Allen Lesern, Lobern und Hassern einen guten Rutsch.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, für Zuspruch, Kritik, Hinweise und Hilfe.
Ihnen allen alles Gute für die nächste größte Krise seit.
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Ihnen allen alles Gute für die nächste größte Krise seit.
Es war schließlich eine Zeitenwende, wie sie niemand vorhersehen konnte. "Klebebilder", für frühere Generationen etwas, das sich aus Schokoladentafeln oder Kaugummipackungen nehmen und in Sammelordner streicheln ließ, veränderten sich in einem Maße, als habe der Papst verkündet, Buddhist werden zu wollen. Klebebilder, das waren nun Aufnahmen von jungen oder sich für jung haltenden Menschen in Warnwesten aus Qualherstellung in Bangladesh, die sich mit Hilfe von hochkomplexen chemischen Verbindungen auf Erdölbasis auf Straßen klebten, um das Klima durch den sofortigen Erlass eines Gesetzes zum "Essenretten" zu retten. Über sich reden wollten sie auch noch lassen, was die Einführung eines Billigfahrscheines für die Bahn anbelangt, die nie kommt und wenn, dann zu spät.
Das Jahr, in dem die Satire die Wirklichkeit überholte, es liegt schon länger zurück. Es wurde seitdem immer düsterer ringsum, die Straßen leerten sich, die Taliban des einen Denkens, das allein richtig sei, erlangten die Deutungshoheit über alles und nahezu jeden. Sie konnten erzählen, was sie wollten, es konnte Unsinn sein oder gänzlich verrückt, in Erwartung eines kommenden Erlösers hing die Mediennation an ihren Lippen. Wer erinnert sich nicht noch gern Martin Schulz, den die Rolle zuerst zugedacht war? Ein Männlein, dem in Sachsen die Bezeichnung "Wicht" hinterhergeflüstert wurde. Schulz war die Probe aufs Exempel: Lässt sich behauptete Wirklichkeit von der Realität lösen? Und wenn ja, wie weit?
Es geht, und es geht sehr, sehr gut. Mit dem Start der Corona-Jahre blieb vieles zurück, was bis dahin als zivilisatorische Errungenschaft galt. Dafür hielten Schwarz und Weiß Einzug, Glaube und Verdammung. Jeder musste Team dies oder Team das sein und wer nicht hört, muss fühlen. Dass konservative Kräfte, Hetzer, Hasser und Zweifler sich nach dem "Gestern als gelobtem Land" (PPQ) sehnen würden, war aus den Festsälen der Demokratie zu sehen. Es würde nicht einfach werden, den aufgehobenen Ausnahmezustand zu verlängern, wenn alles vorüber ist, selbst hier nicht, in einem Land, das tut, was man ihm sagt.
Dann aber kam der Krieg und das Erschrecken und die Verkündung der Zeitenwende, der engen Gürtel, des Zusammenstehens und der Rettungsversprechen. 2022, das Jahr, dem wenig zugetraut worden war, weil es nichts weiter hätte sein sollen als die Weiche zwischen Pandemienotstand und Klimarettungsregime, entpuppte sich als veritable Überraschung. Die Roten riefen zu den Waffen, die Grünen machten in Braunkohle, die Gelben griffen in die Kassen, als sei da noch etwas herauszuholen. Man bekämpfte die Inflation, die es eben noch gar nicht gegeben hatte, durch Geldausgeben und Preistreiberei. Man freute sich über die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten, aber ganz still. Man kaufte Panzer, Flugzeuge, LNG-Terminals und arabische Scheichs ein und beschwor das Durchhalten auch bei bitterer Kälte.
Alles wird gut, denn schlimmer kann es nicht werden. Trotzdem zeigt der Rückblick auf die letzten zwölf Monate eine imponierende Systematik inmitten dessen, was im Alltag als Kakophonie aus Größenwahn, Anmaßung, Selbsthass und religiöser Verblendung wahrgenommen wird. Ist das nicht typisch deutsch, so ist es doch hier in seiner reinsten Form zu beobachten.
JANUAR: Es ist der letzte Monat, in dem die Bedrohung von Demokratie und nationaler Sicherheit noch von innen kommt. Unmittelbar nach den neuen, erneut sehr klugen Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz, die wie in alten Merkel-Zeiten als Notstandsparlament und Überregierung funktioniert, finden sie statt, die illegal aus DDR-Zeiten herüberkopierten Montagsdemos, bei denen Nazis und Kleinbürger, Querdenker und Impfgängster, Väter, Mütter und als Schutzschild mitgeführte Kleinkinder auf den Straßen und Plätzen des Landes für ihre angeblich so kostbaren und angeblich so bedrohten "Grundrechte" demonstrieren. Um über ihre wahren Absichten hinwegzutäuschen, verhalten sie sich friedlich, doch die Zeiten der Nachsicht sind vorüber. Jeder dürfe alles sagen, aber dazu müsse er sich nicht gleichzeitig an verschiedenen Orten versammeln, verkündet die Innenministerin. Das geht auch daheim, das geht auch, ohne dass man seine Ansichten an die groß0e Glocke hängt.
Der Kanzler stellt eine neue Impfkampagne vor, die mit Plakaten gegen die Pandemie anspritzen soll. Für alles, was bis dahin nicht gut gelaufen ist, findet der "Spiegel" eine Entschuldigung organischer Natur. Scholzens früherer Konkurrent Armin Laschet findet eine Anschlussverwendung als einer von 20 Vizestellvertretern im Europarat. Am Vorabend des Krieges muss sich Nation wenigstens um den beliebten Rheinländer keine Sorgen mehr machen, ebenso von der Warteliste sind Yasmin Fahimi und Andrea Nahles, Karl Lauterbach regiert sein Reich der Fantasien, Katrin Göring-Eckhardt sucht einen Parlamentspoeten, das Bundesimpfziel wird weit verfehlt, aber erreicht. Das fängt alles sehr gut an.
FEBRUAR: Auf einmal ist er da, der "erste Krieg in Europa seit", wie es die EU gern nennt, die bei ihrer Zählung immer darauf bedacht ist, alle anderen Kriege in Europa seit außen vorzulassen. Die "Fortschrittskoalition", die sich eigentlich hatte über vier Jahre hinweg ausgiebig dem Umbau des Landes und der Umerziehung seiner Bürger hatte widmen wollen, ist auf einmal zum Regieren gezwungen. Schlafen gegangen in der Illusion, seine Träume von Energieausstieg, Klimarettung und Kulturrevolution verwirklichen zu können, erwacht man in einer Realität, von der im Wahlkampf nie die Rede gewesen war. Der Schock ist an den ersten Reaktionen abzulesen: Strategie- und konzeptlos werden Schieber zugeschoben, Regler heruntergedreht und Vorhersagen wie die gemacht, dass Russland schon in Kürze pleite sein und seine Angriffe einstellen müsse. Die Leichtmatrosen auf der Brücke rufen "die härtesten Sanktionen aller Zeiten" (Scholz) aus, die in den folgenden Monaten noch sieben oder zwölfmal verschärft werden werden.
