Das Interesse an Europa sinkt selbst bei den Verfassern gewichtiger Bücher über die EU. |
Nur eine Frage der Zeit war der Zusammenbruch Russlands, nachdem die EU vor einem Jahr die härtesten Sanktionen verhängt hatte, die jemals irgendwo gegen irgendwen ausgerufen worden waren. Seitdem wurden die Strafmaßnahmen immer wieder verschärft, bei Sanktionspaket Nummer 10 ist die Gemeinschaft mittlerweile und inzwischen werden nicht mehr großflächig Zahlungsströme und Warengruppen am Weiterfließen gehindert, sondern kleinteilige Details reguliert: Auf noch elf Milliarden Euro kommt Paket Nummer 10, es verhindert etwa die Ausfuhr von Kränen und Antennen, verbietet aber nun endlich auch die Bereitstellung von Gasspeicherkapazitäten für russische Staatsangehörige, wenn auch vorerst mit Ausnahme von LNG-Anlagen.
Ein ausgesuchter Affront
Nie war die EU so wichtig wie heute, nie aber war auch die Versuchung so groß, sie für eine kleine unbedeutende Trompete im Konzert der Weltmächte zu halten. Als Ursula von der Leyen nach China flog, kam sie im Handgepäck von Emmanuel Macron. Annalena Baerbocks Ermahnungen Richtung Peking, sich doch bitte künftig an europäische Gepflogenheiten und Gebräuche zu halten, reagierte der verstockte chinesische Außenminister amüsiert. Deutschlands Finanzminister Christian Lindner durfte dann gar nicht mehr einreisen. Ein ausgesuchter Affront nicht nur für Berlin, sondern auch für die Überregierung in Brüssel.
Innerlich ist die Gemeinschaft zerrissener denn je. Nach Monaten, in denen weder die großen grünen Umbaupläne noch der Corona-Wiederaufbau recht vorankamen, mehren sich die Zweifel selbst bei den Medien, die bisher treu zur gemeinsamen Sache standen. Dass es nicht funktioniert, ist offenkundig. Herauszubekommen, woran es lag, hat Tage gedauert. Nun aber ist das Urteil gefallen. Nicht das erratische Gemenge aus Staaten, Interessen, Institutionen, Gremien, Parlamenten, Parteien und fragilen Balancen ist schuld am Niedergang des leuchtenden Beispiels für Einigkeit und Recht und Freiheit. Sondern ein "rätselhafter Riese", bei dem es sich nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung um Deutschland handelt.
Deutschlands Schuld
An dem hängt, an dessen Schwäche krankt die gesamte Staatengemeinschaft, immerhin immer noch die größte der Welt. Nach dem deutschen Selbstbild, das auch hier die Grundlage des globalen Blicks bildet, warten die Partner seit Monaten auf die deutsche Führung, das deutsche Beispiel, das deutsche Vorbild. Gern würden sie alle mitmachen, die Finnen, die Schweden, die Belgier, die Franzosen, die Italiener sowieso, aber auch die Spanier und Griechen, die Malteser nicht zu vergessen, die Portugiesen natürlich und die Iren und Dänen erst recht. Aus Berlin aber, wo sie mit Heizungstrategien, Dämmungsvorschriften und der Abwehr von Vetternwirtschaftsvorwürfen aus der eigenen Fankurve alle Hände voll zu tun haben, kommt: Nichts.
Das "mächtigste Land in der EU" (SZ) ist eine einzige Enttäuschung. "Die anderen Staaten stellen hohe Erwartungen an die Bundesregierung, wieso erfüllt die Ampelkoalition sie nicht?", fragt es in München angesichts offenkundiger Zerfallsanzeichen. Natürlich dauere es, "ein großer Europäer zu werden, auch wenn es das Amt von einem verlangt", heißt es Richtung Olaf Scholz. Aber so lange? Schon offenbaren Statistiken (oben), wie das Interesse schwindet und der Rest Vertrauen erodiert. Wo Deutschland führen will, macht niemand mit. Und wo Deutschland mitmarschieren möchte, geht keiner vornweg.
Faserland
Wohin auch? Das "beste Deutschland aller Zeiten" (Olaf Scholz), dem der Kanzlernde "neuen Wohlstand und neue Sicherheit" versprochen hatte, liegt beim Wirtschaftswachstum hinten, dafür aber bei den Steuersätzen vorn. Die Energiepreise sind hoch, die Hoffnungen auf Hilfe aus Brüssel haben sich in Enttäuschung verwandelt, überdeckt von gnädigem Vergessen. Nun ist da ein Flehen, ein Sehnen danach, dass Deutschland Europa mal endlich "revolutioniert" (Süddeutsche), gerade weil "seine Europapolitik zuletzt nicht rundlief" (Tagesschau) und einige andere Führerinnen und Führer zwar schon "ihre Visionen von Europa vorgestellt" (Tagesschau) haben. Aber was Richtiges war noch nicht dabei.
