein allenfalls regional bedeutsames Ereignis, das eventuell in Österreich als bemerkenswert begriffen wird. Nicht aber in Hamburg, Berlin oder Köln zur Kenntnis gelangen muss.
Verlorene drei Finger
Der "28-jährige" (Bild) Alexander W., der bei dem Angriff "drei Finger verlor" (RTL) hätte doch nie Nazi werden müssen. Dann wäre ihm der "brutale Überfall" (Kronenzeitung) erspart geblieben und der Frankfurter Rundschau die Entscheidung darüber, was mehr Nachrichtenwert hat: Der Verdacht, dass die Rechte sich radikalisiert? Oder der Umstand, dass nach dem Augsburger AfD-Politiker Andreas Jurca nun schon gegen einen zweiten Rechtsausleger Vermutungen geäußert werden müssen, dass der Betreffende sich als Opfer inszeniert, um bei Unbedarften politisch Punkte zu machen.
Eine Rechnung, die im Fall von Alexander W. erkennbar nicht aufgehen wird. Die Chemnitzer Fingerjagd verliert durch den im Raum stehenden Verdacht, die Falschen könnten hier den Richtigen getroffen haben, viel vom exotischen Reiz, den eine öffentliche Amputation im Stadtpark selbst unter sächsischen Verhältnissen eigentlich hätte. Gerade für Medien, die sich neben ihrer Hauptaufgabe, kluge Regierungsentscheidungen noch besser zu erklären, hauptsächlich als Schundschleudern in Clickbait-Wettbewerben betätigen.
Kein Plattform den Falschen
Doch nicht um jeden Preis. Weder "Spiegel" noch "Tagesschau", weder der im politischen Berlin als "Reichsnachrichtendienst" belächelte SPD-Ableger RND noch Stern, Zeit, FAZ oder Süddeutsche finden die Abtrennung dreier Finger mit Hilfe einer Machete, vorgenommen ohne Betäubung im Stadtpark, oder aber die anschließende Gliedmaßensuche durch Polizeieinheiten auch nur halb so berichtenswert wie seinerzeit die "Hetzjagden" in der früher zeitweise als "Karl-Marx-Stadt" bekannten drittgrößten Stadt Sachsens.
Wenn Alexander W. spekuliert hatte, dass sein Fingeropfer ihn berühmt und seine Ideologie noch mächtiger machen würde, hat er sich geschnitten. Niemand außerhalb einer ganz kleinen Blase üblicher Verdächtiger wird dem "29-Jährigen" (Focus) den Gefallen tun, ihn zu behandeln wie die echten Opfer der Hetzjagd von 2018 oder jüngsten "Armburst-Attacke" (FR) auf einen Syrer am Bahnhof der niedersächsischen Stadt Peine.
2 Kommentare:
Wer sind da nochmal die Nazis? Frage für einen Freund.
Heißt der Freund - Godwin?
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