Die "Letzte Generation" hat am Tag des Kriegsausbruchs ihren ersten richtig großen Auftritt, als ein Häuflein ihrer Mitglieder in Berlin ein Haus mit Essen bewirft. Die Linksjugend fordert, sich Russland sofort zu ergeben, der Finanzminister beginnt mit dem Versprechen, bald erste Entlastungsversprechen prüfen zu wollen. Am 24. Februar endet in Deutschland offiziell die Corona-Pandemie: Zum ersten Mal seit März 2020 berichtet die amtliche "Tagesschau" nicht über Inzidenzzahlen, Impferfolge und Sterbestatistiken. In den folgenden Wochen bleibt es dabei. Es ist wirklich vorbei.
MÄRZ: "Mehr Fortschritt" hatten sie "wagen" (Willy Brandt) wollen, für "Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit", die neuen Leute auf den Regierungsbänken. Aber wusch, schon mitten in den Flitterwochen kam die Wirklichkeit zu Besuch: Der Krieg, dieser brutale Erzieher, verwandelte die Schicksalsfragen von eben über Nacht in Marginalien. Klimarettung, Impfpflicht, Chancengerechtigkeit, Gendersprache, alles, was die Nation "gespalten" (Der Spiegel) hatte, es erschien mit einem Male belanglos zu sein. Wochen, wenn nicht sogar Monate wird es dauern, bis die Mediengesellschaft aus diesem Loch heraus und zurück zu alter Form findet. Im März aber ist alles möglich: Flugzeuge kaufen, die Artenvielfalt europaweit pausieren lassen, Appelle an den nationalen Durchhaltewillen und statt des Kniefalls von Warschau der Hofknicks von Doha, wo der grüne Klimaminister um fossiles Erdgas betteln muss.
Nicht alle Tabus fallen. Selbst Erdgas zu fördern, das kommt weiterhin nicht infrage. Auch der Klimakampf muss weitergehen bis zum Endsieg über die Temperaturen. Dafür wird das "Z" verboten, irgendetwas muss man ja machen, wenn man schon keine "Schwerewaffen" (Baerbock) liefern kann. 5.000 Helme tun es auch und im Windschatten des Streit darüber, ob das wirklich reichen wird, schraubt die EU an Chatkontrolle, Aufhebung der Privatsphäre und Übergabe der Gesamtverantwortung nach Übersee.
APRIL: Es ist ein ganz starkes Zeichen gegen den Krieg, gegen Putin, verweigerte Schwerewaffenlieferugen und die Uneinigkeit des Westens bei der Sicherung von gemeinsamen Einkaufskontingenten an Freiheitsgas in der arabischen Welt, als Bundesinnenministerin Nancy Faeser 72 nach dem Erlass der „Anordnung über die deutschen Flaggen“ (FlaggAO) Erlaubnis erteilt, künftig neben der Bundesdienstflagge und der Europaflagge auch die sogenannte Regenbogenflagge an Verwaltungsgebäuden zu hissen. Die Welt schaut für einen Moment auf dieses Land, diese Stadt, diesen Mut, diese stolze Armee. Deutschland schickt Geparden an die Ostfront, leichte Schwerewaffen und gegendert. Deutschland diskutiert engagiert den sofortigen Ausstieg aus russischem Öl, russischem Gas und russischem Diesel. Die Letzte Generation dreht Pipelineventile zu, sympathisch. Stillstand? Können wir. Die Preise steigen, die Staatsbank gewinnt. Patrick Lindner, der Finanzminister, tritt nur noch mit fiebrig glänzenden Augen auf. Der Euro sackt stabil nach unten weg, der BFC Bayern wird wie immer Meister. Aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) kommen neue Vokabeln wie "Ringtausch".
Auf den billigen Plätzen stirbt die zur "Linkspartei" umbenannte SED einen stillen, unbeachteten Tod, weil die lange Zeit für vernünftig gehaltene Entspannungspolitik sich als fataler Irrweg herausgestellt hat. Anführer müssen jetzt auch Krieger sein, Krieger wie Olaf Scholz und Ursula von der Leyen und Christine Lambrecht, schmutzig, aber entschlossen, ungeduscht, aber siegesgewiss.
MAI: Zeitenwende. Gerade noch hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm versprochen, die Brücke vom fossilen ins runderneuerbare Zeitalter aus Gas bauen zu wollen. Nun aber wird schon weitergedacht, denn wenn nicht jetzt, wo alle woandershin schauen, wann denn dann? Den Rückbau der Gasnetze jetzt anzugehen, schlägt Klimawirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen den Netzbetreibern vor - ungleich weniger beachtet als die Pipelineanschläge der Letzten Generation. Doch es wird warm in Deutschland, der erste Kriegssommer verspricht noch einmal schön zu werden. Der Kanzler fliegt nach N*ger, in ein Land, dessen Name in Deutschland nicht ausgesprochen werden darf. Wieso dorthin und nicht nach Peking, nach Washington, Mexiko oder Schweden, niemand weiß es, vermutlich werden Benin-Bronzen übergeben oder es wird den knapp 200 deutsche Soldat*innen, die das bitterarme Land, viermal so groß wie Deutschland, im Rahmen der "Mission Gazelle" seit 2018 gegen den Terror der IS schützen, auf die Schultern geklopft.
Erfolgreich. Der Mai bringt diesmal kein Bilderberg-Treffen, es ist wohl alles gesagt, durchgeplant und abgesprochen. Nicht mehr geredet wird auch über das "Klimageld", das die Fortschrittskoalition versprochen hatte, dafür werden die Zügel bei der Meinungsfreiheit angezogen. Um die Trümmertruppe Bundeswehr fit zu machen für die Landesverteidigung weit über N*ger und Mali hinaus, denkt sich Olaf Scholz abends daheim ein Sondervermögen aus. Es wird nicht das letzte bleiben, denn bis hin zum Mieter*innengehalt, das je nach Zahlungsaufgabe ausfällt, haben sie noch viel vor in Berlin.
JUNI: Beim G7-Gipfel sind die Herrenmenschen unter sich. Keine Frau mehr, nirgendwo. Merkel ist im Ruhestand, Ursula von der Leyen darf wieder nur auf einem Sofa Platz nehmen, das diesmal sogar im Vorzimmer steht. Es gibt hier schon keine Masken mehr, keinen Abstand, dafür jede Menge einreihiger Anzüge und nur ein Thema: Wie bezwingt man den Russen. Die Welt, sie dreht sich zurück, sie wird, wie sie James Brown in seinem gleichnamigen Hit von 1966 beschrieben hat, zu einer "Man's World", einem Ort der Eingeschlechtlichkeit, der keine Diversität und keine Vielfalt kennt, nur einen Feind. Deutschland bekämpft ihn mit seinen eigenen Waffen: Es ist das Jahr der Signale, der Symbole und Zeichen, nichts bedeutet oder bewirkt etwas, aber es füllt Spalten und TV-Talkshows. Mehr kann niemand wollen, dem es vor allem darauf ankommt, dass nicht über das gesprochen wird, was von Bedeutung wäre.
Olaf Scholz ist jetzt schon die bessere Merkel, weil er noch weniger spricht. Und die Ampel ist eine viel hübschere große Koalition, weil sie ganz und gar symbolisch wirkt und sich zu allen doch noch notwendigen Entscheidungen von der normativen Kraft des Faktischen tragen lässt. Dann eben kein Braunkohleausstieg, der aber doch weitergilt, nur späterwann. Dafür noch einen Moment lang raus dem Atom zum Jahresende wegen Fukushima. Auch das wird noch kippen, aber so langsam wie ein Berg, der eines morgens woanders liegt. Bis dahin wird gerettet, dass es kracht, und wer noch nicht gerettet ist, der bekommt bald ein Neun-Euro-Ticket. Geht doch.
