Verschwurbelte Ansage im Blatt, Klartext bei X: Den Staat will sich die Linke nicht wegnehmen lassen. |
Links sein, das war in der Zeit der langen Haare die Sehnsucht, frei zu sein von allen Zwängen, ein Leben zu führen, das eigenen Entscheidungen folgt und inmitten einer Gesellschaft aus autonomen Menschen abläuft, die einander respektieren. Keiner besser als der andere. Keine größer oder wichtiger, so war das linke Ideal, das nicht zuletzt eine Zeitung wie die Berliner "Tageszeitung" verkörperte. "Macht aus dem Staat Gurkensalat" lautete eines der Kochrezepte der Kämpfer für eine Zukunft, in der, irgendwo bei Lenin stand das, der Staat "abgestorben" sein würde und das Volk direkt regiert.
Die Avantgarde, die durchregiert
Aber was heißt regiert. Ein bisschen verwalten müsste wohl noch sein, der ganze Rest ginge dann von allein. Dass Lenin vor das Absterben die Diktatur des Proletariats gesetzt hatte. Eine Gesellschaftsform, in der die Macht in den Händen einer kleinen Truppe aus Berufsrevolutionären liegen würde, die keine dritte oder vierte Gewalt bei der Avantgardearbeit stört, war nur als kurzes Zwischenspiel gedacht. Diese liebevolle Diktatur würde den Menschen natürlich nur so lange
befehlen, wie sie zu leben, zu arbeiten, zu lieben und wann sie zu sterben hatten, bis alle die große Lehre angenommen hatten und einverstanden damit waren, mitzuschaffen am großen Werk.
Der "Taz" wären in ihrer Blütezeit als alternatives Medium einer anderen Zukunft eher die Buchstaben aus der Bleisatzmatritze gefallen als dass sie Stalins Vision geteilt hätte, dass die Diktatur des Proletariats als "die durch kein Gesetz beschränkte und sich auf Gewalt stützende Herrschaft des Proletariats über die Bourgeoisie" alternativlos sei, weil es sich bei ihr um eine Herrschaftsform handele, "die die Sympathien und die Unterstützung der werktätigen und ausgebeuteten Massen besitzt."
Aufgabe ist immer die Befreiung der Menschheit
Im Osten war zu sehen, wie deren welthistorische Aufgabe der "Befreiung der Menschheit" von der Erbsünde der Ausbeutung in der Praxis funktionierte: Der Staat starb nicht ab, er wurde vielmehr zum Ein und Alles der Gesellschaft. Sein Machtanspruch erstreckte sich bis in den letzten privaten Winkel, ja, bis in die Hirne der Untertanen. Alle anderen Bereiche reklamierte er total: Die Industrie und das Handwerk, die Politik und die Verwaltung, die Planung, Leitung und der Vollzug der Demokratie, ja, sogar die Gewerkschaften und Massenorganisationen als Interessenvertreten bestimmter gesellschaftlicher Gruppen - sie alle wurden verstaatlicht und einheitlich angeleitet und geführt.
Nichts funktioniert, niemand war zufrieden, alle belogen alle und die Medien logen am meisten. Drei Jahrzehnte nach dem Ende des größten Experiment an lebenden Menschen sind Parallelen so unübersehbar, dass sie kaum noch ins Auge fallen. Die Planwirtschaft ist zurück, die einheitliche Medienführung und der starke Staat, der unablässig und in alle Richtungen wächst. Allein in den zurückliegenden vier Jahren hat die staatliche Verwaltung nebst den staatsnahen Bereichen Gesundheit, Erziehung und sonstiges Sozialwesen neun Prozent neue Stellen geschaffen, die politische Führung genehmigte sich zuletzt allein 10.000 neue Mitarbeiter, dazu kommen reihenweise neue Behörden, Verwaltungen und frisch erfundene Aufgaben, für die später noch mehr neue Behörden, Verwaltungen und Aufsichtsinstitutionen geschaffen werden müssen.
Berufsrevolutionäre und Bionadeadel
Eine logische Folge dieser Machtpolitik wäre Widerstand von links, ein Taz-Reflex geradezu, der sich deutlich unterscheiden würde von der Sehnsucht elitärer Denker aus den westdeutschen Vierteln des Bionadeadels nach einer rigorosen Abkehr von der Demokratie und einem Durchregieren im Stalin-Stil. Die Freiheit, die die Linke zumindest theoretisch als Ideal betrachtet, ist keine, die ein Staat gewährt, sie ist auch keine, die auf dem Altar einer höheren Bestimmung zu opfern ist, wenn das Politbüro die Notwendigkeit anordnet.
Doch das moderne Links, für das die Taz mit jeder Faser steht, kommt auf der anderen Seite des Hufeisens heraus. Dort drüben, wo die Rechte von der Volksgemeinschaft träumt, reiht sich die paternalistische Linkselite ein: In der dritten oder vierten Generation sind die früheren Straßenkämpfer und Anarchisten angekommen auf ihrem Marsch durch die Institutionen, angekommen auf der anderen Seite der Macht, dort, wo der Staat mit Posten lockt und angesichts einer bockbeinigen Bevölkerung als letzte Rettung vor einem womöglich demokratisch herbeigeführten Kurswechsel gilt, den die, die es längst besser wissen, nicht wollen.
Das kann und darf nicht
Verächtlich schauen sie aus dem Hochhaus in Berlin Mitte herunter auf die Menschen, die die AfD vielleicht sogar nicht aus Protest wählen, sondern weil deren politische Forderungen das sind, was sie selbst auch fordern würden. Das kann und darf nicht sein, schreibt die Taz. "Der Staat sollte das ernst nehmen, sonst wird er womöglich unterwandert." Den Staat aber will sich die Linke nicht wegnehmen lassen, schon gar nicht nach den demokratischen Regeln der Interessenaushandlung. Klartext also bei X, was gemeint ist mit "ernst nehmen": "Der Staat sollte dringend dagegen vorgehen", dass heißt durchgreifen, das heißt Vollzug der Demokratie von oben und ein unwiderstehliches Angebot. Beuge Dich und schliess dich an. Oder knie nieder und bereue.
2 Kommentare:
Who you gonn' call? Den Staat!
Das sagt ja auch Hadmut immer, dass die den Staat übernommen haben. Natürlich rufen die nach ihren Kumpels.
systemkritische Rebellen
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