Dienstag, 16. Mai 2023

Umarmte Blutprinzen: Meine Mörder, deine Mörder

Nach den Konsequenzen für Soyeon Schröder-Kim steht Annalena Baerbock unter Druck: Ihr Besuch bei den Blutprinzen gilt vielen Älteren, die den Fall Khashoggi noch nicht vergessen haben, als ekelhaft.

E
s war wie ein letztes Zurückzucken, ein Zögern, das auf technische Probleme geschoben wurde. Annalena Baerbock war gewarnt: Eben erst hatte Gerhard Schröders Ehefrau So-yeon Schröder-Kim ihren Job verloren, weil sie sich mit den Vertretern eines Mörder-Regimes gezeigt hatte. Und nun sollte sie, die unerbittliche Kämpferin für eine wertegetriebene Außenpolitik, die zuletzt China brüskiert und dem Volk von Benin die berühmten Bronzen vorenthalten hatte, die Hand ausstrecken und die Mörder des aufrechten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi umarmen?

Angst vor dem Aufbruch

Annalena Baerbock zögerte sichtlich. Der Flieger sei kaputt, hieß es vor dem Abflug. Zwei Stunden dachte die frühere Grünen-Vorsitzende über die Konsequenzen ihrer jüngsten Reise in Herz der Dunkelheit nach. Ist schon nach fünf Jahren genug Zeit vergangen, um so tun zu können, als habe man sich niemals empört, Sanktionen verhängt und Vergeltung geschworen für jene ruchlose, grausame Tat im Auftrag der Blutprinzen, die  Khashoggi im Konsulat seines Heimatlandes Saudi-Arabien in Istanbul durch ein 15-köpfiges Spezialteam hatten hinrichten lassen. Ein ausdrücklicher Wunsch des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, hieß es damals, der sich von dem im US-Exil lebende Reporter verfolgt gefühlt habe.

Es war ein aufsehenerregender, weil selbst für saudische Verhältnisse ungewöhnlicher Fall. Als Zweitplatzierter in der Weltrekordliste der vollstreckten Todesstrafen mordet das Regime der Blutprinzen regelmäßig Hunderte, ohne bei seinen westlichen Verbündeten und den europäischen Partnern deshalb als besonders unangenehm zu gelten. Im notorisch quengeligen, zwischen Islamismus, Antisemitismus, Armut, Hunger und Machoattitüden pendelnden arabischen Raum wirkt die Familienherrschaft der Al Sauds wie ein beruhigend strammer Preußenstaat, eine Ordnungsmacht, die tut, was nötig ist, um Ruhe zu haben. Hier mal ein Mord, dort ein paar Hinrichtungen, auch ein völkerrechtswidriger Einmarsch in einem Nachbarland ohne UN-Mandat und ein seit Jahren geführter Krieg auf dem Boden eines souveränen Staates.  

Ach, das bisschen Völkerrecht

Bei allen harten Konsequenzen, die der Mord an Khashoggi hatte, blieb die entschlossene deutsche Reaktion strikt symbolisch. Es wurden Einreisesperren gegen nachrangige Funktionäre der Blutprinzen-Monarchie verhängt. Kronprinz Mohammed bin Salman war ausdrücklich nicht betroffen - die deutsche Spitzendiplomatie achtete streng darauf, dass die nach dem Zivilisationsbruch zu ziehenden Konsequenzen keine störenden Konsequenzen haben und den Beziehungen der führenden europäischen Wertegemeinschaft zur brutalen Steinzeit-Technokratie des größten Klimakillerstaates der Welt nicht schaden. 

Doch Werte wandeln sich, gerade in Deutschland viel schneller als selbst die folgen können, die das Staatsschiff lange aus der Mitte der Elite gesteuert haben. Als Gerhard Schröder und seine Frau Soyeung Schröder-Kim am 9. Mai in der russischen Botschaft erschienen, um sich gemeinsam mit anderen geladenen Gästen bei den Russen für die "Befreiung" (Richard von Weizsäcker) vom Hitlerfaschismus zu bedanken, ahnten die beiden nicht, dass Helmut Kohl zwar eine Männerfreundschaft mit Michail Gorbatschow pflegen durfte, den Mann, der im Verlaufe seines Feldzuges in Afghanistan etwa ein bis zwei Million Menschen umbrachte, dafür aber später auch den Bambi bekam. Dass das illegale Offenhalten von informellen Gesprächskanälen zum Kreml aber natürlich sofortige arbeitsrechtliche Konsequenzen hat.