JULI: Olaf Scholz selbst gelingt eine Pioniertat. Zum Endspiel einer WM der "Frauenfußballerinnen" (ZDF) "fährt" (Kanzleramt) der Kanzler nach London, über Nacht. Die Einzelheiten bleiben geheim, doch die "Reise" (Kanzleramt) ähnelt vom Ablauf her der des Phileas Fogg: Kaum ist der Kanzler fort, ist er schon wieder zurück, obwohl in der Zwischenzeit gar keine Züge nach London gefahren sind. ÖPNV kann so viel! Die ersten machen schon das Licht, weil es noch lange hell ist, die EU zahlt ihren Mitarbeitern einen vollen Inflationsausgleich, der Kanzler empfiehlt für die Heimatfront allerdings eher einen "Pakt", zum gemeinsamen Verzicht. Es geht doch, wenn man nur will wie verschiedene Ministerpräsidenten im Selbstversuch beweisen: Wer zwei Minuten duscht statt elf, der spart 80 Prozent Energie, wer eine Minute duscht statt 100, der spart sogar 99 Prozent. Um den stählernen Sparwillen der Massen zu stärken, beschließt der Klimaminister Zimmerdurchgänge in allen Haushalten, bei denen Fachexperten der Gasinnung die Heizkörper amtliche entlüften werden. Zudem wird eine Gaspreisentlastungsumlage verkündet. Damit die Preise nicht weiter steigen, sollen sie erhöht werden, damit mit den Mehreinnahmen preissenkende Maßnahmen finanziert werden können.
Stößchen, heißt es derweil an der Ostfront Ostflanke, überhaupt ist alles wieder nicht so schlimm gekommen wie man dachte. Die Krise als Chance betrachtend, sieht Olaf Scholz nun die Möglichkeit, ohne "rote Linien" zu regieren. Watt mutt, dat mutt, und dann wird es auch gemacht, jedenfalls wenn die EU nach Monaten der sorgfältigen Prüfung zugestimmt hat, dass Deutschland die Reste seiner staatlichen Souveränität nicht schon wieder übel missbraucht. Deutschland schützt sich und das Klima, nicht nur hierzulande, am Brennpunkt der Heißzeit. Deutschland entfaltet Rettungsschirme und es hat Wissenschaftler, die angesichts der Milliarden, die wie von Zauberhand aus den Geldbörsen der Bürger verschwinden, tröstende Worte finden: Das Geld ist nicht weg, es hat jetzt nur ein anderer.
AUGUST: Ein letzter Tanz auf dem Vulkan, auf schmelzenden Gletschern und austrocknenden Flüssen. Die Letzte Generation beginnt mit flächendeckendem Stauterror, die ersten Preise für Premiumwaren sinken bereits wieder. Der Krieg, er rückt in den Hintergrund wie alle anderen Kriege es vor ihm schon taten. Es gibt keinerlei Frontberichterstattung, keine Bilder von Gefechten, keine großen Bewegungsschlachten wie 80 Jahre zuvor. Warum also noch dorthin schauen? Lieber spricht Deutschland über Winnetou und der Kanzlernde richtet seinen Blick in einer ferne Zukunft, wenn die ganze Welt EU-Mitglied geworden ist. Der Euro erreicht parallel den niedrigsten Tauschwert seiner kurzen Geschichte, die emsig umherfliegenden Klimaschützer aber ruhen in sich. Wo sie sich unbeobachtet fühlen, um geben nur von Vertrauten, Freunden und gleichgesinnten Journalisten, lassen sie die Masken fallen, nicht einmal im Glauben, sie seien etwas Besseres, sondern in der festen Gewissheit.
Für den Pöbel ist die Gefolgschaft gemacht, er hat zu spuren. Mit Blick auf den Winter werden die Regeln neu geschrieben. Es wird wegreformiert, was Generationen von Arbeitern und Angestellten seit Bismarck erkämpft hatten. Einen Federstrich, mehr braucht es nicht, weil immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass vieles bisher sicher nicht falsch war, denn es war richtig. Allerdings ist nun das Gegenteil noch richtiger. Wer meckert, ist "bescheuert" (Der Spiegel), wer jammert oder sich beklagt, hat einfach noch nicht verstanden.
SEPTEMBER: Langsam, ganz langsam entwickeln die Sanktionen "maximale Wirkung" (Ursula von der Leyen) . Bang richtet sich der Blick auf den Winter, der "Blackout" wird beschworen, ein Trommelfeuer aus Sparappellen geht nieder. Es kommen Zweifel auf, ob der Energieausstieg wirklich eine gute Idee gewesen ist und wer für das alles verantwortlich gewesen sein wird. Die Putinflation steigt auf stabil 10 Prozent, die EZB, die, so lange sie existiert, viele Inflationsziele hatte, aber so wenige davon erreicht hat dass verglichen damit selbst deutsche Klimaziele punktgenau getroffen wurden, dreht an der "Zinsschraube" (DPA), kauft aber parallel weiterhin bei ihren Eigentümern ein, um die flüssig zu halten. Es sind die letzten Tage der deutschen Menschheit angebrochen, heißt es auf den Straßen, die von der Letzten Generation klebenderweise blockiert werden. Fußbodenpumpe, Wärmeheizung und Elektromobilität geraten durch die hohen Strompreise in Gefahr, nach dem Auslaufen von Spritrabatt und Neun-Euro-Ticket wird gerade auch niemand gerettet.
Wenigstens werden die Prepper rehabilitiert, die das alles schon immer gewusst haben wollen. Ihre unsolidarische Vorratswirtschaft ist nun Staatspolitik, jeder soll, jeder muss an sich selbst denken, auch wenn der Fall der Fälle so unwahrscheinlich ist wieder Ausbruch eines Krieges mitten in Europa es in den Jahren war, in denen die EU - nach Abzug aller kriegerischen Auseinandersetzungen, in die verwickelt war und ist - Jahrzehnte des Friedens garantiert hatte. In Afrika, wo alle Fluchtursachen insoweit beseitigt sind, dass keine Rede mehr von ihnen sein muss, wächst die Hoffnung: Die ARD berichtet von einem Erfinder, der einen energieerzeugenden Strahlenfernseher entwickelt hat. Deutscher Erfindergeist setzt auf das Kirschkernkissen als Großspeicher für die kalte Jahreszeit, eine bekannte Technologie, die wie die kleinen elektrischen Speicher nur noch großtechnisch ausgerollt werden muss.
OKTOBER: Trotz Zeitenwende - die versprochene Einheitszeit für ganz EU-Europa kommt wieder nicht. Zuwenig Kraft hat die Gemeinschaft, zu viele Quertreiber und Egoisten sind unter ihrem Dach versammelt. Einigen kann man sich auf Völkermord und neue, ehrgeizige Ausstiegspläne. Diesmal ist der Verbrenner dran, so haben es die "EU-Entscheider" (DPA) beschlossen und so wird es gemacht. Kommando zurück dagegen beim Atomausstieg, jenem deutschen Sonderweg zur Klimarettung. Aus Angst vor dem Blackout kommt es zum Verlängerungsbeschluss: Ein paar dürfen weiterlaufen, im Restbetrieb. Das modernste aber geht zum Jahresende vom Netz, wenn das Wetter mitspielt, wird das dicke reichen, wenn nicht, gibt es Notfallpläne, die europaweit volle Gasspeicher und Notstromaggregate für Gemeinschaftseinrichtungen, Wärmestuben und Daunenhosen für Frauen und Kjnder vorsehen.
