Donnerstag, 27. Juli 2023

Wumms und Wirtschaftswunder: Die Brandmaurer

Von Rezession ist keine Rede, von Wirtschaftskrise auch nicht.

So geht es nun also zu Ende, das gerade erst angekündigte neue Wirtschaftswunder. Noch kaum eine Wärmepumpe ist eingebaut, noch kaum ein Klimakiller-SUV ausgetauscht, noch wenig ist zu sehen von der Investitionsoffensive mit Braunkohlemitteln, EU-Wiederaufbauförderung und Sonderzahlungen aus dem Chips Act, den selbst führende Leitmedien für bereits beschlossen und besiegelt hielten, als er es noch längst nicht war, weil er nach anderthalb Jahren schon so vertraut klingt wie Green Deal, Fit for 55 oder - lange, lange ist es her - Lissabon-Strategie

Warten auf die Erneuerbaren

Im Mai hatte der Bundeskanzler die Idee vom neuen Wirtschaftswunder in Gespräch gebracht, ein Vorschlag, der unmittelbar auf Wumms und Doppelwumms folgte. Der Wirtschaftsminister assistierte mit dem Vorschlag eines Industriestrompreises, der, wenn schon nicht die Bürger, dann doch wenigstens die noch verbliebenen Firmen vor der verheerenden Folgen der weltweit führenden Klimastrompreise schützen soll, bis "die Erneuerbaren" (Ricarda Lang) ihre segensreichen Preissenkungswirkungen mit voller Wucht entfalten.

Der steht aus, dafür aber sinkt die Wirtschaftsleistung nun schon im dritten Quartal hintereinander. Was Ende 2022 noch ein Ausrutscher war, geschuldet unaufmerksamen Statistiker, und Anfang des Jahres dann als "technische Rezession" wie eine Art Landregen erklärt wurde, der vorüberziehen würde, hält nun doch länger. Die Bäcker, sie backen nicht mehr. Die Schuhverkäufer haben zugemacht. Die smarten Lastenrad-Start-Ups sind überschuldet. Selbst die letzten Verbrenner will kaum mehr jemand haben. 70 Tage nach der Wirtschaftswunderankündigung trübt sich die trübe Stimmung dauerhaft ein, der kranke Mann Europas ist zurück.

Gekuschelt in ein Leichentuch

Doch auf dem Krankenbett, schon leicht gekuschelt in ein Leichentuch, beschäftigen ihn allerlei andere Fragen. Was ist mit dem Klima und hat der Regen auch damit zu tun? Ist es so kalt, weil es warm ist? Rammstein, gibt es da schon neue Behauptungen? Welche Binde trägt die als "Mannschaftskapitänin" gemissgenderte Spielführerin der "deutschen Frauen-Nationalmannschaft" (ARD) und welche Botschaft trägt sie damit in die Welt? Schließlich aber, und in Zeiten abnehmenden Lichts zentral: Was meinte Friedrich Merz, als er versuchte, an der Brandmauer nach rechts zu pickern wie ein Berliner Mauerspecht in den letzten Augenblicken der DDR?

Es gäbe viel zu tun und es gibt viele Argumente dafür, es sein zu lassen. Kein Mensch will mitten in den Sommerferien, wenn Rhodos brennt und unklar ist, wer denn nun Millionen Wählerstimmen nach Sonneberg schaufelt, Informationen darüber verarbeiten müssen, dass sich "die Lage verdüstert" und auf die Agonie der letzten vier Jahre ein "langer Abschwung" (Spiegel) folgen wird.  Ist nicht lieber Johnny Depp bewusstlos in seinem Hotelzimmer gefunden worden? Hat nicht Greta Thunberg 215,50 Euro Strafe zahlen müssen? Wechselt der Kane nun zu Bayern? Und machen die Punks wieder ihr Protestcamp auf Sylt? Obwohl das Neun-Euro-Ticket ja jetzt auch  teuer geworden ist?

Es gibt keine Wirtschaftskrise

Die Wirtschaftskrise, sie ist da, aber nicht hier, sondern in Ägypten, Sri Lanka, Afghanistan und der Türkei. Für Deutschland haben Politik und Medien eine unüberwindliche Brandmauer zwischen Wirklichkeit und ihrer Benennung errichtet. Bis die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin einen knackigen neuen Begriff gefunden hat, mit dem sich die anhaltende Abnahme des Bruttoinlandsproduktes ähnlich elegant umschrieben lässt wie mit dem Anfang der 2000er Jahre zuletzt verwendeten "Minuswachstum", wäre es wäre es nicht die Freuden der Knappheit zu entdecken, das zu feiern, was noch da ist, und den Kanzler dafür zu preisen, dass er sich den Urlaub im "befreundeten europäischen Ausland"  nicht von Untergangspropheten und Bundesstatistikern verderben lässt.

Diesmal ist es nur eine "Sommerrezession", die spätestens am 23. September beendet sein wird, weil dann der Herbst beginnt. Vielleicht werden Maschinenbau und Elektrotechnikbranche, die Chemieindustrie und die Autohersteller dann immer noch "schwächeln" (Welt), aber kein vernünftiger Mensch wird dann noch von einer Sommerrezession sprechen. Durch den Winter danach kommt Deutschland immer gut, weil die EU Gasspeicherfüllstände vorschreibt und der Wirtschaftsminister sich täglich melden lässt, wo der Zeiger steht. Danach ist dann schon Frühlingserwachen.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wie jemand bei Tichy schreibt, berichten die Comical Alis bei der Tagessschau nichts von einer wirtschaftlichen Talfahrt oder sowas. Also gibt es auch keine.