Nicht nur vorübergehend geschlossen: Deutschland wirkt Anfang 2023 wie ein Toter auf Abruf. |
Rückzug in die Nische, Massenstreiks durch Krankschreibungen, Energiekrise und verlorenes Vertrauen in die politische Führung – es fing mit dem Brexit an, setzte sich mit Corona fort und erreichte beim Versuch, Russland über Wirtschaftssanktionen in die Knie zu zwingen, seinen vorläufigen Tiefpunkt. Deutschland beendet das Jahr 2022 als multiples Krisengebiet: Die Bahn fährt nur noch manchmal und beinahe nie nach Fahrplan. Politiker sprechen allenfalls noch über Twitter mit ihrem Volk, am liebsten dann aber darüber, wie viel Hass ihnen auf Twitter begegnet. Was eben noch wichtig war, verschwindet über Nacht aus den Medien als sei es niemals dagewesen. Neue Themen ploppen auf, die schon im ersten Moment wie Karikaturen wirken. Es interessiert ja aber auch schon lange niemanden mehr.
Verlust und Entbehrungen
Das Land wirkt an vielen Orten abgekämpft nach einem weitere Jahr, das fürchterlich begann, um von da an nur immer noch immer schlimmer zu werden. Die Menschen schauen nicht mehr zuversichtlich nach vorn, sie erwarten keine Zukunft mehr, die besser oder auch nur gut sein wird, sondern eine voller Verlust und Entbehrungen. Drei, fünf, sieben oder sogar 15 Jahre steter Angstpropaganda haben zupackende Männer und optimistische Frauen in lauter kleine Festungen verwandelt. Horch, was kommt von draußen rein, holladi, hollada, wird doch wohl nichts Gutes sein! Das Klima kippt, die nächste Welle Sonstetwas steht immer vor der Tür. Je übler die Aussichten, desto schöner die Klickzahlen. Wer nicht warnt, der wird nicht gehört. Wer nicht fordert, der bekommt nichts.
Es ist eine Endlosschleife aus Gebarme, Gemecker und Selbstaufgabe, die den Seelenzustand einer Nation bestimmt, die schon lange lieber keine mehr sein wollte. Deutschland möchte als moralische Institution verstanden werden, mehr offene Kirche als geschlossene Anstalt, ein Ort, an den man flieht, weil die Welt hier noch in Ordnung ist, zumindest, wenn man auf frühere Maßstäbe verzichten kann. Wer ausgangs des dritten Jahres inmitten der immer wieder "größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg" (Merkel, Scholz) durch die Landschaften reist, die weitgehend immer noch so aussehen wie damals, in der lange zurückliegenden Normalzeit, sieht sterbende Dörfer, wie leergefegte Kleinstädte und Gemeinschaften, die sich auf sich selbst zurückgezogen haben.
Zusammenhalt statt Solidarität
Der "Zusammenhalt", den die Redenschreiber des Bundeskanzlers als Nachfolger der ausgeweideten, überstrapazierten und deshalb kontraproduktiven "Solidarität" als neue zentrale Bedeutungsformel in die nächste Runde bestellt haben, hier draußen ist er immer noch so lebendig, wie er es immer war. Was in den Palästen der Macht und den Trutzburgen der Mediokratie verhandelt und beschlossen wird, interessiert hier wenig, wo Menschen schon immer versucht haben, staatlicher Gewalt wie Boxer durch Mitgehen die Kraft zu nehmen.
Es sind wenige, die sich von den großen Fragen das eigene Schicksal bestimmen lassen, viel mehr scheren sich kaum noch um die jeweils aktuellen Direktiven, die Wahrheiten der Woche und die großen Vorhaben, die jenseits der Jahrhundertmitte umgesetzt worden sein sollen durch Leute, die heute nicht sagen können, wie ein Gesetz nächste Woche aussehen wird, das sie vergangene Woche beschlossen haben. Die Klimaziele nach 2030 fest im Blick, verschwimmt die Nahsicht. Der Kurs ist richtig, weil er wahr ist.