Die Mühen des Heute halten die Visionäre in Berlin und Brüssel nicht ab, zwischen zwei Rettungspaketversprechen schon mal eine "moderne Ukraine" zu planen. Die Letzte Generation geht nun gezielt gegen die Hinterlassenschaften früherer Generationen vor: Alte Bilder und Kunstkitschkrempeldinge aus vergangenen Zeiten werden mit Lebensmitteln attackiert, zum Wohlgefallen der Medien, denn endlich ist wieder was los, wo doch mit Lauterbachs Corona-Warnungen kein Klick mehr zu generieren ist. Das "Lagerfeuer der Vernünftigen", es brennt auf kleiner Flamme, einer jener Teelichtöfen, die später im Jahr auch bei Friedrich Merz später ein heimeliges Licht spenden werden.
NOVEMBER: Es wird dunkel im Land, aber neue Abenteuer warten. Wie wird der Winter werden,m ungeduscht und mit hydraulisch geprüften Heizungen? Wird sich ein neues Staatsbürgerschaftsrecht einführen lassen, ohne dass es wieder so viel Geschrei gibt? Der heiße Herbst, er ist vorüber, ehe er begonnen hat. Stattdessen startet die WM und Deutschland muss sich um Katar kümmern, ein Land, dem es noch an vielem mangelt, was hierzulande selbstverständlich ist. Der mit großen Hoffnungen gestartete Feindflug der deutschen Nationalvertretung an den Persischen Golf endet mit einer in allen deutschen Medien global beachteten Schweigegeste, die "One Love"-Binde, die die Innenministerin bei einem Frontbesuch mutig auf der Tribüne trägt, bekommt später im Museum für Deutsche Geschichte einen Ehrenplatz. Es ist schon wieder G7-Gipfel, direkt nach dem großen Klimagipfel in Ägypten, der auf den Berg der bisher beschlossenen 7.686 Klimabeschlüsse zwei funkelnagelneue stapelt. Aufmerksam schauen die Führer der freien Welt auf einen Mann, der entscheiden muss, wie es weitergehen scholz.
Wie gehabt. Solidarisch frieren nicht mehr nur die Armen und die Armutsgefährdeten des früheren Mittelstandes, solidarisch frieren nun auch die Chefetagen. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen es stoisch zur Kenntnis, aus Long Covid ist eine neue Krankheit geworden, die von der Wissenschaft den Ehrennamen "Apathistis" verliehen bekommt.
DEZEMBER: Es wird kalt, aber ohne jeden Grund. Es besteht jedoch kein Grund zur Besorgnis, denn in diesem Monat ist alles frei, der Staat zahlt Strom und Gas und bald auch Bürgergeld. Weitergehende Pläne sehen vor, dass auch gesundes Essen geliefert wird, einer ZDF-Umfrage zufolge würden das alle lieben. Die Sparbefehle werden nicht überall getreulich umgesetzt, doch angesichts der vollen Speicher ist das eine lässliche Sünde. Wer sich so viele Verdienst um den Schutz des Gemeinwesens vor Hetze, Hass und Zweifel verdient hat wie die vielen, vielen Gemeinsinnsender, den schützt der kollektive mediale Wille zuverlässig vor allen Versuchen, ihn verfassungsschutzrelevant delegitimieren zu wollen.
Für die EU endet das Jahr mit einem weiteren Triumph: Nach Monaten frucht- und ergebnisloser Verhandlungen schafft es die Gemeinschaft, sich auf eine Gaspreisbremse mit atmendem Deckel zu einigen, der ab dem 15. Februar bei einem Preis von 180 Euro pro Megawattstunde auf den Topf gedrückt wird. Die Zustimmung des EU-Parlamentes gilt wie immer als "Formsache" (DPA). Deutschland flankiert den Einstieg in die neue Ära mit der Einführung einer einfacheren und niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeit für Denunziant*innen, zugleich wird die einrichtungsbezogene Impfpflicht auslaufen und das Thema Arbeitsbedingungen in Katar für immer begraben. Die letzte Generation macht das Licht aus, das Wetter spielt bisher mit. Ab morgen geht es weiter, auf zu Ufern, um den wegschwimmenden Fellen in Ruhe zuschauen zu können.
Charlton Heston entdeckte 1973 das finstere Geheimnis von Soylent Green. Und legte damit die Saat für unzählige populäre Verschwörungstheorien. |
Im Jahr 2022 hatte der Mensch endlich beinahe alle natürlichen Lebensgrundlagen nahezu vollständig zerstört. Auf der Welt lebten acht Milliarden Menschen. Dem Großteil mangelt es an bezahlbarer Energie, an günstigen Lebensmitteln und erschwinglichem Wohnraum. Lediglich einige Politiker und reiche Bürger können sich noch alles leisten, zu horrenden Preisen. Alle anderen warten, dass nach Benzinrabatt, Neun.Euro-Ticket und Gaspreis- nebst Strombremse eine staatliche Regulierung für Brotobergenzen und ein Mietdeckel kommt.
Es ist etwa diese Szenerie, in die Richard Fleischer 1973 gedrehter Film "Jahr 2022: ...die überleben wollten" eintaucht. Zwar fehlen der Realität die im Film "Inventar" genannten Haussklavinnen der Oberschicht, doch die sonstigen Unterschiede zwischen dem, was Harry Harrison 1966 in seiner Romanvorlage "New York 1999" vorausahnte, und dem, was Menschen heute vom Leben der Menschheit glauben, sind die Unterschiede marginal. Das Endzeit-Chaos, in dem Charlton Heston als Polizist Robert Thorn nach dem Mörder des Superreichen William R. Simonson sucht, gleich verblüffend der Welt, die Aktivisten und Medienarbeiter heute als Zukunft an die Wald malen. es ist vorbei, alles nur noch ein trauriger Niedergang, unaufhaltsam und ungebremst.
Wer nicht Essen rettet, tritt zusätzlich aufs Gaspedal auf der Fahrt in die Apokalypse, bei der statt Gemüse und Fleisch nur "Soylent Rot" und "Soylent Gelb" als Wegzehrung gereicht werden. Langsam sterben die Alten, die sich noch an Tiere und das erinnern können, was Edward G. Robinson als Thorns greiser Mitbewohner Sol Roth "richtige Nahrung" nennt. Steak, Wurst und Tomaten, Marmelade und Brot. An dieser Stelle straft die Wirklichkeit Fleischers Fantasie Lügen: Die hochverarbeiteten Kekse, die die Armen der Filmwelt des Jahres 2022 ernähren, gelten heute eher als Nahrung des Bionadeadels und der bereits vom Vegetariertum zum Veganismus konvertierten Intelligentia als dass sie die Mindestlohnmenschen in den Mehrgeschosssiedlungen ernähren.