Kündigung in Deutschland-Geschwindigkeit

Die neue Moral, sie ist nicht nur doppelt, sie ist auch so schnell wie die ganze neue Deutschland-Geschwindigkeit. Schröder-Kim, angestellt bei einer Gesellschaft des Landes NRW "als Repräsentantin für Südkorea", hatte die russische Botschaft kaum verlassen, da war sie arbeitslos. Die gebürtige Südkoreanerin sei "mehrfach explizit darauf hingewiesen worden" dass es ihr als Ehefrau eines ehemaligen Kanzlers ungeachtet der Maßgaben des Grundgesetzes verboten sei, "sich öffentlich zu politischen Themen zu positionieren", erklärte eine Sprecherin des landeseigenen Unternehmens NRW.Global Business. Daran habe sich Soyeon Schröder-Kim nicht gehalten, vielmehr sei sie in der russischen Botschaft gesehen und fotografiert worden. Deshalb habe man sie mit sofortiger Wirkung freigestellt und gleichzeitig eine fristlose Kündigung ausgesprochen.

Ob es für Annalena Baerbock reichen wird, bei ihren vielfältigen Treffen mit den Khashoggi-Mördern in Dschiddah auch von Menschenrechten ganz allgemein gesprochen zu haben, steht noch nicht fest. Fotos zeigen die derzeit wieder beliebteste Grüne, wie sie das "unglaubliche Potenzial" der absoluten Monarchie für eine Klimapartnerschaft im Bereich der erneuerbaren Energien lobt, die dank der Kommandowirtschaft Saudi-Arabien den berühmten grünem Wasserstoff auf Knopfdruck produzieren und wohl auch "Windenergie" (Baerbock) für den deutschen Bedarf exportieren könnte. 

Heute schon besitzt das Reich der Blutprinzen 101 Windkraftanlage, die in den kommenden 500 Jahren so viel Strom liefern wie das kürzlich abgeschaltete Kernkraftwerk Emsland im niedersächsischen Lingen in seinem letzten Betriebsjahr. Baerbock hat vor einer Abnahmegarantie aber harte Bedingungen gestellt: Wirtschaftliche Kooperation könne aber nicht "losgelöst von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Freiheitsrechten betrachtet werden", ließ sie ihre durchweg männlichen Gesprächspartner*innen wissen.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie gemeldet wurde, war auch der Verleger der BZ bei den Russen.
Er
a) ist aber nicht mit Schröder verheiratet, muss also nicht für unkluge Partnerwahl bestraft werden
b) könnte sich höchstens selbst entlassen

https://twitter.com/aufmacher/status/1656261051019857921

Die Anmerkung hat gesagt…

OT

Ob es hülfe, Freund Danisch an die Saudis auszuleihen, damit er geläutert zurückkehrt?
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Als ob die Klimaerwärmung nicht schon schlimm genug wäre, kommt jetzt auch noch eine Klimaabkühlung dazu und macht uns zusätzlich zu schaffen.

Nächste Klimakatastrophe.

FOCUS beschreibt, dass das mit dem Klima alles noch viel schlimmer sei, weil die Waldbrände in Australien zu einer Klimaabkühlung auf der Südhalbkugel geführt habe.

Als ob wir nicht schon genug Probleme mit der Klimaerwärmung haben. Jetzt kommt noch eine Abkühlung obendrauf.

Anonym hat gesagt…

Ich fände es überaus interessant, die gesamte Geschichte des 20. Jahrhunderts noch einmal neu abzuklappern und zu untersuchen, und das mal „ganzheitlich“, das große Ganze, zu betrachten. Und sich mal die Frage zu stellen, wer da eigentlich Koch und wer Kellner war ...

Hadmut der Weise.

Wer Herrchen und wer Hundchen ist, das ist schwierig zu beantworten. Vielleicht halten sich ja beide der Beteiligten für das Herrchen.

Anonym hat gesagt…

Hinrichtungen in hinrichtungsaffinen Hinrichtungsländern findet dieser Bernd nicht so schlimm. schlimm ist : ständige "Berichterstattung" über kommende Hinrichtungen.

"wird der international völlig unbekannte Mensch Öler Güler morgen hingerichtet "

dafür bezahle ich keine gez .

wenn Bernd Hinrichtungen sehen will geht er ins darknetz und schaut sich dort Hinrichtungen im Hinrichtungsland an