Bis zum ersten Moment der Wahrheit widerstand Varwick den Kriegstrompeten. Abb: Kümram, Glasmalstift auf Seide, püriert |
Dieser Mann weiß genau, wie weit er gehen kann. Schon als Johannes Varwick in den Osten kam, jenes fremde, wilde Land, von dessen bizarren Sitten und Ritualen er zuvor so wenig heört hatte, machte er kein großes Geheimnis um die Rolle, die er künftig zu spielen gedachte, Die Straße, die driekt vor seinem neuen Amtssitz vorüberführte, sie müsse sofort umbenannt werden, verfügte der Professor für Politikwissenschaften, ein Bildungsbereich, aus dem Deutschland seinen nie zu sättigenden Hunger nach Pressesprecher, Fernsehmoderatoren, Abgeordnetenadjutanten, Hinterbänklern und Polititwissenschaftsprofessoren stillt.
Das Ziel war schnell erreicht
Der Forscher Emil Abderhalden, ein Mann, der im Dritten Reich Juden geschützt, Auschwitz aber nicht hatte verhindern können, galt dem Neuankömmling aus dem zivilisierten Aschaffenburg als passender Gegner, eine erste Duftmarke zu setzen: Wer wolle, dass er hier lehre, wie es sich unter demokratischer Herrschaft zu fügen schicke, müsse den alten Nazi abhängen und neue Straßenschilder anbringen. Anderenfalls werde der Ruf der Universität, sein eigener und der des gesamten Wissenschaftsstandortes leiden, denn Politikwissenschaftskolleginnen und Kollegen aus aller Welt würden sich zweifellos künftig keine andere Frage mehr stellen als die: Warum sitzt Johannes Varwick, dieser aufrechte Streite für die Demokratie und gegen die rechte Gefahr, an einer Adresse, die nach einem Forscher benannt ist, der sich ähnlich wie der amerikanische Präsident Theodor Roosevelt zu Rassenlehre und Rassenhygiene bekannte.
Varwick meinte das freilich nicht ernst. Sobald er spürte, dass der Widerstand gegen seine Idee nicht zu überwinden sein würde, begrub er seine Forderung tief in seinem Herzen. Das eigentliche Ziel war erreicht, Öffentlichkeit hergestellt, der Name Varwick ein bisschen bekannter geworden auch dafür, dass sein Träger ausschließlich kämpft, so lange er sich des Sieges sicher sein kann. Johannes Varwick tritt deshalb unbeugsam gegen die Feinde unserer Ordnung auf und er scheint fasziniert von der Idee, über eine von oben verordnete Sprache Umerziehungserfolge zu erzielen, die in der breiten Bevölkerung auch nach einer Verzwanzigfachung der Mittel für politische Bildung nicht eingetreten sind.
Stark gegen die Schwachen
Widersteht ihm dabei ein Schwächerer, kann Johannes Varwick auch anders. Einem Professor seines von der Abwicklung bedrohten Institutes, der seine Studenten aufgefordert hatte, die sogenannte Gendersprache in seinen Seminaren zu unterlassen, mahnte Varwick erst ab. Und als der widerspenstige Alt-Politologe nicht nachgab, ließ er ihn wissen: "Wir können Ihnen das Recht auf Lehre nicht verwehren, sehr wohl können wir aber die Rahmenbedingungen dafür festlegen". Deshalb werde es künftig keinerlei Ressourcen zur Unterstützung mehr geben und der Besuch seiner Lehrveranstaltungen werde nicht mehr anrechenbar sein. "Ich weiß nicht, ob Sie unter diesen Voraussetzungen noch Freude an der Lehre haben werden", schrieb Varwick, spürbar stolz auf seine humorvolle Art, einen Quertreiber in seine Schranken verwiesen zu haben.
Der Feind wich, der Gendergegner kniff den Schwanz ein. Johannes Varwick aber eilte zum nächsten Schlachtfeld. Als europäischer Stratege, der erst für einen neutralen Status der Ukraine plädiert, nach Russlands Einmarsch aber eine schnelle Niederlage der Truppen der EU- und Nato-freundlichen Regierung in Kiew vorausgesehen hatte, wurde Johannes Varwick zu einem der Gesichter der deutschen Appeasement-Politik: Kämpfen habe keinen Zweck, Waffenlieferungen verlängerten nur den Krieg, deutsche Panzer für die Ukraine seien das Gegenteil der notwendigen Entmilitarisierung des Landes, das "ohnehin verloren" sei. Varwick lag immer daneben, aber er wurde berühmt mit seinen kühnen Prognosen und schrägen Ratschlägen wie dem, doch gleich eine ukrainische Exilregierung im Ausland zu bilden.