Der Mordfall, den Thorn aufklären soll, ist im Film nur Staffage wie es in Echtzeit Sportereignisse wie die Fußball-WM sind. Je tiefer der Detektiv in seine Ermittlungen einsteigt, desto deutlicher wird, wo der Verschwörungsglaube, der heute so oft beklagt wird, seinen Ursprung hat. In Fleischers vielgesehenem Meisterwerk ist alles Lüge, eine kontrollierte Lüge, die von allen, die davon profitieren, aufrechterhalten wird. In der Welt, in der alle leben, liegt ein dunkles Geheimnis verborgen, so düster, dass zu seinem Schutz auch gemordet werden darf. Der tote William R. Simonson war Mitarbeiter des Unternehmens Soylent, der Name ist eine Kombination aus Soy (Soja) und Lent(il) (Linse), ein Megakonzern, der die Lebensmittelversorgung der halben Welt am Laufen hält.
Mit gewissen Schwierigkeiten, wie sich zeigt; Es mangelt an Soylent Rot und Soylent Gelb, so dass mit "Soylent Grün" ein neues, leckeres Konzentrat aus Plankton angeboten wird. Die hungernden Massen fliegen auf Ersatzessen, an jedem Soylent-Grün-Dienstag prügeln sich die Menschen um einen Happen. Die Polizei prügelt, die Menschen ducken sich weg. Thorn kommt der Wahrheit näher, zu nahe, so dass er den Befehl bekommt, die Sache auf sich beruhen zu lassen, noch ehe er die ganze fürchterliche Wahrheit herausfindet.
Die Welt, sie wird untergehen., Die Welt, sie hat nur noch die Wahl zwischen verhungern und moralisch verrotten. Sol Roth will weder das eine noch das andere, er lässt sich begleitet von hübschen Tierfilmchen im Arte-Stil in einer öffentlichen Tötungsanstalt sanft einschläfern. Ein letzter Dienst an der Gesellschaft, denn nun kann Thorn herausfinden, wohin die Leichen in den Müllwagen gebracht werden und wie dort nach einem geheimen Rezept "Soylent Grün" aus ihnen entsteht. Nichts geht gut, im Ohr bleibt der Ruf des schwerverletzten Enthüllers: "Soylent Grün ist Menschenfleisch!"
Auch soweit ist es nun nicht gekommen, noch nicht.
Vermutlich das Beste, was sich über ein Jahr wie das zurückliegende sagen lässt.
Auch das Bild des Jahres zeigt Christine Lambrecht: Bei einem Truppenbesuch wagte sich die Verteidigungsministerin auf einen der noch fahrbereiten Panzer. |
Unter den Untergehern sind bekannte Namen wie Gerhard Schröder, der seinem Vorgänger im Amt ins gesellschaftliche Aus folgte, wie Karl Lauterbach, der vom Talkshow-Weltrekordler zum nurmehr gerade noch geduldeten Quengler wurde, und Robert Habeck, dem das Kostüm als Lichtgestalt einer nachhaltigen Ökowirtschaft abhanden kam, als er sich gezwungen sah, beim Scheich von Katar einen Bückling zu machen. Kein Wunder also, dass ausgerechnet Christina Lambrecht, die so oft infragegestellte Verteidigungsministerin die Liste der "Menschinnen (NDR) des Jahres" anführt, die PPQ-Autoren auch in diesem weitgehend missratenen 2022 wieder gewählt haben.
Natürlich hat der Kanzler, der zu seiner eigenen Überraschung einer wurde, die Richtlinienkompetenz. Und ebenso natürlich ist es die Außenministerin gewesen, die schon mit ihrem ersten FototerminAuftritt vor dem Eiffelturm allen Glanz und Glamour für sich reklamierte, die Wählerinnen und Wähler vom Ampel-Kabinett erwarten konnten. Doch es Lambrechts gleich zu Beginn des russischen Angriffs klargestellte Weigerung, Schwerewaffen an die Ukraine zu liefern, die die 57-Jährige zum Star der Bundesregierung machte: Die Beharrlichkeit, mit der die SPD-Politikerin dabei blieb, ganz egal, wie sich die Frontlage entwickelte, hat sich Millionen Menschen ins Gedächtnis eingebrannt.
Kaum jemand hatte von einer Frau, die als Direktkandidatin für den Bundestag viermal in Folge scheiterte und 2019 nach dem überraschenden Rochade von Katarina Barley nur als Notlösung auf ein Ministeramt rückte, so viel Rückgrat erwartet. Und Lambrecht lieferte noch mehr. In konsequenter Fortsetzung der Friedenspolitik ihrer Vorgängerinnen Thomas de Maiziere, Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer entrüstete sie die Bundeswehr nahezu vollständig. Aus der immerhin noch "bedingt abwehrbereiten" (Der Spiegel) Armee der 60er Jahre wurde eine "Trümmertruppe", wie das teils staatseigene Portal T-Online lobt. Vor diesem Heer, dieser Marine und dieser Luftwaffe muss niemand Angst haben.
Dagegen zu bestehen, in einem Land wie Deutschland, das nach zwei selbst vom Zaun gebrochenen Kriegen von einer so tiefen Friedenssehnsucht beseelt ist, dass ein Aufruf, für den Frieden zu frieren, quer durch alle Lager auf offene Ohren und geschlossene Thermostate tritt, ist selbst für die anderen Aufsteiger in der Ampel schwer. Nancy Faeser etwa, als Innenministerin permanent auf dem Absprung in die hessische Staatskanzlei, strahlte ebenfalls, aber längst nicht so hell.
Ihr Kampf gegen den Rechtsextremismus, der die Gesellschaft im 22. Jahr nach dem von Gerhard Schröder ausgerufenen "Aufstand der Anständigen" bis in die Mitte befallen hat, zeitigte nur punktuell Erfolge: Es gelang, die Rentnerrebellion des sogenannten "Rates" niederzuschlagen, die Montagsnazis wurden ausgebremst und zudem machte die Sozialdemokratin Schluss mit einer "völlig überkommenen bisherige Praxis" (Faeser), nach der deutsche Bundesbehörden seit der 7. Juni 1950 erlassenen „Anordnung über die deutschen Flaggen“ (FlaggAO) ausschließlich die Bundesdienstflagge hissen durften.
Doch weder die angestrebte Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gelang noch konnte die Bevölkerung überzeugt werden, ihre Meinung kundzutun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln. Faeser zeigte in Katar, wie das geht: Ihre "One Love"-Binde liegt heute im Deutschen Museum, eine Mahnung an kommende Schüler*innen-Generationen, nie nachzulassen beim Senden von Signalen und dem Setzen von Zeichen, auch wenn es nichts kostet und nicht einmal etwas bringt.
Scholzens Männer fielen dagegen deutlich ab. Einigen Bürgern bekannt ist immerhin noch Christian Lindner, der erste Finanzminister, dem es gelang, in einem Jahr so viele Schulden zu machen wie seine Vorgänger in 20 oder 10, ohne dass dabei an der Schuldenbremse gerührt wurde. Lindner bewies, dass Gasgeben und Bremsen zugleich einander nicht ausschließen, dass laute Klagen über die schwierige Lage alle Nachfragen zu Milliarden an Mehreinnahmen zum Schweigen bringen und der neue Kriegsliberalismus das Kollektiv in den Mittelpunkt stellt.
