Montag, 24. Juli 2023

Der Brandmauermörder: Kurswechsel im lecken Kahn


Hört meine Worte, und bezeugt meinen Eid. Die Nacht zieht auf und meine Wacht beginnt. Sie soll nicht enden vor meinem Tod. Ich will mir keine Frau nehmen, kein Land besitzen, keine Kinder zeugen. Ich will keine Kronen tragen und keinen Ruhm begehren. Ich will auf meinem Posten leben und sterben. Ich bin das Schwert in der Dunkelheit. Ich bin der Wächter auf den Mauern. Ich bin der Schild, der die Reiche der Menschen schützt. Ich widme mein Leben und meine Ehre der Nachtwache, in dieser Nacht und in allen Nächten, die kommen.”

— Eid der Nachtwache

So hatten sie es alle geschworen, die Führer der demokratischen Parteien, die Verteidiger des Glaubens und Bewahrer der Einheit der Mitte. Niemals reden mit denen, sich nicht einmal mitreden lassen. Sie ausgrenzen, ausschließen, so lange nicht zu Worte kommen lassen, bis sich das Problem selbst erledigt hätte. Schon als die AfD noch als unzulässig eurokritische Partei beschrieben wurde, geführt von einigen Professoren abweichenden Glaubens an die einigende Kraft des großen Geldes, wurde die sogenannte Brandmauer errichtet. Als Frauke Petry dann übernahm, wurden die Nazi-Assoziationen ausgebaut: Die Frau war nun die erste deutsche Hitler, ein Unwesen, das nur erlöst werden konnte durch einen Sturz durch noch radikalere Kräfte, gegen deren Machtübernahme die Brandmauer nach rechts noch einen Burggraben bekam, einen Zaun, ein Minenfeld und Selbstschussanlagen.

Verfemung und Verdrängung erfolglos

Dass die Strategien von Verfemung und Verdrängung, von Isolation und Verfolgung noch nie in der menschlichen Geschichte dauerhaft gewirkt haben, bezeugen die Erlebnisse der frühen Christen, der Sozialdemokraten und Kommunisten. In Deutschland allerdings dauerte es dennoch zehn Jahre, bis sich die Erkenntnis leise Bahn brach, dass der Versuch, sämtliche AfD-Wählerinnen und Wähler zu beinharten Nazis zu erklären, deren Lebenstraum es sei, unter der Knute von Tino Chrupalla und Alice Weidel für Putin in der russischen Armee gegen Ausländer zu kämpfen, kaum erfolgreich zu sein verspricht. 

Hatten die Zentralen von CDU, SPD, FDP, ARD, ZDF, Linker und Grünen eigentlich angenommen, dass ein konsequenter Ausschluss der Politiker der Schwefelpartei die Menschen draußen im Lande nach und nach vergessen lassen würde, dass es außerhalb des demokratischen Blocks der schon länger hier Politikmachenden noch ein weiteres Angebot gibt, schien in Wirklichkeit jeder Boykott der Wahl eines AfD-Bundestagsvizepräsidenten, jede Warnung vor den neuen, alten Faschisten und jede Beteuerung, wie gut man es doch trotz alledem mit den Bürgerinnen und Bürgern meine, zum glatten Gegenteil zu führen.

Ohne Programm und brauchbares Personal

Die Mitte erodierte, mit wachsender Geschwindigkeit. Die AfD profitierte von ihrem Alleinstellungsmerkmal, keine der anderen Parteien zu sein. Selbst ohne brauchbares Personal und ohne Programm stieg sie auf der Thermik der grassierenden Ablehnung der Betreuungs- und Bevormundungspolitik der politischen Konkurrenz zu ungeahnten Höhen in allen Umfragen auf. Die ärmliche Bilanz von 70 Jahren rot-schwarz-gelb-grüner Rentenpolitik, die galoppierende Inflation und die Prämie, die sich die Regierung selbst für diesen Erfolg gewährte, die Steuer- und Abgabenlast, die explodierenden Energiepreise, die Korruption in der Regierung und die Ankündigung, dies alle sei erst der Anfang einer großen Transformation - die Sorge vor der Zukunft verwandelte Deutschland in ein einziges Sonneberg.

