Dienstag, 3. Januar 2023

Die Unregierbaren: Im Böllerwagen durch die Parallelwelt

Enthemmte Hauptstädter legten Berlin in der Silvesternacht beinahe in Schutt und Asche.

Tief sitzt der Schock über die Szenen aus Köln und Stuttgart, die zum Jahrgedächtnis diesmal in Berlin nachgestellt wurden. Mit allem gebotenen Respekt vor dem Rechtsstaat, denn nach bisherigen Erkenntnissen ist das 2016 vom damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas erlassene Übergiffsverbot weitgehend eingehalten worden. Statt das demokratische Gemeinwesen in einer Hauptstadt zu verhöhnen, die seit Monaten von einer unter fragwürdigen Umständen zustandegekommenen Koalition regiert wird, zogen die Partypeople im Böllerwagen durch die Parallelwelt, um Feuerwehr und Polizei anzugreifen. Ziel den jungen Aktivist*innen war es, neue Argumente für ein seit langem gefordertes bundesweite Verbot von Pyrotechnik zu liefern.

Einsatzgruppen für das Böllerverbot

Beinahe zwei Tage lang klappte das hervorragend. Wehrleiter und amtierende Berliner Regierungsdarsteller sahen keinen anderen Ausweg mehr, als das Beschießen von Staatsbeamten und Passanten mit Feuerwerkskörpern zu verbieten. Ergänzend müsse ebenfalls untersagt werden, dass Polizisten, Notsanitäter und Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes mit Steinen und Flachen beworfen werden. Parteiübergreifend scheint Konsens für eine notwendige Verschärfung der Rechtslage inklusive möglicher Strafen greifbar - wenn die Diskussion nun nicht noch aus dem Ruder läuft und es Rechten, Populisten und Teilen der extremistischen Mitte gelingt, aus der Debatte um die Gefahr von Sprengstoffen im Silvesteralltag eine um das Thema junge Männer, Männergruppen und Einzelfälle zu machen.

In einer aktuellen Handreichung hat die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin eine Reihe von hilfreichen Begriffen zusammengestellt, die als Argumentationshilfe im Umgang mit Jungemännerkritikern und Provokateuren dienen solle, die die gruppendynamischen Prozesse, die häufig unter sogenannten "Feiernden" zu beobachten sind, missbrauchen wollen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten zu schwächen, in denen er nach der bemerkenswerten Rede des Bundeskanzlers und der Silvesteransprache von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht  gerade erst zu wachsen beginnt. 

Geschehnisse, Ereignisse und Vorfälle

Statt wie in der Vergangenheit Teile der Bevölkerung darüber abstimmen zu lassen, ob über die sogenannten "Geschehnisse" oder aus "Ereignisse" beziehungsweise die "Vorfälle" berichtet werden solle, empfiehlt die BWHF einen offensiven Umgang mit der offenkundigen Gefahr durch Reichsbürger*innen und bewaffnete Senioren. Es solle jedoch nicht schon wieder von "Staatsversagen" gesprochen werden, um vom Staatsversagen abzulenken. Empfohlen wird vielmehr, "Männergruppen, die unter falschen Vorstellungen groß geworden sind" (Welt), die unmenschlichen Produktionsbedingungen bei Böllerherstellern und das Fehlen sogenannter Bodycams zur Verteidigung gegen Angreifer mit "Steinen, Stöcken und Schreckschusspistolen" (Die Zeit) zu erwähnen.

Es geht einmal mehr um "Straftaten, so widerlich wie ihre politische Instrumentierung" (Georg Restle). Die Freiheit, die eben erst als rechtes Projekt zur Unterminierung der Gemeinschaft enttarnt worden war, wird hier missbraucht, um jungen Männern und "Westasiaten", die ohne kaum etwas haben, besitzen oder  mit ihrem Leben bezwecken, das letzte Häppchen bisschen Spaß zu versagen. Die Ippensche Frankfurter Rundschau, sonst bei jedem Tanz dabei, macht das einzig richtige: Sie ignoriert die Diskussion, die der Öffentlichkeit von interessierten Kreisen aufgezwungen werden soll.

Vorsicht vor Vermummten

Dass diesen "vermummten Personen" (Taz) die "Plünderung von Einsatzwagen" als Ausdruck der Lebensfreude gelten könnte, dass das Locken von Feuerwehrleuten in Hinterhalte zu urbanen Folklore gehört und die vom Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel beobachteten "bürgerkriegsähnlichen Zustände" eigentlich helfen, die Resilienz des Gemeinwesens in der Zeitenwende zu stärken, sind Argumente, die auch nach Ansicht der Meinungsfreiheitsschutzbrigaden des Bundesblogampelamtes im mecklenburgischen Warin selbst bei denen stechen dürften, die sich im Augenblick noch schwertun mit der breiten Palette an "Partygängern", "Krawallmachern", "Jugendlichen", "Randalierenden" und "gewaltbereiten Gruppen"..

Ihre Bräuche mögen anders sein, aber deswegen sind sie nicht weniger wert. Ja, sie mögen zeitweise ein wenig über die Stränge schlagen, aber Hand aufs Herz: Es ist eine Nacht von 365. Hauptsächlich nur in einer Stadt, die eigentlich ganz andere Sorgen hat. Gelingt es, mit Hilfe der Berliner Böllerkrise ein Verbot von Feuerwerkskörpern bis hinunter in die sächsische Provinz, bis nach oben an den Oststrand und bis hinüber zum Rhein zu erlassen, ginge das Gemeinwesen gestärkt aus der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus, fadenscheinigen Schuldzuweisungen und Versuchen, die notwendige Debatte um eine Pyrotechnikverbot in eine Diskussion über die Ursachen von Alltagsgewalt als ganz normales Lebensrisiko zu verwandeln.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Belege hierfür fehlen aber"

wie ntv soeben bestätigt fehlen Belege für die von Bernd gemachten Vermutungen .

"ich habe da die Böllernden in Noigölln gesehn - aber es waren vermutlich Blockflötenkinder aus dem Achtsamkeitsseminar "

die spd bestätigt : erneut haben hochbegabte Bürgerkinder aus Mitte die Polizei mit Böllern beworfen .

Anonym hat gesagt…

Dass die Medien nicht umgehend die Mehrheitsgesellschaft oder systemisches Irgendwas als Ursache benennen, ist ein unverständliches Versagen. Ich bezahle schließlich für Propaganda, und dafür erwarte ich auch vernünftige Propaganda.

Der lachende Mann hat gesagt…

In der Straßenbahn sagte einer, in einem Staat, der für und nicht gegen seine Bürger arbeitet, hätten Flammenwerfer und MG 42 den Einsatzkräften freie Bahn geschaffen. Ich wollte ihn melden, aber als ich mein Handy aus der Tasche angelte, zog er die Notbremse und entsprang. Beifälliges Gemurmel im Waggon. Ich konnte nicht erkennen, ob wegen der Aussage des nunmehr Flüchtigen oder wegen meines Pflichtbewußtseins und stieg vorsichtshalber ebenfalls aus.

Anonym hat gesagt…

für die Ölaugen war der 31.12. ein Sieg über bösen weißen Mann - und mit freundlicher Unterstützung durch die rotrotgrüne Schickeria wird sich das Problem ausbreiten wie AIDS oder Koroner