Marco Buschmann, der andere Liberale, der hier und da auftauchte, assistierte engagiert: Mit Blick auf die anstehenden Prozesse gegen die "Letzte Generation halbierte Buschmann die Höhe der Ersatzfreiheitsstrafe, er warf sich schützend vor das Bundesverfassungsgericht und die davorstehende Besetzungscouch, und er fand es "wichtig, dass wir uns dahinter klemmen, dass der Staat digital wird".
Das rührt an den Schlaf der Welt und macht auch Buschmann zu einer bestimmenden Person eines Jahres, das an Krisen, aber auch an Unterhaltungswert so viel zu bieten hatte, dass manches bereits wieder vergessen ist. Der Vorstoß zur Einsetzung eines Parlamentspoeten, der sogenannte "Ein-Abwasch"-Vorschlag, den Bundestag der Einfachheit halber für fünf Jahre zu wählen, das Karrierekarussell, das so schnell rotierte, dass kaum jemand noch die vorbeifliegenden Gesichter erkennen konnte, das Zorro-Verbot und die Schnitzel-, Gas- und Strombremse - selbst verglichen mit den letzten Merkel-Jahren, die geprägt waren von einem Hochbetrieb in der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) war das alles viel und doch nie genug.
Die frühere Kanzlerin, die all das vom Ende her gedacht hatte und ihrem Vorgänger im Amt so zum idealen Zeitpunkt beinahe unbemerkt ins gesellschaftliche Aus folgen konnte, zeigte von der Seitenlinie noch einmal, dass auch sie ohne Zweifel zu den Person*innen des Jahres gezählt werden muss. Keiner aus der Ampel und niemand aus der Partei ruft noch an und fragt nach Rat, aber der französische Präsident klingelt zuweilen durch und Merkel ist auch sonst mit sich im Reinen. Manches hätte anders, manches müsste noch, wie etwa die Altkanzlerinnenseite angela-merkel.de. Die wird eines Tages von den wundervollen guten alten Zeiten kurz nach der Euro-Staatsschuldenkrise erzählen, dann nach "amerikanischen Vorbildern für multimediales Storytelling" (Tagesspiegel) und mit "Geschichten anhand von großformatigen Bildern in einer Scroll-Down-Navigation".
Aber überlebt zu haben, all die schicksalhaften Entscheidungen, die anstrengenden Reisen mehr, die nächtlichen Krisentreffen, die Dauertelefonate und Fernsehauftritte, das ist weit mehr als genug, um zu den Gewinnern zu zählen. Nicht mehr dabei, nicht mehr mittendrin oder gar obendauf, aber spukhaft fernwirkend immer noch, wie es nur echte Sieger sind.
Es ist besonders Hass aus einer Ecke, der das Bundesblogampelamt beunruhigt und die Politik nach scharfen Regulierungsmaßnahmen für Meinungswildwuchs rufen lässt. |
Erst Ende Oktober hatte der aus Afrika stammende Milliardär Elon Musk das soziale Netzwerk Twitter übernommen, jetzt schon spüren die zuständigen Experten beim Bundesamt für Justiz, dem Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin (BBAA) und bei BKA und MAD einen sprunghaften Anstieg der Beschwerden über Youtube, Facebook, Twitter, Instagram und Tiktok. "Wie eine Welle", schildert Herrnfried Hegenzecht vom BBAA, seien die von Musk befeuerten Beschwerden auf Grundlage des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) zuletzt "sprunghaft" angestiegen. "Unsere Meinungsfreiheitsschützer kommen kaum noch mit der Bearbeitung und Weiterleitung an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden nach."
Auch das Bundesamt für Justiz, 2007 als Zentralstelle Registeraufgaben und zur Bearbeitung von Aufgaben im Rahmen des internationalen Rechtsverkehrs gegründet, zuletzt aber mangels behördlicher Alternativen mit der Verfolgung von virtuellen Ordnungswidrigkeiten betraut, berichtet von einer apokalyptischen Explosion des Hasses. Man verzeichne mit Stand von Dezember jetzt schon einen Eingang von 1.513 Beschwerden über Hetze, Hass und Terrorpropaganda nach den Regularien des NetzDG. Eine Verfünffachung im Vergleich zum Vorjahr, als nur 319 Beschwerden zu mutmaßlich rechtswidrigen oder zweifelhaften Inhalten beim Bundesamt eingegangen waren.
Die Lage ist angespannt, die Situation bedrohlich. Die 67 Millionen deutschen Internetnutzer begeben sich mit jedem Klick und jedem Blick in den sozialen Netzwerken auf eine gefährliche Reise in ein Land, das seit dem Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes nur immer bedrohlicher geworden ist. Jeder 44.000 deutsche Internetbesucher musste sich im zurückliegenden Jahr wegen Hetze, Hass und Zweifel, die ihm im Netz begegneten, an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden. Noch nie zuvor war die Situation derart außer Kontrolle, schwappten die Wogen von fake news, rechter Satire und verfassungsschutzrelevanter Delegitimierung staatlicher Organe so hoch wie heute.
Besonders Twitter gilt sei der Übernahme durch Elon Musk als Sorgenkind: Obwohl das NetzDG Internetplattformen in Deutschland zu einem sogenannten "härteren Vorgehen gegen Hass, Hetze und Terrorpropaganda" zwingt, gibt sich der neue Eigentümer unbeeindruckt sogar von der Ankündigung der EU-Kommission, den Zugang zu Twitter von ganz EU-Europa aus zu sperren, wenn Musk nicht gegen "Hass und Lügen" vorgehe, wie EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton in einem Ultimatum an den Unternehmer formulierte. Eine Antwort bekam er nicht, auch eine Vorladung durch die EU, sich vor den europäischen Institutionen zu rechtfertigen, beantwortete Musk nicht. Er traf sich stattdessen demonstrativ mit dem Franzosen Emmanuel Macron. Auch ein von der EU angekündigtes "weiteres Treffen noch vor Weihnachten" (Breton) ließ er ausfallen.
Angesichts der Hasswelle, die die gestiegene Zahl der Beschwerden zu mutmaßlich rechtswidrigen Inhalten zeigt, bleibt kaum eine Alternative, als das kleinste der sozialen Netzwerke mit nur wenigen deutschen Nutzer*innen, Nutzenden und Nutzern unter direkte Aufsicht der Kommission zu stellen, wie es der frühere Attac-Lobbyist und heutige grüne Staatssekretär Sven Giegold gefordert hat. Nur so könne die EU "mit eigenem Personal und starken Befugnissen für fairen Wettbewerb" sorgen. Ohne abweichende Meinungen und meldepflichtige Ansichten wäre das augenblicklich bestehende "Risiko für Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit" Giegold) durch ein wild wucherndes Meinungsgestrüpp beseitigt.