Zwischen Überdruss und Müdigkeit
Zwischen Überdruss und Müdigkeit rollt der Staatskarren antriebslos dahin, den Berg herunter, dem Abgrund zu. Die Aufbruchsstimmung, die die selbsternannte Fortschrittskoalition in Berlin hatte erzeugen wollen, sie hat weder Aufbruch zustandegebracht noch die Stimmung verbessert. Der Lahme kann sehen, der Blinde ist allerdings König, weil er nichts weiß, macht ihn nichts heiß. Mitzuwirken an der politischen Willensbildung, das hat er zuletzt versucht, indem er montags "gleichzeitig an verschiedenen Orten" (Nancy Faeser) um die Häuser zog. Sein Erfolg war es, dass die Entlastungsversprechen nach zwölf langen Monaten in bare Münze verwandelten. Sein Misserfolg liegt darin, dass das geschah, um einen "heißen Herbst" (Linkspartei) zu verhindern. Und dass es sehr gut funktioniert hat.
Da draußen preppern sie nun alle. Nicht soweit ein Sachse einen zehn Meter langen Eichenstamm werfen kann, trauen der Thüringer, der Franke, der Niedersache und der Mecklenburger dem, was in Berlin an Zusicherungen produziert wird. Kein Blackout. Kein Notstand. Die Rente ist sicher. Vor dem Haus stapelt sich das Holz, in den Vorratskammern die Dosennahrung. Die Teelichtbewegung setzt auf Solaranlagen, in den Garagen stehen Benzinkanister für die letzten Tage. Oft sind bereits Verabredungen mit Freunden getroffen, wer wo bei wem unterkriecht.
Unter dem Deckmantel demonstrativer Apathie
Feindselige Handlungen, unter dem Deckmantel demonstrativer Apathie. Das Ehrenamt ist ein Vollzeitjob, die rituell beschworene "Zivilgesellschaft" hat sich in ein Biotop zurückgezogen, dass ausschließlich in beschwörenden Kommentaren der Leitmedien existiert. Draußen in der freien Natur geht das Leben seinen Gang, auf eingeschlafenen Füßen wankt das Land in eine Zukunft, die von Klima- und Gerechtigkeitszielen, von EU-Richtlinien und globalen Plänen normiert wird. Das Heute ist zum Vorhof einer Hölle aus Verboten, Verschärfungen und dem Abbau von Freiheitsrechten geworden.
Die Lage der Nation, sie ist unbemerkt tatsächlich eingetreten. Unfähig, sich mit gesellschaftlichen Veränderungen auseinanderzusetzen, die unübersehbar sind, fokussiert sich die Imitation gesellschaftlicher Dynamik auf Abwehrgesten gegen Kinkerlitzchen und das Beschwören einstiger Größe und verlorener Kraft. Ein neues Jahr, 354 funkelnagelneue, noch vollkommen unbenutzte Tage, einladend leer zum Ausmalen mit allen Farben, sie werden nurmehr begrüßt wie eine Haftverlängerung. Wird es nur schlimm? Oder wird es noch schlimmer? 2023 hat angefangen, es ging gleich gut los. Und zu Ende ist es noch lange nicht.
2 Kommentare:
Rückzug in die Nische, verlorenes Vertrauen in die politische Führung. Das ist bei mir schon
Mitte der 90-ziger eingetreten. Mit der Einführung von Leiharbeit und dem massenhaften Lohnbetrug,
der ausser den Betroffenen keinen interessierte. In den Medien damals total ignoriert. Ich habe
nie geglaubt, das es mal wieder besser werden würde. Das ist es ja auch nicht.
Ich habe
nie geglaubt, das es mal wieder besser werden würde.
Wie sollte es denn auch.
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