Sonntag, 18. Juni 2023

De-Mail: Tod einer deutschen Innovation

De-Mail Auslaufmodell
Eine coole staatliche Kommunikationsidee: De-Mail entstand auf Anregung der EU-Kommission, wurde damals noch offen sexistisch mit diesem Auslaufmodel beworben und stirbt nun, ohne dass Brüssel Hilfe schickt.

Es ist gar nicht so viel, was Deutschland und der sprichwörtliche deutsche Erfindergeist zum Internetzeitalter beigetragen haben. Schüler VZ natürlich, Zalando nicht zu vergessen, auch der alljährliche "Safer Internet Day" und die Internet-Beschwerdestelle nebst Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin samt der Schwerpunktstaatsanwaltschaften für minderschwere Taen sind global einmalige deutsche Zutaten zur "Datenautobahn" (Helmut Kohl) Als wichtigste Innovation aber galt immer das 2011 mit dem De-Mail-Gesetz eingeführte gleichnamige Kommunikationsmittel zur "sicheren, vertraulichen und nachweisbaren" Kommunikation im Internet, eine E-Mail,mit der die Bundesregierung die EU-Dienstleistungsrichtlinie kühn in nationales Recht umsetze.

Geniale Erfindung

De-Mail war staatlich geprüft, wurde vom Bundesdatenschutzbeauftragten überwacht und durch sie konnten vertrauliche Daten in Deutschland genauso sicher über E- Mail versendet werden können wie mit der Post. Nach einer Testphase, die vor 14 Jahren mit 812 Teilnehmern in Friedrichshafen am Bodensee gestartet worden war, feierlich eingeweiht von Bundesinnenministerium und der Branchenverband Bitkom, setzte sich das neuartige System in Windeseile durch. Dass willige Nutzer des Programms sich mit ihrem Personalausweis identifizieren mussten, um dann Mails so rechtssicher zugestellt zu bekommen, dass ein versäumter Blick ins D-Mai-Postfach gleichbedeutende Rechtsfolgen hatte wie eine zerrissene gerichtliche Aufforderung zum Haftantritt, tat zumindest dem medialen Erfolg der "E-Mail made in Germany" keinerlei Abbruch. 

Die staatliche Telekom startete ihr De-Mail-Angebot mit einer großen Werbekampagane, die Aussicht, dass Firmen und Verwaltungen den Bürgern Briefe und Zahlungsaufforderungen in Zukunft elektronisch zusenden könnten, elektrisierte Magazine und Fachleute beurkundeten, dass diese Idee sich durchsetzen werde. So viele Vorteile! Die Internet-Anbieter garantieren, dass sie bestimmte Sicherheitsstandards einhalten. Die De-Mail wird verschlüsselt versandt. Und über all diese Sicherheitsstandards wacht nicht irgendwer, sondern das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Weltweit gab es kein vergleichbares, sicheres Verfahren. Auch weil kaum ein Land ein "Bürgerportal-Gesetz" vorbereitete, das es ermöglichte, dass "jeder Bürger eine De-Mail-Postfach bekommt" (Augsburger Allgemeine).

Geschenkte Gäule

Einfach so. Geschenkt von Vater Staat. Und trotzdem wollte kaum jemand eins haben. Auch nachdem das Bürgerportal-Gesetz auf Anregung der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) aus Marketinggründen in "De-Mail-Gesetz" umbenannt würden war - auch um Bürger*innen nicht auszuschließen - krankte die deutsche Innovation an Skepsis, Querdenkerei und Zweifel an ihrer Nützlichkeit. Da es kaum Behörden oder Institutionen oder gar Verwaltungen gab, die über De-Mail erreichbar gewesen wären, mieden viele den fortschrittlichen Dienst. Weil ihn so viele mieden, sahen wiederum viele Behörden, Verwaltungen und auch parteinahe Institutionen keinen Grund, selbst auf den im Bahnhof geparkten Zug aufzuspringen.

Dass noch vor dem großen Massenstart erste Überlegungen öffentlich wurden, wie hoch denn das E-Mail-Porto ausfallen könne, ohne dass auch die letzten paar Besitzer von De-Mail-Adressen die Flucht ergreifen, mag die Stimmung kaum verbessert haben. Aber so kam es ja nicht. Die teilstaatliche Telekom begnügte sich mit 2,95 Euro im Monat, bei web.de waren es auch nur 5,99 Euro zuzüglich 78 Cent für jedes E-Einschreiben. dafür durften Nutzer allerdings auch so viele De-Mails schreiben, wie sie wollten. Vorausgesetzt, sie kannten wenigstens eine De-Mail-Adressaten, der sie empfangen konnte.

Gnadenfrist für ein Auslaufmodell

Eine kühne Geschäftsidee, die zeitweise sogar als tauglich galt, in Bälde "international eingesetzt" zu werden. Dass es nicht so kam, ist den ewigen Kleinrednern und Nachrechnern zu verdanken. Zehn Jahre nach dem erfolgreichen Start bemängelte der Bundesrechnunghof, dass die von der Bundesverwaltung hatte zwischen 2016 bis 2019 versandten etwa 6.000 De-Mails Kosten von  6,5 Millionen Euro verursachten. Die Prüfer empfahlen, "De-Mail als Kommunikationsmittel für die Bundesverwaltung aufzugeben". Selbst das Ende aber dauerte noch. Erst 2022 stellten Post und Telekom ihre De-Mail-Angebote ein. Und jetzt hat auch die Bundesregierung dem "moderner Nachrichtenaustausch auf gesetzlicher Basis" den Stecker gezogen: Noch ein Jahr wird das Auslaufmodell betrieben. Dann darf auch diese einzigartige deutsche Innovation endlich sterben - Schüler- und Studi-VZ und "deutschen Internet" der Telekom hinterher..


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

de mail ist ein stasi Dienst - also gehen die Loide zu proton.

Anonym hat gesagt…

Sowas passiert eben, wenn man den Leuten die Wahl lässt. Das kommt zum Glück aus der Mode.

Die Anmerkung hat gesagt…

Was, wenn proton eine BND-Ausgründung ist? So wie Fratzenkladde oder gmail Geheimdiensterfindungen sind.

Anonym hat gesagt…

https://kohlchan.net/.media/6fd7b1b6338807acdb631f5c5024acde73478b773ead8cb07c933e91a00cc2aa.jpg

es handelt sich um ein Spätwerk des unbekannten polnischen Äkschenkünstlers .

( siehe Privatsammlung Dr. Schneider , Internist )

"holz ist" gilt als DAS richtungsweisende Werk für die moderne Kunst der auslaufenden brd.