 "Die AfD wird als Mittel gesehen, um seriösen Parteien vors Schienbein zu treten",  mutmaßte der liberale Justizminister Marco Buschmann. Wissenschaftlernde sprangen ihm bei: Vermutlich wollten  die Wähler der AfD gar keinen Dritten Weltkrieg, keinen chaotischen Zusammenbruch der EU, keine Rückkehr zur Tauschwirtschaft anstelle des Euro oder die Zwangsausweisung aller Wurzelmenschen. Sondern nur, endlich mal in Ruhe gelassen und nicht belästigt zu werden mit täglich sieben Regierungsideen, wie neue Kontrollbehörden dafür sorgen könnten, dass sie klimagerecht, nachhaltig und sauber auch im Sinne der Vorstellungen der Letzten Generation ihre letzten paar Jahre fristen.

Merz in der Wendeschleife

Mit der Wahl im kleinen Bremen bog die Bundespolitik in eine Art Wendeschleife. Die Grünen krachten auf den Boden der Tatsachen. Die deutsche Sozialdemokratie ergab sich dem Prinzip Hoffnung. Die Linke begann ihre Abschiedstournee. In der Merz-CDU aber dämmerte die Erkenntnis, dass eigene Mehrheiten rechts der drei Linksparteien mit der FDP allein auch die kommenden 100 Jahre nicht zu erreichen sein werden. 

Friedrich Merz, bis dahin ein Mann, der geduldig gewartet hatte, dass ein von der Ampel erschöpftes Volk von ganz allein nach ihm ruft, griff nicht eben beherzt, aber er griff ins Steuerrad. Der frühere Konservative bestellte mit Carsten Linnemann einen der letzten Rechtsausleger der Union zu seinem Kettenhund und Wadenbeißer. Aus der Partei kamen in der Folge gleich allerlei Forderungen nach einer Abschaffung der Migration, Grenzkontrollen, Schnellgerichten und Steuersenkungen. Merz richtete die Partei offenbar neu aus, nachdem sein sozialdemokratischer Kurs sich als Mittel erwiesen hatte, die Union bei 30 Prozent der Wählerstimmen zu deckeln, ganz egal, wie viel Fehler die Ampelparteien sich auch leisten, wie kesselflickerisch sie zanken und welche irrsinnigen Pläne sie auch wie brandeilig gegen den Willen einer großen Mehrheit der Bevölkerung umsetzen wollen.

Ein neuer Kurs

Ein neuer Kurs für den lecken Kahn der Union, eine vorsichtige Öffnung nach rechts - im Rest Europas der Normalfall - als unerhörter Tabubruch gehandelt wird. Merz werfe "alle Prinzipien über Bord", heißt es, und er sei "sogar zur Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten bereit". Die Freigabe der Kooperation auf  kommunaler Ebene wird sofort erkannt als Strategiewechsel, der bald auch für Land und Bund gelten wird - die deutsche Sozialdemokratie hat es vorgemacht, bei ihr hatte es allerdings nur ganze vier Jahre gedauert, bis sie die nach dem Ende der DDR errichtete Brandmauer zur SED einriss und sich von der Mauerschützenpartei in Regierungsämter heben ließ.

Friedrich Merz hat aus dieser Geschichte gelernt. Auch wer eine Tür ganz, ganz langsam öffnet, kann irgendwann hindurchgehen. Selbst Kevin Kühnert, dem Generalsekretär der konkurrierenden SPD, schwant, dass seine Partei wird nachziehen müssen, will sie auch etwas abhaben vom Wählerkuchen, der derzeit noch bei Weidel und Chrupalla im Kühlschrank steht. Bisher bleibt der Union, wenn sie regieren will, immer nur die SPD als Partner, um zu einer Mehrheit zu gelangen.

