Montag, 5. Juni 2023

Höchster Klickdruck: Rammsteins Ritt auf der Peniskanone

"Till the End" hat Till Lindemann einen Porno-Film genannt, mit dem er vor drei Jahren versucht hatte, die Mehrheitsgesellschaft bis an ihre Toleranzschwelle zu provozieren. Jetzt erst ist es gelungen.

Es war hohe Zeit geworden, den Umtrieben dieser Tiere nachzugehen. Dreizehn Jahre ist es her, dass die ostdeutsche Rumpelrockband Rammstein zuletzt unter Verdacht stand, ihre staatliche Spielerlaubnis widerrechtlich für eigene Zwecke zu missbrauchen. Der Versuch aber, ihr zynischen Großwerk "Liebe ist für alle da" von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien unter Meinungsfreiheitsschutz zu stellen, misslang. Die als "umstritten" und gelegentlich auch als "rechtsoffen" kritisierte Band deutete das für sich als Freibrief. Die Scharen ihrer Fans wurde immer noch größer, je mehr Kritikwellen vorüberrauschten. Ausverkaufte Tourneen. Zähneknirschende Berücksichtigung selbst in den westdeutschen Großpostillen, Platz, um den Hass triefen zu lassen, der leicht als Neid zu erkennen war.

Dumpf, teutonisch und global 

Wie kann so was, wie kann Rammstein überhaupt erfolgreich sein? Wie kann das Dumpfe, Teutonisch, wie können die Gitarrenmärsche mit preußischem Zack diese deutsche Band weltweit zu einer Marke machen? Gegen die keine Nazi-Unterstellung, keine Kunstgewerbeeinschätzung und kein angeödete Konzertkritik ankommt? Am Panzerstahl des Quintetts prallten Vorwürfe ab wie an Kanzler Olaf Scholz. Jede absurde Bühneninszenierung, jeder Videofilm zeigte Sänger Till Lindemann und seine Kollegen nur noch mehr als Formation, die sich einen Teufel um die Vorgaben einer Geschmackspolizei schert. Sondern stattdessen stellvertretend für alle, die es nicht mehr wagen, tut, was sie lustig ist. 

Lindemanns Ritt auf der Peniskanone
Ich liege hier in deinen Armen, ach, könnt es doch für immer sein, doch die Zeit kennt kein Erbarmen, schon ist der Moment vorbei", hat Lindemann auf dem letzten Album "Zeit" gereimt , das vielen Fans schon als Abschiedsgeschenk galt, weil es auch heißt "wenn unsere Zeit gekommen ist, dann ist es Zeit zu gehen". Ehe es soweit ist aber steht der Endkampf an: Punktgenau zum Start der nahezu ausverkauften Europa-Tour erhob eine glühende Anhängerin aus Nordirland Vorwürfe gegen Sänger Lindemann, ihm "zugeführt", betäubt und anschließend womöglich missbraucht worden zu sein. Obwohl "the girl that got spiked at Rammstein", wie sie sich selbst stolz nennt, es sich wenig später bereits wieder anders überlegt hatte, schlug nun die Stunde der Klickjäger: Brigaden an Frauen und Männern, in längst vergangenen Zeiten als "Mutterschüttler" bekannt, schwärmten aus, Opfer zu finden für "Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe, Einsatz von Drogen" (Spiegel).

Ritt auf der Peniskanone

Täglich "neue Details" zum Skandal, aufgewärmte Warnungen, Stimmen zum Spiel, Stellungnahmen und Kommentare. Noch halten die Veranstalter "trotz der Vorwürfe" an den Auftritten fest. Erste Fans aber haben bereits "ein schlechtes Gewissen" wegen der Peniskanone (Foto oben). Kiepenheuer&Witz, bisher der Buchverlag von Lindemann, der bisher auch als eine Art Poet galt, hat mit drei Jahren Verspätung Konsequenzen aus einem Porno-Video ("Till the End") mit dem Rock'n'Roll-Lebemann gezogen und die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung gecancelt. Wann kommt der Staatsanwalt? 