So richtig interessiert es aber auch niemanden mehr. Die Zeiten, als sich die EU-Staaten für die EU interessierten, sind ebenso vorüber wie die, in denen Leute, die noch was werden wollten, mit Ideen von der gemeinsamen EU-Armee, einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung oder gar dem Umbau der Staatengemeinschaft zu einem Gemeinschaftsstaat nach dem Vorbild der früheren Sowjetunion oder der USA das Wort redeten. Diese Vereinigten Staaten von Europa hätten bis 2025 entstehen sollen, doch sie sind heute genau so verschwunden wie die Kompanie der europäischen Glücksritter, die als sogenannte "Europapolitiker" einst dauerhafte Bildschirmpräsenz erobert hatten.
Politische C-Promis
Politische C-Promis wie Martin Schulz oder der ewige Elmar Brok verwandelten ihre Bedeutungs- wie Machtlosigkeit in eine Bekanntheit, die ihren Nachfolgern vollkommen abgeht. Von Katarina Barley bis Nicola Beer, von Viola von Cramon-Taubadel über Anna Deparnay-Grunenberg bis zu Jens Giesecke und Jens Geier und Pierrette Herzberger-Fofana - in Straßburg sitzen zu müssen, gilt nicht mehr als Aufenthalt im Warteraum der richtigen Politik. Sondern als Ende der Fahnenstange, danach kommt allenfalls noch eine Heimfahrt auf Halbmast.
Draußen im Land trifft das den Ton. Die EU, aus eigener Sicht ein gebefreudiger Vater der Völker, hat es in nur wenigen Jahrzehnten geschafft, sich den öffentlichen Ruf zuzulegen, ein nervender, kleinlicher Vormund zu sein, der auf nichts anderes Wert legt als darauf, sich selbst im Scheinwerferlicht zu sonnen, immer dicker, immer unbeweglicher, immer anmaßender ob seiner multispektralen Hilflosigkeit, die selbst in den solidarischen Schreibstuben der großen Gazetten so schmerzhaft zu spüren ist, dass von überall der Ruf nach deutscher Führung erschallt.
Als neue Siegermacht des Zweiten Weltkrieges ist Deutschland berufen, diese "Führungsrolle" (Tagesschau) anzunehmen und auszufüllen. Mit dem Hadern und Zögern muss nun Schluss sein, denn "auf jedem Schiff, ob's dampft, ob's segelt, gibt's einen, der die Sache regelt", wie er frühere deutsche Außenminister Guido Westerwelle einst philosophierte. Das kann, ein Blick auf den bedauerlichen Zustand des Restes von EU-Europa verrät es, auch diesmal nur Deutschland sein - ganz so, wie es der Hades-Plan schon immer vorgesehen hat.
7 Kommentare:
Nun ja, man kann unter Napoleons oder wessen auch immer Führung Richtung Moskau marschieren, einen äußerst eleganten Rückzug hinlegen, um bei Leipzig dann die große Entscheidungsschlacht zu schlagen ....... oder man hält sich abseits, um mit den Russen dann eine Konvention von Tauroggen anzuschließen, um eine Zukunft zu haben.
Wir haben uns auf tagesschau.de leider vertippt.
Die Bundesregierung will eine Führungsrolle in Europa einnehmen. Das Taktieren bei Waffenlieferungen an die Ukraine irritiert aber immer wieder...
Korrektur:
Die Bundesregierung will eine Führerrolle in Europa einnehmen. Das Taktieren bei Waffenlieferungen an die Ukraine irritiert aber immer wieder...
Bitte korrigieren Sie ihre Unterlagen entsprechend.
Dass eine Führerrolle nur mit ausreichenden Waffenlieferungen möglich ist, ist aber wahr.
gez
team tagesschau
OT Achse: https://www.achgut.com/artikel/klimaschutz_opfert_der_iwf_seine_goldreserven
Opfert der IWF seine Goldreserven?
Klar. Wenn die ihr Geld auf den Markt werfen kann man nochmal etwas günstiger in Gold einsteigen und seine Milliarden, die man mit Krieg, Klima und Corona gemacht hat, in krisenfestem Edelmetall anlegen. Der IWF kann sich dafür Inflationsdollar auf's Konto packen.
Immobilien und Grund & Boden statt Wackelaktien sind gut wenn die Währung kracht, aber man sollte halt auch nach Edelmetallen als Notanker diversifizieren.
Klar. Wenn die ihr Geld auf den Markt w
Lies: Klar. Wenn die ihr Gold auf den Markt w
OT Freund Danisch
Ach, dass die Katjusha-Raketen die Stalinorgel sind, wusste ich nicht.
>OT Freund Danisch
>Ach, dass die Katjusha-Raketen die Stalinorgel sind, wusste ich nicht.
Schmunzler. Kann ja nicht jeder ein Orgelexperte sein. Besser, als ahnungslos steile Thesen aufzustellen wie äh wie hieß dieser andere IT Blogger noch...
Anfrage an Sender Jerewan: Könnte eine Frau durch Analverkehr schwanger werden? -- Im Prinzip ja. Wo kämen sonst die Leser heutiger deutscher Zeitungen her.
Mit besonderer Betonung auf Saudeutsche Zeitverschwendung, Sudel, Tagessudel* und (((die Zeit))).
*Deswegen habe ich einen verhutzelten Stasi-Opa neulich in der U-Bahn als schmutzigen alten Mann geschmäht. Ein Oberarmumfang von 45 cm, ein geschmeidiger Gang und "trotzige blaue Augen" (Tacitus) machen was aus ...
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