Angst bei den Immerregierenden

In den 25 Jahren seit 1998 hat die SPD so stolze 21 regiert oder mitregiert, dreimal ohne die Union, die es nur einmal ohne die SPD schaffte. Das alles ist nun bedroht, ein ganzes Zeitalter mit eingeübten Ritualen, festen Bündnissen und klaren Absprachen gerät in Gefahr. Die Leute stellten sich doch inzwischen die Frage, "ob man hier AfD wählen muss, damit man auch mal gehört wird mit seinen Problemen", hat SPD-Generalsekretär seine späte Erkenntnis zusammengefasst, wie die Bürgerinnen und Bürger da draußen den längsten Hebel nutzen, den sie haben, um eine festgebackene Phalanx aus miteinander in zahllosen Hinterzimmerabmachungen verschwippten, verschwägerten und verbündeten Parteien in Bewegung zu versetzen.


5 Kommentare:

Volker hat gesagt…

The same procedure as every year ...

1. Merz sagt erstaunliches
2. Ein Mob, der niemals CDU wählen würde, tobt vor Wut
3. Merz zieht es wieder zurück.

Jodel hat gesagt…

Da denkt man doch, dass da in den Parteien Profis mit jahrelanger Erfahrung sitzen. Was hatte Herr Merz denn gedacht, was im linken Medienblock geschehen würde, wenn er die geplante kommunale Zusammenarbeit mit der AfD bekannt geben würde? Applaus und die Einsicht, dass die kommunale Arbeit ja irgendwie auch mit einer AfD weitergehen muss?
Dies ist zwar für die Instandsetzung von Kreisstraßen, den Betrieb von Krankenhäusern und die Sanierung von Schulgebäuden nur sinnvoll und ein Gebot des Anstandes gegenüber dem Souverän, anderseits aber reicht man aber eben dem Teufel die Hand. Es war doch absolut klar, dass hier ein großes Aufheulen stattfinden würde.

Aber statt diese ein bis zwei Wochen Sturm im Wasserglas auszuhalten, knickt die CDU wieder vor der Medienmeute ein. Erbärmlich, es ist einfach nur erbärmlich.
Unsere heutigen Pseudo-Konservativen wollen immer von allen geliebt und hofiert werden. Von den Linken werden sie aber nicht einmal Toleranz erfahren, sondern immer bekämpft werden.
Denen geht es nie ums Pragmatische sondern immer um das Grundsätzliche.

Ein Franz-Josef Strauß saß jahrzehntelang fest im Sattel als Ministerpräsident, obwohl fast die gesamte deutsche Medienwelt kein gutes Haar an ihm gelassen hat. Und das zu einer Zeit, als die Presse noch eine ganz andere Macht hatte als heute. Herrn Merz müsste klar werden, dass er als evtl. konservativer Kanzler immer gegen unsere Medien ankämpfen wird müssen.

Entweder er macht also wirklich auf Merkel 2.0, wird von den Medien geliebt, riskiert eine Abspaltung der östlichen Landesverbände, fährt ein Wahlergebnis so um die 25 % ein, falls er nicht vorher von einem andern Merkelianer gestürzt wird, und koaliert dann mit SPD und oder den Grünen oder er findet sein Popöchen in der Hose, kritisiert die Regierung mal wirklich, rechnet mit der Merkelzeit ab, stutz die alten Merkelanhänger zurecht, führt die CDU wieder leicht rechts der Mitte, wir von den Medien gehasst, macht ein paar Löcher in die Brandwand, erhält 30 % der Stimmen und wird mit der AfD Kanzler.
Tertium non datur.

Wie ich Herrn Merz einschätze, wird er sich aber für keine der beiden Seiten entscheiden und das dann auch durchziehen, sondern weiter so hin und her lavieren wie bisher. Erbärmlich ist hier das passende Wort, ich sagte es schon.

Der lachende Mann hat gesagt…

Kein Asylat in Vorra!

Anonym hat gesagt…

Asylate sind die Salze der Asylsäure.

War nicht von mir - aber trotzdem gut.

Anonym hat gesagt…

@ Jodel:
Entspannen, Kamerad Volksgenosse. Es ist alles eitel Affenkomödie, daran wir uns den Brägen kaputt grübeln sollen. Od-Kraft, bei den Schlätzaugen Chi genannt, verplempern.
Was Merz oder ein anderer sagt oder nicht sagt, oder widerruft, es ist so relevant wie das Gesumm der Scheißhaufliegen.