Montag, 23. Januar 2023

Ex-Medienstar Katar: Das Verschwinden der Blutprinzen

 

Für knappe fünf Wochen galt die Lösung der Katar-Frage als Schicksalsentscheidung für Deutschland. Eine Antwort gab es nicht, aber auch das ist mittlerweile bereits wieder vergessen.

Es war eine große Zeit, einer Zeit endgültiger Entscheidungen, voll von gestellten Weichen und durchgesetzten Werten. Als die Völker der Welt Ende des vergangenen Jahres am Persischen Golf zusammenkamen, um die alte Frage neu zu beantworten, welche Nation am besten mit einem Fußball umgehen kann, erlebte Deutschland vier Wochen in einem ganz besonderen Rausch. Nicht Tore, Dribblings und tolle Siege bestimmten das mediale Selbstgespräch, sondern die Mission der jungen Sporttreibenden um Nationaltrainer Hansi Flick. Wie kann die ganze Welt nach deutschem Bilde geformt werden? Wie gelingt es, die eigene Sauberkeit bis tief in die Seele herauszustreichen, indem immer wieder auf den Dreck in den Zimmerecken der Gastgeber*innen in ihren Einmannzelten hingewiesen wird?

Katar, das unaussprechliche Böse

Vier Wochen tobte der tagtägliche Kampf gegen das unaussprechlich Böse, gegen Blutprinzen, die kalt lächelnd mit Fossilen handeln, gegen Fußballfunktionäre, die Politik draußen halten wollen aus dem Sport und zu diesem Zweck allgemeingültige westliche Werte relativieren. Katar war jeder zweite Herzschlag deutscher Medienschaffender, kein Politiker kam aus der Bütt, ohne seine Meinung gesagt, Maßnahmen angekündigt oder wenigstens aufrichtig Entsetzen geheuchelt zu haben. 

Wochenlang beschäftigte sich die frühere Fußballnation Deutschland hingebungsvoll mit der Aufrechnung von Turniertoten: Waren für die Stadien nur Hunderte gestorben oder Tausende wie Jahr für Jahr auf deutschen Straßen? Gilt die Verfassungsvorgabe, dass ein Leben so viel wert ist wie Millionen, auch im arabischen Raum? Und warum nicht?

Mutige Minister mit Binden

Der Wüstensturm ließ das Land erzittern. Mit Binden wurde geschossen, mit mutigen Ministern und Demonstrationen von Deutschlands Besten mitten auf dem Rasen, wenn auch vor ausgeschalteten Fernsehkameras. Der Emir in Doha, er schien stundenweise kurz vor der Abdankung zu stehen oder zumindest vor dem Eingeständnis, dass es so nicht weitergehen kann in der absoluten Monarchie an der Ostküste der Arabischen Halbinsel. Die Vertretung des DFB zog sich früh aus dem sportlichen Geschehen zurück, um nicht weiter mitschuldig zu werden an der brutalen Inszenierung eines fröhlichen Fußballfestes. Irgendwer wurde Weltmeister. Wichtiger aber war, wie weit die Feinde der Freiheit die europäischen Institutionen bereits unterwandert hatten: Ursula von der Leyen und sämtliche Mitglieder*innen ihrer Kommission plädierten dafür, willfährige Untertanen der Blutprinzen visafrei in die Europäische Union einreisen zu lassen.

Glücklicherweise hatte die sogenannte Katar-Frage in diesem Moment bereits alles gegeben, was sie zur Unterhaltung in Deutschland beitragen konnte. Wie sie Mitte November eingeritten waren in die hiesige Medienarena, um die Frage der Menschenrechte in einem Zwergenstaat mit 200.000 Staatsbürgern, gelegen 4.500 Kilometer Luftlinie von Deutschland entfernt, zum wichtigsten Thema einer Nation mit neuerdings 84 Millionen Bewohnern zu machen, verschwanden die Blutprinzen Mitte Dezember spurlos aus den Schlagzeilen, den nachdenklichen und aufrüttelnden Kommentaren, den Reportagesendungen im Gemeinsinnfunk und überhaupt von allen Bildschirmen und parlamentarischen Bühnen. 

Kein Wort über Thema Nummer 1

Kein Wort fällt seitdem mehr über das traurige Schicksal der armen Gastarbeiter aus Nepal und Sri-Lanka, die so froh waren, in Katar Arbeit gefunden zu haben, bis sie die ersten deutschen Lageeinschätzungen zur Kenntnis nehmen mussten. Niemand spricht mehr von den Toten, niemand erinnert mehr an den Preis, den die Menschheit an die Fifa zahlen musste, nur damit der Scheich Lionel Messi einen Kaftan umlegen konnte. Katar existiert nun wieder nicht mehr, das Minireich ist zurückgefallen in das Wahrnehmungsloch, in dem es früher schon gesessen hatte, gemeinsam mit anderen, nie genannten Staaten wie Lesotho, Eswatini, Kuba, Komoren, Salomonen und Gabun.

Es kam Weihnachten, es kamen die Silvesterunruhen und es kam Lützerath. Die Haltbarkeitsdauer der Aufregung orientierte sich  jeweils direkt an den Vorgaben der Gesetze der Mediendynamik:  Danach passt die Welt in keinen Schuhkarton, unweigerlich aber immer in 15 Minuten "Tagesschau", minus Schmunzelbeitrag am Ende, Sport und Wetter. Zugleich dürfen den Regeln nach Großerregungslagen nie gleichzeitig stattfinden, sie müssen hintereinander absolviert werden, aufgereiht wie Thälmannpioniere beim Appell: Erst das, dann dies und schließlich jenes.

Bis endlich alles drangewesen ist.

 



3 Kommentare:

Volker hat gesagt…

Wenn es nur Katar wäre. Auch die Reichsbürger mit Prinz Reuß an der Spitze sind der medialen damnatio memoriae anheimgefallen.
Aber warum nur? Warum?

Anonym hat gesagt…

In Katar ist seit Ende der WM niemand mehr, der auf Demokratie- und Menschenrechtegeschwätz einen Pfifferling gibt.

Anonym hat gesagt…

Deutschland wollte in Katar eine Duftnote der Menschlichkeit hinterlassen, scheiterte aber trotz des Einsatzes der wuchtigen Faeser. Wie eindrucksvoller agierten dagegen die Klimatisten unter Anführung der Luisa in Lützerath und Umgebung. Ihr Duft schwebt noch heute über der Gegend und veranlaßt die berichtende Klasse zu anhaltenden Reportagen:

Lützerath: Aktivisten entsetzen Anwohner – „Ganze Dörfer zugeschissen“ - DerWesten.de

Also, aufgepasst ihr Faeser, Neuer, etc.: Der Einsatz von Durchfallmitteln sorgt für Aufmerksamkeit und Interesse und nicht das Herumstehen mit Binden und zugehaltenen Mäulern.