Hoffentlich nicht zu schnell. Gerade der schwüle Schwebezustand zwischen ungeheuerlichen Hinweisen auf eine bei Rammstein gelebte Branchentradition von unbedarften Mädchen und jungen Frauen, die sich hyperreichen und berühmten Rockstars hingeben wie einst Uschi Obermaier und Marianne Faithfull, hält den Kessel unter Dampf. Nach der "gespikten" Nordirin fanden sich schnell Anschlusskader, die ihre Nominierung für die besten Plätze vor der Bühne, persönliche Treffen mit Lindemann und Gratis-Tequila-Shots nun nicht mehr als Ehre und großes Glück, sondern als versuchten oder sogar vollendeten Missbrauch empfinden wollen. Die vom Band-Management vorgenommene Auswahl der Kandidatinnen für die "Row Zero", den VIP-Bereich direkt vor der Bühne, verwandelt sich in die Auslese für einen Laufhof. Die dafür verantwortliche Alena Makejeva, passenderweise eine Russin, erscheint wie eine Reinkarnation von Jeffrey Epsteins Partnerin Ghislaine Maxwell. 

Eiliger Sex in der Konzertpause

Direkt erinnern kann sich niemand an nichts, aber das in Dutzenden. Wer "in einer Konzertpause" (SZ) zu Lindemann in die Garderobe gebracht wurde, sich dort aber seinen "sexuellen Anwandlungen" entgegensetzte, habe einen wütenden Star erlebt. Allerdings nicht, weil die Zeit, in der Lindemann bei Rammstein-Konzerten nicht auf der Bühne steht, denkbar knapp ist, zumal der 60-Jährige sich auch noch dauernd umziehen muss. Sondern quasi im Vorgriff auf  Anfälle von Amnesie erlitten, Filmrisse,  bewirkt durch K.-o.-Tropfen in Drinks, ein Mittel, zu dem Lindemann Helfer offenbar greifen müssen, weil sich einfach keine jungen Frauen finden, die freiwillig mitmachen.

Das gesamte Groupie-System, bewährt, seit die Beatles vor 60 Jahren im Hamburger Starclub ihre ersten sexuellen Erfahrungen sammelten, scheint am Ende. Von Beat der 60er Jahre bis zum HipHop der 2000er war zwischen Bühnenkünstlern und Anhang immer ausgemacht, dass die unten es als Gnaden empfinden, wenn die oben sie wahrnahmen. Je näher, desto besser. Da unterschied sich die Popkultur kaum vom Kanzlerzug Willy Brandts, den Gebräuchen an John F. Kennedys Präsidentenhof oder den Sitten im "Spiegel"-Hochhaus unter Rudolf Augstein: Alte Männer ließen sich jüngere Frauen suchen, sie ließen sich von ihnen bewundern und betören, sie hatten ihr und sie waren deren Beuteschema. 

Ehen über den Tod hinweg

Aus manchem Tête-à-Tête wurde nichts, aus anderen wurde Liebe, aus wieder anderen eine Ehe, die über den Tod hinweg hielt. Jahrzehntelang begleiteten ganz normale Menschen allerlei Geschlechts ihre Idole aufs Hotelzimmer, unter die Dusche und ins Bett. Jede Frau, jeder Mann der mit in den Fahrstuhl stieg, wusste, worauf die Einladung hinausläuft hat, denn kaum ein berühmter Mann und nur wenige berühmte und angehimmelte Frauen haben ihre Briefmarkensammlungen wirklich dabei, wenn sie auf Tournee sind. Neu ist, dass nun alles rauskommt: Wie es aussieht, gibt es im Dunkel der Nacht und in der Tiefe des Adrenalin- und Drogenrausches oft kein rechtliche bindend protokolliertes "Ja" (NZZ). 

Wie so oft ist das Verhältnis zwischen steinaltem Machtmenschen und blutjunger Anhängerin asymmetrisch und von "äußerster Ungleichheit". Inzwischen aber werden die immergleichen Grenzen nicht mehr hinter verschlossenen Türen überschritten, von den einen unter Zuhilfenahme von Ruhm und Geld, von den anderen unter Nutzung der eigenen Schönheit und Jugend und beiderseits ohne nachholende Reue. Viel mehr gelten sie nun als Triebfeder eine Aufmerksamkeitsökonomie, die gar nicht anders kann, als eine die gewöhnliche Mischung Prominenz, Promiskuität und Pop nach den Maßstäben einer Moral zu anzuklagen, die nur Mittel zum Zweck ist, Klicks und traffic zu generieren.


12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Echt? Ich dachte immer, Rammstein ist schwul.

Anonym hat gesagt…

@ Kommentar 1
Bitte NIEMALSso eine Äußerung direkt vor einem Konzert!
Das müsste dann ausfallen, weil die Jungs vor Lachen am Boden liegen und nicht
mehr spielen könnten ;)

Anonym hat gesagt…

Brutalrocker flankt Süßmädchen weg !

hätt ich nicht gedacht.

