Mit dem Handel von Ablassbriefen hat die EU ein mächtiges Werkzeug gegen den Klimawandel geschaffen. |
Der Ablasshandel gilt als das Herzstück des Fit-for-55-Klimapakets der EU. Wer sündigt, soll künftig noch schneller noch mehr zahlen müssen als bisher, aufgehoben wird in diesem Zusammenhang auch das im Zuge der starken Energiepreisanstiege verhängte Moratorium über weitere Preiserhöhungen bei den Ablassbriefen. Stattdessen sollen die Preise schnell stark steigen, um eine spürbare erzieherische Wirkung zu entfalten. Dazu wird der Handel auch auf die Nutzung von Gebäuden und den Straßenverkehr ausgeweitet. Wer heizt, kühlt, Fernsehen schaut, Musik hört oder Auto fährt, ist verpflichtet, einen Ablassbrief für das dabei produzierte Klimagas CO2 zum aktuell gültigen Preis zu erwerben.
Den legen die Mitgliedssaaten fest, bisher im Rahmen eines Planes, der vorsieht, dass die Zahl der verfügbaren Ablassbriefe bis 2030 um 43 Prozent gesenkt wird, verglichen mit 2005. Daraus sollen nun 62 Prozent werden, nicht sofort, denn zumindest bis 2026 lässt die EU den Staaten Spielraum, Bürgerinnen und Bürger langsam an die kommenden Aufsgaben heranzüführen. Ab 2027 dann soll es aber schnell gehen: Um die für das Klimapaket namensgebende Senkung des CO2-Ausstoßes um 55 Prozent rechtzeitig zum Stichtag erreichen, wird der Hebel in den letzten drei Jahren der europäischen Klimakampagne scharf herumgerissen. Staaten, die bis 2030 aus der Kohle aussteigen, sollen die damit frei werdenden Emissionsrechte nicht neu verteilen, sondern vom Markt nehmen. Das verbleibende Angebot wird bis langsam ausgedünnt, bis es 2040 auf Null sinkt.
Öffentlich kaum diskutiert, hat sich die relativ neue Anlageklasse bis heute bereits zu einer Geldmaschine entwickelt. Ungeachtet aller zwischenzeitlich zurückgenommenen "Anreize für weniger CO2-Emissionen" (Bundesregierung) stieg der Preis für einen Ablassbrief von zwölf auf zeitweise 100 Euro, statt die Milliardeneinnahmen wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben als "Klimageld" oder "Klimaprämie" an die Bürgerinnen und Bürger auszuschütten, investiert die Regierung das aus inzwischen dauerhaft anderweitig. Zuletzt brachten die 13 Milliarden deutsche Auktionserlöse aus dem Europäischen Emissionshandel (EU-ETS)auf diese Weise "ambitionierten Klimaschutz, Sozialverträglichkeit und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit in Einklang" (Umweltbundesamt, UBA).
Trotzdem muss es weitergehen, trotzdem und gerade deshalb. "Jede emittierte Tonne CO₂ wird mit einem Preisschild versehen und setzt damit maßgebliche Impulse für den klimaschonenden Umbau unserer Gesellschaft", sagt UBA-Chef Dirk Messner. Die Vorteile sind auch für die Energieverbraucher unübersehbar: Zuletzt konnte die Abschaffung der EEG-Umlage und damit die Senkung der Stromkosten aus den höheren Einnahmen aus dem Ablasshandel finanziert werden.
Hier kommen Antworten auf die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fortgang der Entwicklung, die sich Harry Günther von der Fachkommission Wohlstand des Climate Watch Institutes in Grimma (CWI) gestellt hat, der sie auch gleich beantwortet.
Welchen Idee steckt hinter dem Beschluss der EU, beim Ablasshandel ein höheres Tempo mit weit höheren Preisen für weit mehr Menschen anzuschlagen?
Seit der Europäische Emissionshandel (EU-ETS) 2005
zur Umsetzung des internationalen Klimaschutzabkommens von Kyoto
eingeführt wurde, hat das zentrale europäische Klimaschutzinstrument noch kaum Effekte gezeitigt. Zwar hilft der stets bemühte Vergleich mit 1990 stabil dabei, gewisse Erfolge vorzeigen zu können. Doch obwohl das zentrale Element des Fit-for-55-Klimapakets nun seit bereits 18 Jahren in Betrieb ist, gelang der überwiegende Teil der Verminderung des CO₂-Ausstoß im Zeitraum bis 2004. Mit der nun vom EU-Parlament angestoßenen Reform wird nur Druck aufgebaut. Der klassische Emissionshandel für Stromerzeuger, Industrie und Luftfahrt wird auf Vermieter, Mieter, Autofahrer, die Schifffahrt und eventuell von 2028 auch auf die Abfallverbrennung ausgeweitet. Das wird teuer, das wird für viele schmerzhaft.Aber es verspricht auch, erfolgreich zu werden.
Der geplante Ablasshandel, was ist das noch einmal?
Der auch als Emissionshandel bezeichnete Handel mit frei erfundenen Ablassbriefen, die dem Besitzer das Recht einräumen, das Klima in einem bestimmten Maße mit dem Klimagas CO2 zu verseuchen, verwandelt Umweltverschmutzung in ein Geschäft. Das lange als neoliberal verleumdete Konzept zwingt Emittenten von Treibhausgasen wie Erdgasheizungsbetreiber, Autofahrer und Fernurlauber, ihren Klimaverbrauch einzuschränken oder für die Beibehaltung ihres Lebensstils extra zu zahlen. Entschließen sich viele für Letzteres, steigen die Preise der Ablassbriefe schnell und steil, so dass sich den Zukauf von Verschmutzungsgenehmigungen über kurz oder lang nur noch die wirklich Reichen leisten können.
Ist das denn aber nicht ungerecht?
Es ist vor allem notwendig, damit der Klimaausstoß auf das Niveau sinkt, das für das Erreichen der EU-Klimaziele nötig ist. Ungerechtigkeiten werden vermieden, weil jeder berechtigt ist, selbst mit Ablassbriefen zu handeln und auf einen steigenden CO₂-Preis zu setzen. Da die Zahl der Emissionsrechte immer knapper werden wird, scheint das ein sicheres Geschäft zu sein, doch Vorsicht: Je weniger Nachfrage herrscht, weil Gas- und Ölheizungskunden nicht mehr mitbieten können und auch Besitzer neuer Wärmepumpen wegen ihrer Investitionen in die Wärmewende kein Geld mehr haben, an windstillen dunklen Wintertagen exorbitant teuren Kohlestrom zu verfeuern, desto schneller wird der steigende Preis sinken.
Was ist denn dann der Vorteil an dem System?
Der Charme des Emissionshandels liegt darin, dass der Staat sich vollkommen heraushalten kann. Er muss nur die Einnahmen kassieren, die Bürgerinnen und Bürger als Teilnehmer am Handelssystem schultern. Wird der Ausstoß wirklich verringert, kassiert er viel, weil das Angebot an Ablassbriefen fortwährend sinkt. Halten möglichen Innovationen zur Umstellung von Industrie und Alltagsleben mit der Reduzierung des Angebotes Emissionsrechten nicht Schritt, kassiert er noch mehr, weil die Preise noch schneller nach oben klettern. Verbote und staatliche Vorgaben sind überflüssig, damit werden unnötige Diskussionen um leidige Themen wie das angebliche Heizungsverbot vermieden.
1 Kommentar:
In Abwandlung einer alten Börsenweisheit: Du hast kein CO2 eingespart, es produziert bloß jemand anders.
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