Sie waren, was keiner sehen wollte. Sie sangen, was niemand zu hören bereit war. Lange vor Oschmann und Hoyer, den beiden Akademikern, die die Ostkritik am westlichen Kolonialismus marketingfähig gemacht haben, lieferte die Band Blutiger Osten renitente Hassmusik, die Jugendliche und Kinder entlang der sprichwörtlichen "Straße der Gewalt" resilient machen sollte für ein Leben unter dem Wolfsgesetz des Kapitalismus. Die "Hass-Musiker" riefen "zu Gewalt gegen Polizisten auf", sie kündigten den demokratischen Konsens der Unterwerfung aller Einzelner unter den Willen Aller mit handgemachter Gitarrenmusik ohne jeden Anflug von Charme oder Schönheit.
Staatsamtliches Kunstgewerbe
Wo der staatsamtliche "Song"-Contest mit viel Oberfläche, überragenden technischen Fertigkeiten, Licht und Leere glänzt, lieferten die frühen Vertreter des herausgebrüllten Unwillens über Herablassung, Konsumterror und Verhöhnung ostdeutscher Wurzeln echte Wut. Die Band „KrachAkne“ aus Neuruppin schaffte es bis in die "Zeit" nach Hamburg, weil sie auf Reim genähte Zeilen wie "die Polizei, dein Freund und Helfer, knall sie ab und hilf dir selber" in eine Kulturlandschaft spukte, die sich ganz grundsätzlich von der vor 60, 50, 40 oder 30 Jahren unterscheidet.
Eigentlich sind alle ganz zufrieden mit Stand Jetzt. Eigentlich kann niemand klagen. Es gab Hilfspakete zuletzt und das Wiederaufbauprogramm "Junge, unbequeme Musik" (JuM), es läuft noch. Und sehr erfolgreich. Gerade im Bereich der Popkultur, die sich jahrzehntelang dadurch auszeichnete, dass sie mit Gewohnheiten und Autoritäten brach, gibt es dadurch inzwischen nur noch Kunstgewerbler, die ihre Werke auf Tauglichkeit für die ARD-Morgenmagazin trimmen.
Gehörte zum Erfolg bis eben noch das Aufbegehren, der juvenile Protest gegen das, was ist, so übernahm - Historiker glauben, etwa um die Jahrtausendwende - ein Rock-Beamtentum das Zepter. Die leidenschaftlichen Regierungskritiker der konservativen Jahre, heißen sie Grönemeyer, Niedecken oder Frege, sie tanzen nun bei Hofe, selbst "ahl Männer, aalglatt" (Niedecken) und bereit, laut zu schweigen, wenn es dem Tonträgerabsatz dient. Hinter ihnen, den Titanen der erfolgreichsten Pop-Generation, die Deutschland jemals gehabt haben wird, marschierte eine Legion von Abziehbildern heran, die das mit dem romantischen Rebellentum zum Start gleich wegließ.
Gefährliche Kunstzeiten
Zu gefährlich in Zeiten, in denen jeder nur darauf lauert, den anderen missverstehen zu können. Statt gegen die da oben zu rebellieren, ihr schweres Leben als Klimaopfer zu thematisieren und Lieder gegen eine alternde und zunehmend migrantischer werdende Mehrheitsgesellschaft zu singen, die sich überhaupt nicht mehr für die kleinen Betulichkeiten der gymnasialen Oberstufe interessiert, fertigt der Nachwuchs gleich Instagram-gängigen Plastikpop an, der im Geist der frühen Abba und von Baccara Belanglosigkeiten besingt, die auch vom inoffiziellen Parlamentsdichter Jan Böhmermann stammen könnten.
Das Echte lebt im Untergrund, dort, wo noch geraucht wird, wo beim Biertrinken niemand mitzählt und Hass keine Meinung, sondern ein Gefühl ist. Vorsichtshalber müssen die Künstler hier anonym bleiben wie einst der Mescalero, gäben sie sich der Öffentlichkeit über ihre Werke hinaus preis, drohten unmittelbar Verfolgung, Vermarktung und der bürgerliche Tod im "Morgenmagazin". Die Augn tragen deshalb Strumpfmasken, wenn sie über die allgegenwärtige "Wohlstandsverwahrlosung" (Die Augn) singen. "Wer den Zeigefinger nicht mag, muss den Mittelfinger ertragen", verkündet das Duo, das zumindest vorgibt, aus den weitgehend entvölkerten Steppen Ostdeutschlands zu kommen und "schmerzhaft ehrlich" zu sein.
Da reimt sich nichts
Zuzuhören und hinzusehen ist wie einer Katze beim Felllecken zu betrachten. "Alles snackable Content, selbstverständlich Reel-kompatibel", schlau gemacht in seiner ausgestellten Unfertigkeit. Die Augn-Texte sind hochartifizielle Kunstwerke, die Geschichten aus dem Alltag künftiger Klimaopfer erzählen, die ihr Schicksal noch stur verleugnen. Als "Generation Degeneration" bezeichnen sie sich selbst, offenbar Oberschüler, die sich zu verstellen wissen: "Du wirst sehen / Grauer Star" heißt das Debütalbum, das es selbstverständlich im Stream und auf Vinyl gibt.
Dass hier "Hass in die Köpfe unserer Jugend" getragen wird, wie der Brandenburger Verfassungsschutz vor Jahren im Fall der Kapelle „Blutiger Osten“ feststellen musste, ist nicht zu befürchten. Die Augn suchen nicht nach Unterstützung beim verändern der Gesellschaft, sie wollen keinen Umsturz wie Lina E., keine hübschen Melodien wie die Toten Hosen und kein gesellschaftliche Vorbildrolle, wie sie Deutschland global spielt. Der "Spiegel" hat das Augn-Album zum "Album der Woche" gekürt: So "radikal minimalistisch, brutal provokant" habe noch niemand "die bürgerliche Scheinheiligkeit des Deutschrap-Hassens und RTL-Guckens" entlarvt, vermutete Einordner Andreas Borcholte angesichts einer Hassmusik, die sich als Hörspiele tarnt.
Auch gut. Wenn schon nicht gehört, so werden sie wenigstens missverstanden.
4 Kommentare:
Ist etwa wie bei Schauspielern und sonstigen Promis: Zu politischen Themen sollten die meisten Musiker einfach mal die Fresse halten.
bin gespannt wann das zdf den bömi im Freibad verunglücken lässt .
der Wind dreht ..........
der Wind dreht ......
Das lese ich seit über zwanzig Jahren im Internet, Davor in den "Unabhängigen Nachrichten". Es ist mitnichten der Fall.
Wenn es nur das Rock-Beamtentum wäre.
Die Publizistik ist ja genauso abgerockt. Früher haben die Journalisten davon geträumt, die Regierung zu stürzen. Heute ist das Karriereziel Regierungssprecher.
Vor 30 Jahren hatte ich die linksalternative taz abonniert.
Links ist die immer noch. Aber in keinster Weise alternativ. Die müssen ganz schön krampfen, um noch linker als die SPIEGEL, ZEIT und Faz rüberzukommen. Es gelingt immer seltener.
https://pbs.twimg.com/media/FJKB3TEWQAMAuUf?format=png&name=900x900
https://pbs.twimg.com/media/FJS2_6vWYAEUyOM?format=jpg&name=large
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