Donnerstag, 12. Januar 2023

Die letzte Schlacht um Lützerath: Helms Klamm

Den Flecken Lützerath im Rheinland haben sich die Verächter rechtsstaatlicher Entscheidungen als Endspielort für die nächste Begegnung mit der Staatsmacht ausgesucht.

H
elms Klamm (Original: Helm's Deep) war eine befestigte Schlucht im Westen von Rohan, errichtet von den Dúnedain und bekannt als größte und stärkste Festung Rohans. Im Ringkrieg, jenem titanischen Kampf der letzten Menschen und ihrer Verbündeten gegen die Mächte der Finsternis, wurde sie zum Schauplatz der Schlacht gegen die Untoten-Armee Sarumans.Geschichte, die sich in diesen Stunden wiederholt, in denen erneut letzte Menschen verzweifelt um eine Bastion kämpfen, die auf Dauer nicht zu halten sein wird. Diesmal ist es nicht ihre eigenes Land, sondern das Fremder und es sind nicht die  Untoten, die anmarschieren.  

Die Kräfte des Lichts und der Dunkelheit

Der Rest ist ähnlich, beinahe identisch. Die Kräfte des Lichts stehen gegen die Kräfte der Dunkelheit, die engagierte Jugend gegen die professionalisierte Gewalt. Die Kameraperspektive zeigt wie die Wortwahl der Berichterstatter, wo die Sympathien liegen müssen. Die Verteidiger von Lützerath, einem 400 mal 250 Meter winzigen ehemaligen Sieben-Häuser-Weiler nahe Erkelenz in Nordrhein-Westfalen, sind besetzt als "Aktivisten", "Klimaschützer" und "Protestler". Keiner hier ist ein "Klimaterrorist", jeder Molotiov-Cocktail wird friedlich geworfen, Gewalt gegen die, die das staatliche Gewaltmonopol ausüben sollen, sind "Rangeleien", und das Vordringen der Polizei auf von Fremden besetztes Privateigentum, um dort für die Vollstreckung geltender Gerichtsbeschlüsse zu sorgen, wird beschrieben wie der Einmarsch in ein Nachbarland. 

Klar, die Polizeibeamten, die rechtsstaatlich zustandegekommene Urteile von Gerichten durchsetzen sollen, auf deren Anerkennung gelegentlich sehr viel Wert gelegt wird,  spielen hier die Rolle der niederträchtigen Angreifer, die nur Vernichtung im Sinn haben. Sie "drohen" (Spiegel) mit "unmittelbarem Zwang". Sie sind die Täter, das Böse, die Armee der Untoten.

Eine Inszenierung, die wegen ihrer Durchschaubarkeit als lächerlich abgetan werden müsste, würde sie nicht auf allen Kanälen laufen. Die Postergirls der selbstbewussten Missachtung des Rechtsstaates geben Interviews, Steinewerfer verschwinden im Kleingedruckten. Selbst die Parteigängerinnen der Truppe, die einst dabei war, ein ganzes Land zum Tagebau zu machen, treten an, um für ihren siechenden Kleinverein Honig zu saugen aus den erhofften gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Hybris, die ihnen eigen ist, erlaubt, dass sie gleich doppelt vor Ort sein können: Die bekennende Kommunistin Janine Wissler ist "parlamentarische Beobachterin", zugleich aber auch selbst Aktivistin und Protestiererin.

Vor der Schicksalsschlacht

Es gilt den Verächtern des Rechtsstaates und den Verweigerern des Respekts für die Beamten, die ihn vertreten,  wie den Medienarbeitern am Schlachtfeld als ausgemacht, dass sich auf den elf Hektar Wüstenei nicht irgendetwas, sondern das Schicksal des globalen Klima entscheidet. Die Tagebaukante, im Augenblick noch einen Kilometer entfernt, sei die Wegscheide zwischen 1,5-Grad-Klimaziel und Untergang der Welt, verkünden Schulmädchen. Klimaschutz nach eigenem Ratsschluss sei kein Verbrechen, sondern eine Notwendigkeit. Niemand dürfe Entscheidungen eines Staates respektieren, der nicht heute, hier, jetzt und sofort allumfassend anerkenne, dass ein Häuflein selbsternannter Klimakämpfer und Abenteuerlustiger beschlossen habe, dass die letzte Schlacht um die globale Klimarettung in  Lützerath geschlagen werden müsse. 

Nicht in Afrika, nicht in China. Und nicht in Indien. Dort würde es an Kameras fehlen, dort würde wenig Aufhebens gemacht und auch auf mediale Sympathie dürften die "Aktivisten" nicht hoffen. Wie die 1,5 oder gelegentlich auch zwei Grad Klimaziel nichts mehr Wissenschaft zu tun haben, sondern mit der Magie runder Zahlen, die wirksam verhindert haben, dass ein 1,723 oder auch 1,9876-Grad-Ziel überhaupt nur in Erwägung gezogen wurde, liefert Lützerath das perfekte Symbol für den letzten Widerstand bis zum nächsten Kampftag irgendwo anders, wo sich dann auch wieder alles entscheiden wird, lokal wie global.

Gut und Böse unter sich

Die Anfahrtwege sind für alle Beteiligten kurz, die Polizei agiert im Weltmaßstab gesehen äußert zivilisiert. Man ist da draußen auf dem verlorenen Land des Energiekonzerns RWE, dessen größter Anteilseigner deutsche Kommunen sind, ganz unter sich. Hier die Guten, da die Bösen, drumherum die Kameras und die wohlmeinenden Kommentatoren, die den "Kampf der Klimaaktivisten gegen den Staat" (Der Spiegel) beinahe schon liebevoll begleiten. Angst vor echtem Ärger muss auch niemand haben, selbst wenn der Widerstand mal übers Ziel hinausschießt, denn die Chance ist mittlerweile groß, dass sich ein Richter findet, der selbst einen Steinwurf auf einen Polizisten als angemessene Maßnahme zur Verteidigung der Pariser Klimaverträge anerkennt.


2 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Ich wäre für eine chinesische Lösung des Problems. Jedoch nicht jene, die die Auflösung des Protestes mit Gewalt vorsieht, sondern jene, wo man das Loch einfach um den besetzten Weiher drumherum gräbt und den Weiher stehen lässt https://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article111880630/Chinesen-bauen-Luxus-Hochhaeuser-rund-um-Grab.html

Der Gesetzgeber sollte solche Lösungen endlich rechtlich verankern.

Volker hat gesagt…

"denn die Chance ist mittlerweile groß, dass sich ein Richter findet, der selbst einen Steinwurf auf einen Polizisten als angemessene Maßnahme zur Verteidigung der Pariser Klimaverträge anerkennt."

Ich sach mal ... Seit 1933 weiß die unabhängige Richterschaft, was sich gehört.
Da lassen die durchaus auch mal mehr als einen Steinwurf als eine Art verschärfter Eulenspiegelei durchgehen.