Die mehr als 1.500 Beschwerden nach NetzDG allein in Deutschland - mehr als vier täglich über das gesamte zurückliegende Jahr - bestätigen Giegolds These, dass nur "enges Monitoring und energische Durchsetzung der geltenden Regeln" in der Lage sein werden, die Meinungsfreiheit umfassend wiederherzustellen und sie zugleich auf ein neues Level zu heben. Herrnfried Hegenzecht vom BBAA sieht in den mehrfach nachgeschärften Regularien zum Meinungsfreiheitsschutz, wie sie mittlerweile in Deutschland gelten, trotz der beunruhigenden Zahlen zum Hass einen positiven Indikator. "Das NetzDG funktioniert und wird angewandt, auch wenn die erhöhten Zahlen auf den ersten Blick unerfreulich erscheinen", sagt er. Es gelte nun, scharf nachzuwaschen, damit die Hasswelle nicht noch weiter hochschwappt und das Gemeinwesen vor gänzlich unlösbare Aufgaben stellt.
Anfang August eilte der Kanzler selbst nach Mülheim, um die Turbine öffentlich zu zeigen. Danach verschwand sie wie von David Copperfield verzaubert. |
Ist er inzwischen dort, wo die Gemeinde Illerkirchberg liegt? Oder dort, wo sich zur Zeit die Ermittlungsergebnisse über die unerhörte Sprengung der Nordstream-Pipelines befinden? Hat er sich in eine Ecke der Medienwelt zurückgezogen, durch die noch immer "taktische Bataillonsgruppen" marschieren? Oder hat ihn sich das "Joint Investigation Team" geschnappt, das schon Ende Oktober erste "Ergebnisse der Untersuchungen mit den Partnern geteilt" hatte?
Ein Geheimnis, das mit keinem tiefen Brummen von sich Kunde gibt wie es andere Generatoren tun. Diese Turbine hier, sie tauchte Anfang August für wenige Stunden aus dem Schaum der Tage auf, prominent besucht und gut beleuchtet und mit froher Botschaft: "Die Turbine ist da und sie funktioniert", ließ der Bundeskanzler selbst sich vernehmen, nachdem er sich bei Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr persönlich vom Aggregatzustand überzeugt hatte. Keine kalten Lötstellen, keine ausgeschlagenen Kugellager.
Stolz schaute Scholz auf die Riesenmaschine, die allein durch die feministische Außenpolitik seiner Regierung repartriiert hatte werden können. Kanada, obschon in Werten verbunden, war lange entschlossen gewesen, die gemeinsam beschlossenen Sanktionen gegen Russland ernst zu nehmen und die für die russische Pipeline bestimmte Maschine nicht außer Landes reisen zu lassen. Erst die Drohung mit Aufständen in Deutschland, Aufständen nicht nur gegen die Bundesregierung, sondern auch gegen Nato, Hunger und Kälte, überzeugte Premierminister Justin Trudeau, bei einem komplizierten Hütchenspiel mitzutun.
Kanada liefert das Gerät nach Deutschland und weiß von weiter nichts. Deutschland expediert es nach Schweden. Von dort, so der Plan, geht es nachts auf dieselbe Reiseroute, die schon Lenin nahm um Russland ins Revolutionschaos zu stürzen. Unterhalb der Sanktionen des Westens gegen Russland immer weiter nach Osten. Versiegelter Zug. Immer nach Norden, bis es zu dunkel wird, dass irgendwer noch irgendetwas sehen kann. Schließlich bei Finnland über die Grüne Grenze. Schach und Matt für das "perfide Spiel" (Habeck) des russischen Präsidenten Putin, in dessen Auftrag der Energiemulti Gazprom die fehlende Turbine als Entschuldigung für ausbleibende Gaslieferungen aus dem Osten vorgeschoben hatte.
Mitte August, Scholz war mittlerweile in dringenderen Geschäften abgereist, stand die schicksalhafte Turbine weiterhin in Mülheim, "versiegelt und einsatzbereit" (DPA, nun allerdings wieder weniger prominent im Mittelpunkt des nationalen Interesses. Zwölf Meter lang und 20 Tonnen schwer verschwand die Pumpe vielmehr vollkommen aus der Wahrnehmung, ein Trick wie von David Copperfield vorgeführt: Eben noch überall, ringsherum, umlagert, bestaunt und analysiert. Im nächsten Augenblick schon unsichtbar, als wäre da nie etwas gewesen. Allenfalls ein Echo ist noch zu hören, von Übersee rollt es heran wie um zu beweisen: Ja, es stimmt. Es gab diese Turbine. Ja, und sie war so wichtig wie kaum etwas sonst.
War der spätere Anschlag auf die Nordstream-Leitung aber auch. Wie zuvor die Corona-Impfpflicht. Null-Covid. Der Aufstand der Schauspieler. Die Heißzeit. Der Braunkohleausstieg. Der Ausbau der Netze. Ältere erinnern sich an weitere Schicksalsfragen, die im Staub der Zeit verschwanden, Zeugnisse nur noch von einer Erosion, die Medien zwingt, jedes Thema immer streben zu lassen, sobald Regierungen, Verwaltungen und internationale Gremien beschließen, keine Pressemeldungen mit Wasserständen und Tauchtiefen dazu mehr herauszugeben. Aus den Augen, aus dem Sinn, so soll es, so muss es sein.
Jede Krise hat aus dieser Sicht drei Phasen: Anfangs ist da immer Leugnung, es wird nicht so schlimm kommen, wie es, jeder ahnt das, wohl kommen wird. Die Spitzen der Politik tauchen in dieser Situation aus naheliegenden Gründen fast täglich und oft mehrfach im Fernsehen auf, um beruhigende Sätze zu sprechen. Da man nichts Genaues weiß, aber irgendetwas machen muss, tut man, was man kann, um den Eindruck zu erwecken, man täte etwas Nützliches.In Phase drei ist dann auch schon wieder vorbei. Keiner weiß mehr, worum es eigentlich ging, was daran wichtig gewesen sein könnte und weshalb sich niemand mehr erinnert. Die Krise, sie ist vorüber, im Vorwärtsschreiten bewältigt.
Wenn am Ende nicht doch noch unerwartet Ermittlungsergebnisse des "Joint Investigation Team" reinkommen, wird alles gut.
Hans Magnus Enzensberger (1962)
Auf dem Tiefpunkt der Temperaturkrise vor Weihnachten leerten sich die deutschen Gasspeicher (Foto) schneller als geplant. |
Die Bundesnetzagentur schaute unruhig auf die Zahlen. Der "starke Mehrverbrauch" leerte die über Spätsommer und Herbst ohne einen einzige Blick auf die Kosten gefüllten Speicher. Nicht nur, dass Latifs Vorhersage zumindest auch in diesem Jahr wieder nicht eingetroffen war. Nein, auch die tröstenden Worte der staatlichen Wetterfrösche, dass längst unaufhaltsame Klimaerhitzung für einen milden Winter sorgen werde, warn obsolet noch ehe er überhaupt angefangen hatte.
Niemand hatte damit rechnen können. Über fast zwei Wochen lang schienen sogar die inständigen Klimagebete in den verschiedenen Ampel-Ministerien wirkungslos zu bleiben. Als wolle der Wettergott die Fürbitten nach mehr Erderwärmung verspotten und verhöhnen, blieb es nicht nur kalt, sondern auch dunkel und windstill. Tagtäglich verbrannten Haushalte und stromerzeugende Wirtschaft ein ganzes Prozent Erdgasvorrat. Rein rechnerisch drohte ein Abfall auf Null bis Mitte März und damit nicht nur ein womöglich allzu frühes Ende der Heizperiode, sondern auch ein Verstoß gegen die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der "Verordnungen (EU) 2017/1938 und (EG) Nr. 715/2009 im Hinblick auf die Gasspeicherung", nach der die unterirdischen Gasspeicheranlagen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Beginn aller nun noch folgenden Winter zu 90 Prozent gefüllt sein müssen. Nicht nur, dass der März bereits vor einem kommenden Winter liegt, nein, auch bis November wäre es von Null auf 90 ein zu weiter Weg.
