Sonntag, 16. Juli 2023

Böser Blick am Beckenrand: Wie Augengewalt die Freibäder gefährdet

Böse Blicke galten schon im Mittelalter als gefährlich
Der böse Blick gilt in bestimmten Regionen heute bereits als krasser Ausdruck nonverbaler Gewalt.

Kein ganzes Jahrzehnt hat es gedauert von Heiko Maas` "verbaler Radikalisierung" zur "psychischen Gewalt" durch "Hassrede" bis hin zum bösen Blick als straftatauslösendem Massenphänomen. Kamen einst "vor den Taten die Worte" (Maas), reicht einer aktuellen Untersuchung des Berliner "Tagesspiegel" zufolge mittlerweile ein nonverbaler Augenkontakt: "Ein Blick in die Augen gilt als Provokation", heißt es in einer Untersuchung des noch relativ jungen Phänomenenbereiches Freibadgewalt. Nicht mehr nur "Einmann", jenes in der Vergangenheit immer wieder in großen Massen auftretende Wesen, sondern "Männer aus den großen städtischen Ballungsgebieten" seien "beteiligt" an der Herausbildung einer neuen Eskalationsstufe im Aushandeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Und "jedes Mal wieder stellt sich die Frage: Warum passiert das?"

Nur kein Warum

Seit sprachliche Phänomene wie die "inakzeptable Brutalität" und das "sinnlose Morden"  eine feine Linie zwischen akzeptabler Brutalität und zweckgebundener Morderei gezogen haben, ist allerdings klar, dass die alleinige Ursache für das weitverbreitete Erschrecken der bürgerlichen Mittelstandsgesellschaft in einem grundsätzlich gewandelten Gewaltverständnis liegt. Zu Zeiten von Dorftanz, Komasaufen auf dem nächsten Stadtrandsaal und Cliquenwirtschaft auf Parkbänken war die schnelle Schelle allgemein akzeptierte Bestandteil des Reviergebahrens. Wichtiger Teil der Etikette: Wer lag, wurde nicht weiter getreten. Zu Erbeuten gab es in der vor IPhone-Zeit wenig. Niemand hatte mehr in der Tasche als ein paar Mark und eine Schachtel Zigaretten.

Mit der Herausbildung der neuen Empfindlichkeitskultur wurde die Kampfzone dann allerdings ausgeweitet. allmählichen Rückbau der Grundrechte in einen Satz zu fassen: "Wer pöbelt, ist ein Terrorist", entschied der "Tagesspiegel" vor acht Jahren. Seitdem gelang es durch eine Vielzahl von schnell aufeinanderfolgenden Gesetzesverschärfungen, das Sagen als neues Tun zu etablieren: War es ehemals wichtig für eine vollendete Gewalttat, dass dem Opfer körperliche Gewalt angetan wurde, so reicht es heute völlig, wenn es sich Gewalt ausgesetzt fühlt, sei sie auch unsichtbarer Art. 

Die verbale Ohrfeige

Der verbal Ohrfeigende, der Unterstufenschüler, der "ich ficke deine Alte" kräht oder der Musikant, dem eine vermeintliche Sexsucht nachgesagt wird - sie sind Gewalttäter, ihre Opfer unterscheiden sich in nichts von tatsächlich geschlagenen, verprügelten oder vergewaltigten Menschen. Die nächste Stufe der Sensibilisierung leben nun die "jungen Männer" (Tagesspiegel) vor, die sich "aus kleinsten Anlässen prügeln", weil sie "oft laxer erzogen wurden als ihre Schwestern". Als Fieberthermometer der Sensibilisierung  tritt diese "gefährlichste Spezies der Welt" (Spiegel) demonstrativ empfindsam auf.

Der moderne Mann, den "niemand will", er wird zum Seismographen "in Berliner Schwimmbädern, an Silvester, aber auch andernorts, in Parks, nach Hochzeitsfeiern, auf Volksfesten und Mallorca. Ein falscher Blick, ein ausgebliebener Rempler an der Pommes-Schlange, die Vermutung, dass Augenkontakt durch eine Sonnenbrille bestanden haben könne - die in den "großen städtischen Ballungsgebieten" (Tagesspiegel) sensibilisierte Generation der Enkel von Grönemeyers Männern, die noch Muskeln hatten, furchtbar stark waren, durch "jede Wand" mussten, alles konnten und als einsame Streiter auf ihren ersten Herzinfarkt warteten, ergibt sich nicht der Versuchung, klaglos auf Zärtlichkeit, Liebe und Nähe zu verzichten. Ihre Gewalt ist ein "stummer Schrei nach Liebe" (Farin Urlaub), ihr "ständig kochendes Blut" ruft eigentlich nur nach Zärtlichkeit und Zuwendung. 


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Meute wirkt bei der Suche nach einem tragfähigen Narrativ etwas verzweifelt, genau wie beim Bemühen, Ross und Reiter nicht zu nennen. Jeder liest die Analysen und denkt: Wieder schöner Bullshit.



Ina Deter, 1983

Lief vielleicht anders als erwartet, aber trotzdem: Bitteschön.

Anonym hat gesagt…

Die Lyrics sind weg. Also:

Ich sprüh's auf jede Wand
Neue Männer braucht das Land
Ina Deter, 1983

Anonym hat gesagt…

Weiberscbutzhaftlager Uckermark. War denn alles schlecht, und verwerfenswert?