Donnerstag, 23. Februar 2023

Blockbuster Armageddon II: Berliner Luft

In "Armageddon II - Berliner Luft" kämpft ein neues Starensemble gegen den Untergang der Welt.

Nummer eins war ein Kracher, der die Kinosäle sprengte und ohne Anlauf in die Filmgeschichte sprang. Unter der Regie von Michael Bay, einem Spezialisten für komplizierte Rettungsaktionen, gelang es Bruce Willis seinerzeit ganz knapp, den Untergang der Welt zu verhindern. In der Rolle eines toxisch-männlichen Ölbohrers versammelte Harry Stamper, wie der Hollywood-Star genannt wurde, eine Gruppe von Außenseitern um sich, die gegen jede Wahrscheinlichkeit ins All flogen, um einen Atomsprengkopf im Zentrum eines heranrasenden Asteroiden zu platzieren, der drohte, die Menschheit auszulöschen.

Neuauflage eines Katastrophenklassikers

Ein mitreißender Katastrophenfilm, handfest, aber ehrlich, mit eine,m Großaufgebot an Charakterdarstellern wie Ben Affleck, Steve Buscemi, Billy Bob Thornton und Liv Tyler. Beruhend auf  Analysen, die ganz genau dem damaligen Erkenntnisstand der Wissdenschaft entsprachen, zeigte das 151 Minuten lange Epos detailreich und doch ohne Schnörkel, was passieren würde, wenn sich ein Asteroid von der Größe des US-Bundesstaates Texas wirklich unaufhaltsam der Erde nähern würde und die führenden Mächte der Welt die Gelegenheit nicht nutzen, einander im Schutz der drohenden Vernichtung allen Lebens vorsorglich vorher von der Erdoberfläche zu bomben. 

Armageddon" war vom professionellen Publikum beim Filmfestival in Cannes selbstverständlich ausgelacht worden, ein sicheres Zeichen dafür, dass die Kinokassen weltweit klingeln würde. 550 Millionen US-Dollar spielte der Streifen dann ein, das "Machwerk" (Rüdiger Suchsland) war damit der kommerziell erfolgreichste Film des Jahrgangs 1998, vor Meisterwerken wie "Der Soldat James Ryan" und der frühen und aus heutiger Sicht unbeholfen wirkenden Comic-Verfilmung "Godzilla" hinter sich lassen würde. 

Länger als bei "Avatar"

Dennoch dauerte es ein Vierteljahrhundert bis zu "Armageddon II". Das ist doppelt so lange wie Fans auf die Fortsetzung des Blockbusters "Avatar" warten mussten. Dafür aber bietet der zweite Teil des Dramas nun aber allerfeinste Action und rasante Heldentaten mit Stars wie Franziska Giffey, Bettina Jarasch und Klaus Lederer (als "Ordinary Joe"). Große Ansprüche an Komplexität stellt die Handlung dabei in bewährter Weise nicht: Wieder geht es darum, das ein Team von ausgewiesenen Außenseitern von den abgelegenen Rändern der Gesellschaft auszieht, um den Planeten zu retten. 

Dass die Mehrheit der Bevölkerung das Bemühen der in einige bemerkenswerte Grenzüberschreitungen verstrickten Helden skeptisch sieht, tut der guten Unterhaltung keinen Abbruch: "Armageddon II" ist ein Drama, ein Stück weit auch eine Tragödie und in Teilen ein Lustspiel. Wenn etwa Jarasch, die in der Fortsetzung des Erfolgsfilms die Rolle der Tochter Grace von Liv Tyler übernommen hat, von einer "gute 2. Sondierungsrunde mit der CDU" spricht, bei der für die "dicken Brettern Mieter*innenschutz und  moderne Mobilitätspolitik Brücken gefunden" worden seien, dann erinnert  das deutlich an die berühmte Verfolgungsjagd auf der Ölbohrplattform, bei der Stamper Ben Afflek alias "A.J. Frost" wegen dessen Liebesbeziehung zu Grace jagt.