Dauerhafter Talkshow-Gast
Dass einer wie er, der der "Zeitenwende" (Scholz) den ersehnten ersten Hauch überregionaler Bekanntheit verdankt, mitmachen muss, wenn Angst vor dem Atomkrieg, pazifistische Blütenträume, christliches Wangenmanagement und linke Russlandliebe ein "Manifest des Friedens" abfassen, war klar. Das von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer verfasste Papier, das weder in Washington noch in Moskau, nicht in Kiew, Warschau, Paris oder auch nur in Helsinki jemals gelesen werden wird, verfolgt den vordringlichen Zweck, seine Verfasser und Unterzeichner zu besseren Menschen zu erklären. Wie einst der berühmte Dritte Weg in den Kommunismus, ohne Kapital, aber auch ohne sozialistische Zwangswirtschaft, ist das "Manifest" ein Dokument der Selbstbespiegelung, keines der praktischen Politik: Wer hier unterzeichnet, zeigt den Mut, sich selbst und seine Meinung wichtiger zu nehmen als die Frage, wie sich auch der kriegerische Konflikt im Osten der Ukraine möglichst schnell so einfrieren lässt, dass er seinen größten Schrecken verliert.
Der Brückenbauer Johannes Varwick war da selbstverständlich als einer der Ersten dabei. Und nur einen geschichtlichen Wimpernschlag später nutzte er die erstbeste Gelegenheit, als Allererster nicht mehr dabei zu sein. Die Halbwertszeit einer Unterschrift wird seitdem in Varwick gemessen: Ein Varwick (VW) entspricht einer Woche, vorgegeben ist, dass wenigstens drei Begründungen zur Räumung der vorherigen Position einzureichen sind. Varwick selbst hat für seine "zurückgezogene" (Varwick) Unterschrift den Umstand genannt, dass er erst kurz vor seiner Unterzeichnung erfahren habe, dass auch Sahra Wagenknecht an Bord sei.
Lieber Atomkrieg als falsche Freunde
Nach der Veröffentlichung der wie in fortschrittlichen Kreisen üblich als sogenannte "Petition" bei Hofe eingereichten Bittschrift hätten zudem nicht nur über 500.000 Menschen den Aufruf unterschrieben, sondern darunter auch "Personen, mit denen ich nicht gemeinsam genannt werden möchte". Dass das passieren könnte, hatte sich der Wissenschaftler zuvor nicht träumen lassen. Erst im Nachhinein ging ihm auf, "dass die Schrift von Extremisten instrumentalisiert werde". Er aber werde sich mit diesen Menschen "in keiner Form und bei keiner Sache gemein machen", auch nicht, wenn es darum gehe, einen möglichen Atomkrieg zu verhindern oder auch nur das Sterben Hunderttausender unschuldiger Zivilisten zu stoppen.
Letzter Tropfen für das übergelaufene Friedensfass für Johannes Varwick: Ein Video von Schwarzer und Wagenknecht, in dem die Initiatorinnen an die Menschen draußen im Land appellieren, den gemeinsamen Aufruf zu unterzeichnen. Johannes Varwick fand "die Art der Präsentation unangemessen". Als jemand, der wegen seiner Positionen schon seit Monaten auf der Liste steht, auf der die ukrainische Regierung Personen führt, die Desinformationen und russische Propaganda-Narrative verbreiten, sei er besorgt darüber, dass das Filmchen "bei den Opfern des Krieges zurecht als Provokation empfunden werde". Im Englischen schreibt sich "Varwick" mit W und f.
Absprung vom Antikriegskarussell
Ein Absprung vom Antikriegskarussell in der ersten und allerletzten Minute zugleich. Als reuiger Sünder mit ebenso glasklaren wie beinharten und unbeugsamen Überzeugungen je nach Tageswissen wird Johannes Varwick sich nun vor Talkshow-Einladungen nicht retten können. Öffentlich und vor aller Augen wird der Friedensforscher und globale Stratege dort über seinen Umdenkungsprozess nachdenken, er wird neue Ratschläge im Gepäck haben und dem linksrechten Friedensfuror genauso energisch widersprechen wie denen, die den Krieg vor einer Fortsetzung bis zum Ende sehen.
4 Kommentare:
Ist doch ganz einfach, Heinz.. 1000 Prozent! Einen M A N N, einen wirklich guten Freund. Kein weiteres Messer zwischen den Rippen.. im Herzen.. Gewilltheit zuzuhören, behutsam, freundlich
Humor, Lachen.. Vertrauen, aber kein Messer mehr, keinen Schwanz vorm Gesicht, keine Votze im Kopf.. na eben das was alle wollen. Warum sollte sie dann weg wollen? Alles Gute
Also wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen.
(Luk 15, 7)
So wie die Ost-CDU, die sich im Dezember 1989 endlich traute zuzugeben, dass sie schon immer gegen das SED-Regime gekämpft hat.
Oder die Abrüstungspropagandisten und Wehrdienstverweigerer, die auf den rechten Weg zurückgefunden haben.
Und erst der U-Turn der Grünen. Ohne parteiinterne Diskussion, ohne Anträge, ohne Beschlüsse. Einfach so.
Aber die, welche mich nicht zum König haben wollen, die führt her und murkst sie ab vor meinen Augen.
Lukas 19.27
@ 1. Anonym:
"Hm, etwas unverständlich," rief der Vorsitzende. "Sie, Genosse, müssen etwas volkstümlicher sprechen, bitte, daß Sie die Masse auch versteht!" ...
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