( weinerlicher Sozialneid der verschwuchtelten ÖRR-Medien - die kids in usa und Europa lernen fleißig DEUTSCH weil es Rammstein gibt - und : noch viel schlimmer : Pipimädchen blasen den Oberrammstein - oh Gott wie schrecklich ungerecht ist diese Welt ! )

Anonym hat gesagt…

OT Definition von RAP @Anmerkung


Sido
Sein Künstlername stand nach eigenen Angaben zunächst für „Scheiße in dein Ohr“ (eine Zeile Sidos aus dem Royal-TS-Track Terroarr!)
Eben. q.e.d.


Ich höre gern mal einen flotten Rap, Sido hat aber noch nie annähernd ähnliches produziert.
Der ist daher ein schlechtes Beispiel - eigentlich bestehen aber ca. 95% der populären Musik aus schlechten Beispielen.

Anonym hat gesagt…

Ich höre gern mal einen flotten Rap ... Also, ich nicht.

Könnte das - nichts für ungut - das sogenannte Über-Ich (Man schneidet Kartoffeln nicht mit dem Messer!!!) sein?
Man muss an dem Zeuch wenigstens 'n büschen was finden (muss man nicht) - sonst ist man altmodischer alter Sack oder gleich Rassisist. Etwa so?

Anonym hat gesagt…

>sonst ist man altmodischer alter Sack oder gleich Rassisist.

Altmodischer alter Sack 100%, Rassist nein.

Der Mainstream-Rap ist größtenteils eine Güllepipeline der Musikindustrie und nicht wert, sich damit zu befassen.

Für den nächsten Seniorentanz:
https://www.youtube.com/watch?v=saQCzCcZLyc

Die Anmerkung hat gesagt…

https://overton-magazin.de/kommentar/kultur-kommentar/tanz-den-roger-waters/

Roberto De Lapuente

Schon mal eine Bühnenshow von Rammstein gesehen? Die Ästhetik ist runtergekühlt bis ins Unerträgliche, die Stimmen klingen nach einem faschistischen Spieß, die Bilder wirken riefensteinisch.

Anonym hat gesagt…

>die Bilder wirken riefensteinisch

Trotz dieser hemmungslosen Werbung für Riefenstein, äh nein Stahl, äh sorry also Rammstahl werde ich mich nicht dazu überwinden können, das elektronisch oder live zu konsumieren. Ich habe gar nichts gegen die Jungs bzw. gesetzten Herren, wer seinen Spaß dran hat, mein Segen.

Anonym hat gesagt…

"Räp" ist das behinderte Vorzeigekind des mainstreams.

alle machen Räp. Knackis, Hauptschulversager , sozi-Kinder, Krüppel, Medizinopfa - alle .

und : sie drücken dabei ihre Fühls aus .

"isch werd mal Räppa " sagt der Emre mit den abstehenden Ohren in die gez Kamera.

die blutjunge Journalistin findet die "Räp-Initiative" der örtlichen ekd Kirche "voll gut" .

in 2 h steht sie unter der Dusche und wird ihre hochmoderne Alarmanlage scharfschalten .

Anonym hat gesagt…

riefensteinisch und so .

und was lernt uns das mein Karl Murx ? was bedeutet das wenn sich die Loide weltweit die ach so böse Fascho-Ästhetik reinziehen ?

warum zeigt man Weltmächte in klassischer Umgebung ( us Kapitol usw usw ) , Nachzüglerdemokratien aber immer hübsch dekoriert mit Büßerarchitektur und Krüppelkunst ?

schon klar : schlomo mit abstehenden Ohren mag keinen Muschelkalk

er mag auch den Bach nicht

und auch nicht den Filzhutbomberpiloten aus Kassel

und er mag eigentlich gar nix aus D-Land.

und dann : PLOPP Singularität : Rammstein .


und ja : Lindemann hat mal dem mtv Moderator die Fresse poliert :-)

Anonym hat gesagt…

was Rammstein klar kommuniziert : die Realität ist kein Teletubbiland für höhere Töchter

Anonym hat gesagt…

Gary Larson, wenn ich mich recht erinnere:
Ach Jungs, ist das Leben nicht herrlich? Wir sitzen hier alle zusammen in praller Sonne auf einem heftig stinkenden Stück Großwildkadaver ...