Wir fahren nach Berlin

Während damals etliche Häuser­blocks in New York zu Bruch gingen, haben die Produzenten den Schauplatz des zweiten Teils nach Berlin verlegt - und das nicht nur wegen der üppigen deutschen Filmförderung. Die deutsche Hauptstadt stellte sicher, dass "Armageddon II" nicht wie der erste Teil ein "dummes und rassis­ti­sches Kino der Attrak­tionen" (Thomas Willmann) geworden ist, ein Film also, der  so voller "klebrigem Natio­na­lismus" ist, dass sich Erstzuschauer seinerzeit wie "in einem Remake von Triumph des Willens" wähnten. "AII", wie Fans das Spektakel nennen, kommt ohne Explo­sionen, eins­tür­zende Häuser und umher­flie­gende Autos - ohne Autos überhaupt - aus­. Auch der im ersten Teil auftretende Russe Lev Andropov, damals schon vorsorglich vom Schweden Peter Stormare gespielt, wurde zugunsten einer größeren Überschaubarkeit des Plots gestrichen.

Den Harry Stamper, eigentlich ein typischer AfD-Wählender, spielt Lederer jetzt nicht mehr als reak­ti­onären Macho, sondern als Mann, der korrekt gendern kann und keine Angst hat, gemischtgesellige Toiletten aufzusuchen. Franziska Giffey schließlich, der Star, um den sich alles in der Neuauflage dreht, muss sich keine Sorgen um einen anstehenden Gene­ra­ti­ons­wechsel machen, sie ist beileibe kein Auslau­f­ex­em­plar, sondern die personifizierte Erneuerung: "Berliner Luft", so diesmal der Untertitel des Films, der im ersten Anlauf "Das jüngste Gerücht " hieß, verweist auf ein raffiniertes Spiel mit Klischees, gelegentlichen Kanonenschlägen und der allgegenwärtigen Kennedy-Assoziation.

Tränen für die sozialen Kanäle

Ich bin ein Berliner", hatte der damalige US-Präsident bekannt - und Berliner sind sie hier alle, die Franzosen und die inzwischen als "Muslime" bezeichneten Moslems, die von Enteignung träumenden Kommunisten und die Leute, die die Lage analysieren, aber in der Mittagspause noch einen Tippfinger frei haben, um ein paar Tränen in die soziale Kanalisation abzudrücken.  Solche hektischen Schnitte und die strenge Buntheit der Inszenierung gehören dazu, wenn es gilt, die geistige und emotio­nale Leere überzudecken.

Die Hoffnung der Filme­ma­cher leuchtet aus jeder schrägen Einstellung: Das Publikum möge sich durch das hohle Dauer­bom­bar­de­ment mit "besser werden, den Volksentscheid umsetzen und sozialen Wohnungsbau hinkriegen" (Katina Schubert, Die Linke) vorgau­keln lassen, dass der Blockbuster - benannt nach einem Bombentyp aus dem Zweiten Weltkrieg, der in Berlin der ganze Häuser­blocks ausra­dierte -  die offenbar tief­ver­wur­zelte Lust der moderner Gesell­schaft an allen nur denkbaren Szenarien der Selbst­ver­nich­tung befriedigt. 

Zu wenig Atomsprengstoff

Perfekt ist das nicht gelungen, aber nahe dran. Für den Schauplatz Berlin fehlt es der Besetzung an  multi­kul­tu­rellem Pep, so deutlich sogar, dass selbst solidarische Kritiker sich ein wenig Hetze nicht verkneifen können. Dass die Bedrohung, die über "Armageddon II" schwebt, keine aus dem All ist und nichts, das sich mit einem großen Bohrhammer und ein wenig Atomsprengstoff "ausmerzen" (Franz Müntefering) lässt, zeigt, worauf es wirklich ankommt. Eine Hymne auf das Hete­ro­gene, auf mittelalte Zugezogene, denen es vielleicht an Glaub­wür­dig­keit fehlt. Nicht aber an Chuzpe, weiter vor der Kamera zu stehen, selbst wenn nicht klar ist, ob ein Thriller, eine Fantasyschmonzette für Teenager, eine ulkige Komödie oder eine rabenschwarze Persiflage auf ideo­lo­gische Schlachtengemälde wie "Borgen", "Wie der Stahl gehörtet wurde" oder "Die grünen Teufel" gedreht werden.


Keine Kommentare: