Sonntag, 28. Mai 2023

Nationale Tourismusstrategie: Heim ins Reich

Mit der Rückbesinnung auf nationale Urlaubsgebiete könnte das Großprojekt Prora wieder in Fahrt kommen.

Nichts weniger als den Reiseweltmeister klimaneutral mit dem Nationalen zu versöhnen, das ist das Ziel der Nationalen Tourismusstrategie, die das Bundeskabinett bereits im vergangenen Jahr in einer stillen Urlaubswoche beschlossen hat. Niemanden außerhalb der nach zwei Corona-Jahren über jeden Funken Anerkennung der eigenen Existenz glücklichen Branche hat das seinerzeit interessiert. Nicht einmal die selbst für Grüne, die ihr Herz für das Nationale schon länger entdeckt haben, recht nationalistischen Töne trafen auf offene Ohren. Nirgendwo Kritik am fehlenden Verweis auf eine in Kürze noch zu erstellende EU-Tourismusstrategie. Kein Anprangern des demonstrativen Verzichts auf die Ankündigung eines europäischen Urlaubsgipfels.  

Heim ins Reich

Nein, der im Klimawirtschaftsministerium ausgeklügelte Plan eines nationalen Alleinganges des "Tourismusstandortes Deutschland" (BMWK) wurde von den Leitmedien nicht einmal zur Kenntnis genommen. Noch ein Plan, der nicht aufgehen wird. Noch eine große Strategie, der ein stiller Tod in einem Aktenschrank bescheiden sein werde, so urteilten die Fachredaktionen. Zum deutschen Selbstbild gehört es, zu reisen, sich den Wind fremder Länder um die Nase wehen zu lassen, fremde Kulturen kennenzulernen und der Völkerverständigung zu frönen. Könnten die Bürgerinnen und Bürger nicht her auf dem hohen moralischen Roß anderswo einreiten, wer weiß, wie die Stimmung kippen würde.  

Im politischen Berlin haben sie es allerdings ernst gemeint mit der nationalen Strategie für mehr Urlaub auf der eigenen Scholle, in den Grenzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und an den Stränden, die uns heute schon gehören. Auch weil Auslandsgäste wegen der rekordhohen Preise ausbleiben, die drohende Rücknahme der krisenbedingten Mehrwertsteuersenkung die verbliebenen Gastronomen in ihrer Existenz bedroht und die Hoteliers barmen, sie wüssten nicht mehr, wie sie die Energiekosten stemmen sollten, nimmt sich das Bundesklimawirtschaftsministerium der Zukunftsplanung für die Touristiker selbst an: Wettbewerbsfähig soll sie werden, krisenfest und nicht mehr auf Auslandsreisen angewiesen.  

Touristen als Teil der Transformation

Es geht um 124 Milliarden Euro und damit um vier Prozent der Wertschöpfung der gesamten Volkswirtschaft. Selbst für eine Bundesregierung, die täglich mit mehrstelligen Milliardenbeträgen bis hin zu Billionen jongliert, ist das kein Kleingeld. Vor allem aber geht es um natürlich um den Beitrag, den Urlauber "zu einer möglichst raschen Transformation hin zur Klimaneutralität leisten" können, wie Claudia Müller mahnt. Die inzwischen als Staatssekretärin ins Landwirtschaftsministerium gewechselte Tourismuskoordinatorin der Bundesregierung sieht überhaupt nur eine Zukunft für die Tourismusbranche, "wenn Umwelt und Klima geschützt, natürliche und kulturelle Lebensräume bewahrt, Fach- und Arbeitskräfte gebunden und Innovationen, gerade im digitalen Bereich, optimal genutzt werden".

Eckpunkte jeder Urlaubsreise der Zukunft sind deshalb auch nach dem Dafürhalten von Dieter Janecek, dem neuen Mann im Amt des Koordinators der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus, Klimaneutralität und Umwelt- und Naturschutz, zwei zentrale Schwerpunkte des Arbeitsprogramms der Bundesregierung, aber vor allem Verpflichtung für jeden Urlauber. Die Gewissensfrage ist immer die nach der Notwendigkeit einer Reise, nach Alternativen etwa im Stadtwald, am Baggersee oder auf dem eigenen Balkon. Das Vorbild ist die DDR, ein Land, desen Bürgerinnen und Bürger mehr Urlaubsreisen unternahmen als selbst die Schwestern und Brüder im wohlstandsverwöhnten Westen mit seinen offenen Grenzen.  Ohne sich dazu weiter weg bewegen zu müssen als nach Rügen oder das Vogtland.

Destination Sachsen

Beispielhaft für den neuen Tourismus des Klimawandels. Dieter Janecek jedenfalls hat zum Amtsantritt demonstrativ einer sogenannten "Destination" (Janecek) im Inland seine Aufwartung gemacht, furchtlos wagte sich der frühere jüngste Landesvorsitzende der bayerischen Grünen bis ins dunkeldeutsche Sachsen, einem Landstrich, der in sozialistischen Zeiten Jahr für Jahr Millionen Touristen zweiter Klasse anzog. 

Bei einer Rückkehr zu diesen Wurzeln helfen wird künftig eine "Nationale Plattform Zukunft des Tourismus", auf der verhandelt werden soll, ob und wie es weitergeht, welche CO2-Kontingente wem zugestanden werden können, welche Reisen als digitale Abenteuer angeboten werden und wie vielleicht lange lahmgelegte einheimische Großprojekte wie KdF-Bad im mecklenburgischen Prora neuen Schwung gewinnt. Im Moment sind bei der Umsetzung noch Verzögerungen eingetreten, ursprünglich hatten alle Akteure ihre Vernetzung bereits Anfang 2023 aufnehmen sollen. Weil es sich bei der Strategie aber um einen "lebendigen Prozess" handelt, wie es Janeceks Vorgängerin Claudia Müller mit Blick auf dass neue Deutschland-Tempo vorbeugend formulierte, bleibt es prinzipiell bei der geplanten Geschwindigkeit, nur später.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

der Reichsführer KdF, Bier und Bratwurst hat den Badeurlaub für die Volksgemeinschaft bereits vor Jahren empfohlen

Der lachende Mann hat gesagt…

Sehr erfreut, Prora wiederzusehen.