Hades-Plan: Polen wittern Morgenluft

Ginge es Europa tatsächlich so viel besser, wenn er alle 27 Staaten regieren könnte?

Er wurde geheimgehalten, mehr als 20 Jahre lang. Als dann doch etwas nach außen drang, geleakt von einem ehemaligen Stasi-Abhörexperten, reagierte niemand auf das Unerhörte. Zum  ersten Mal in der deutschen Geschichte lag ein Granatenskandal mit weltpolitischem Sprengpotential offen auf dem Tisch. Und wie später noch so oft, bei der Abhöraffäre rund um Angela Merkel, bei der Shoppingtour der Russen im SPD-Vorstand, bei Corona oder beim Terroranschlag auf die Erdgaspipelines Nord Stream I und II tat sich nichts im Blätterwald.

Plan aus dem Kanzlerbungalow

Der Hades-Plan, den ein illustrer, aber sehr, sehr kleiner Kreis von Verschwörern im September 1991 im Kanzlerbungalow in Bonn geschmiedet hatte, er blieb so tief im Dunkel verborgen, dass kaum jemand Notiz von dem penibel ausbaldowerten Programm nahm, das ausufernde Schulden in allen EU-Partnerstaaten nutzen sollte, um Deutschlands Vorherrschaft  auf dem Wertekontinent zu zementieren - mehr als ein halbes Jahrhundert nachdem der letzte Versuch, ausgeführt mit primitiven kriegerischen Mitteln, fehlgeschlagen war.

Allein die Briten waren beunruhigt, allein das perfide Albion zog Konsequenzen und trat aus Protest gegen die sich langsam zuziehende Schlinge der deutschen Allmacht aus. Alle anderen aber vertrauten weiterhin auf die Zusicherungen aus Berlin, niemand wolle deutsche Dominanz oder gar eine Vorherrschaft deutscher Politiker in der Gemeinschaft. Beteuerungen, die allein schon wegen der treuherzigen Gesichter, die sie vorbrachten, glaubhaft klangen. 

Zwar sprachen viele Indizien dafür, dass dass, was der damalige Einheitskanzler Helmut Kohl und seine Getreuen als Strategie entworfen hatten, weit über das Ende der Kohlschen Alleinherrschaft und selbst nach dem Fall des Pfälzers aus der Gnade der Geschichte hinaus weiterhin Richtschnur des Handelns der Regierungen in Berlin blieb. Doch es mangelte selbst Verschwörungstheoretikern an Belegen und an Beweisen erst recht.

Hetze aus Polen

Allerdings hat der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro kürzlich aufhorchen lassen, als er nach einer Entscheidung der EU-Kommission, mitten in Energie-, Klima- und Kriegskrise einmal mehr rechtliche Schritte gegen Polen einzuleiten, über einen vermeintlichen "deutschen Plan zur Liquidierung von EU-Mitgliedsstaaten" wetterte. Ziobro sieht im Hades-Plan ein Beispiel für deutsche Machtpolitik durch die Hintertür, die zuerst zum Vertrag von Maastricht führte, dann zur Einführung des Euro, schließlich zur großen Schuldenkrise, letztlich aber irgendwann ans Ziel: Der Eroberung Europas durch Deutschland.

Die EU-Kommission, geführt von einer tatkräftigen Deutschen aus Helmut Kohls Partei, gilt in Warschau nur als Handlager des deutschen Interesses an einem Europa, das nach der Berliner Pfeife tanzt. Allein der hartnäckige polnische Widerstand gegen die Umsetzung des Hades-Planes solle mit der Vielzahl von Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof niedergekämpft werden, die die Kommission immer wieder einreichen, weil die polnische Regierung sich strikt erneut, anzuerkennen, dass Brüsseler Kommissarsbeschlüsse rechtlich höherrangig sind als die Vorgaben der polnischen Verfassung. 

In Warschau kommen diese Versuche, die Umsetzung der umfassenden und weitreichenden Kohlschen Pläne von 1991 mit "Drohungen und Erpressungen" (Ziobro) zu beschleunigen und einen "zentralisierten Staat mit einer formellen Hauptstadt Brüssel und der eigentlichen in Berlin zu schaffen", an wie das Heulen von Alarmsirenen. Man sei, so der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Solidarna Polska, nicht bereit, "die polnische Souveränität für ein Silberstück zu verkaufen". Die polnische Regierung unter der populistischen PiS-Partei behauptet seit langem, dass Deutschland ein "Viertes Reich" - in Italien als "Quarto Reich" bekannt -  in Europa erschaffen wolle, um die Völker der Wertepartner zu unterjochen und auszubeuten.