Auf dem Höhepunkt der Krise, mitten in der Dunkelflaute, sank der Füllstand des Speichers Rehden auf 92,27 Prozent. Die Bundesnetzagentur, ehemals zur "Förderung des Wettbewerbs in sogenannten Netzmärkten" gegründet und heute höchste Aufsichtsbehörde über die nationale Wärmereserve, stufte die Temperaturprognose für die kommenden Tage als "kritisch" ein.
Das Wetter spielte nicht mit, die Menschen ebenso wenig. In Fernsehstudios wurden die Heizungen hochgedreht, aus dem Bundestag kamen inmitten der Temperaturkrise verstörende Bilder: Keine dicken Mäntel bei den Sitzungsteilnehmern, keine warmen Decken, keine Mützen, Ohrenschützer oder Schals. Angesichts des erneuten Verfehlens aller Klimaziele und der beunruhigenden Prognosen, dass es auch in den nächsten Tagen in Deutschland "kälter wird als in den für die aktuellen Prognosen zugrunde gelegten Vergleichsjahren" (Bundesnetzagentur) ein Laissez-fair-Verhalten, das mit einem "deutlichen Mehrverbrauch" rechnen ließ.
Die Temperaturprognose sank von "angespannt" auf "kritisch". Der prognostizierte Mehrbedarf stieg auf zwei TWh. Auf dem Tiefpunkt der Temperaturentwicklung, als die Windstromerzeugung auf 12 Prozent fiel und die Photovoltaik noch 1,1 Prozent des Bedarfs deckte, wurde ein Mehrgasverbrauch von ungefähr 44 TWh über den gesamten Winter veranschlagt, rund 18 Prozent der maximalen Speicherkapazität, die im kommenden Jahr fehlen, wenn es darum gehen wird, die Speicherziele erneut zu erreichen. Eine weitere Verschlechterung der Situation könne man nicht ausschließen, auch wenn die Temperaturprognosen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) stets nur vorläufig seien und sogar "rückwirkend" geändert werden können.
Positiv auf die Lage wirkte sich dann aber nicht nur die plötzliche Rückkehr auf den Zwei-Grad-Pfad der Pariser Klimaverträge aus, sondern auch dem Umstand, dass es der Wissenschaft gelang, einen Zusammenhang zwischen Gasverbrauch und Außentemperaturen nachzuweisen. Sinkende Pegel sind offenbar kein Naturgesetz, sondern direkte Auswirkung des gefühlten Bedarfes selbst dort, wo mit aller Kraft und fast unmenschlicher Entsagung gespart wurde, als es noch warm war. Je kälter, desto wärmer haben die Menschen gern. Je länger ein Klimaloch mit Eis und Schnee und starkem Frost andauert, desto eher wird das Sparen auf später verschoben, auch wenn das direkt gegen Abmachungen mit den EU-Partnerländern und Beschlüsse der EU verstößt.
Ein Gasverbrauch wie in der 50. Kalenderwoche, der gleich um zwölf Prozent über dem durchschnittlichen Verbrauch der letzten vier Jahre liegt und nicht wie geplant 20 Prozent darunter, führt automatisch in eine "nationale Gasmangellage" (Bundesnetzagentur), wenn nicht das Wetter selbst helfend herbeieilt und seine Anstrengungen zur Klimaerwärmung mindestens verdoppelt. Inzwischen ist das geschehen: In seiner letzten Sitzung vor der bis 16. Januar dauernden Winterpause hat der Bundestag ein Gute-Temperaturen-Gesetz (GTG) beschlossen, das das Sparziel von mindestens 20 Prozent sicherstellen helfen soll. Erste Erfolge waren bereits unmittelbar nach Verabschiedung zu spüren: Die Temperaturen kletterten von minus zehn auf teilweise plus zehn Grad, für den rest des jahres werden weitere Steigerungen erwartet.
Sie hätte die schärfte Waffe im Kampf gegen die Pandemie sein sollen, ein letztes, hartes Mittel, um die Gesellschaft in die zu teilen, die mitmachen, verantwortlich und vertrauensvoll. Und die, die widerstreben, Querdenker, Quertreiber, Querulanten, Menschen ohne soziales Gewissen und solidarische Gefühle für ihren Nebenmenschen. heute noch bedauert Grünen-Co-Chef Omid Nouripour, dass die gesetzliche Impfpflicht für alle nicht eingeführt werden konnte, so dass es bei einer Impfpflicht für einige blieben musste, die dann nicht durchgesetzt wurde. Wie viele Pflegerinnen und Pfleger, Krankenschwestern, Ärzte und Krankenhausangestellten hätte man doch bei der Gelegenheit für immer loswerden können. Auch um dauerhaft etwas für die Patienten Bilanzen zu tun.
Politik aber ist das Management des gerade Machbaren und die Fortschreibung des Angefangenen, bis es einfach nicht mehr geht. Ein einmal eingeschlagener Kurs bleibt schon allein deshalb so lange richtig, bis er so falsch ist, dass nicht einmal mehr das Gegenteil stimmt. Aber vorher kann niemand bereit sein, am großen Steuer des Staatsschiffes zu drehen. Und er muss auch nicht, so lange die Mehrheit der Medien und damit auch der Menschen, wenn auch murrend, in dieselbe Richtung mitzieht.
Auf Corona war Deutschland deshalb sehr sehr lange sehr gut vorbereitet. Als es nicht mehr vorbereitet war, war es bereit, sich nun sehr, sehr gut vorzubereiten. Anschließend sprachen alle Zahlen dagegen, aber es gab keinen Zweifel: Das Land kam gut durch die Krise, besser als alle anderen, mochten die auch weniger Ansteckungen, Todesopfer, Long-Covid-Fälle und niedrigere Impfzahlen haben. Schweden konnte kein Vorbild sein, auch nicht die USA, nicht einmal unter Joe Biden, der in allem ein Vorbild ist. Der langerwartete Tag der Befreiung von allen sogenannten Corona-Maßnahmen kam denn auch erst nicht und dann als föderales Befreiungstheater. Hier galt die Maske noch als lebensrettend. Dort war ihr Nutzen obsolet geworden wie in einem Regierungsflugzeug.
Es gab einen noch der zeterte, warnte und barmte, Wellen heraufbeschwor, die unbeobachtet vorüberzogen, und den Teufel an die Wand malte, wie nur er es kann. Wer sich nicht impfen ging, zum dritten, vierten oder fünften Mal, der würde es bereuen. Krankenbett oder Jobverlust, schwerer Verlauf und dauerhafter Schaden, drückte Gesundheitsminister Karl Lauterbach in seinen rarer und rarer werdenden Talkshow-Auftritten auf die ausgelutschte Pandemietube, die ihn ins Amt befördert hatte. Die Bevölkerung aber war ihm abhanden gekommen, irgendwo zwischen zweitem und dritten Piks, Wumms, Doppel-Wumms, Schütz-Dich-Impfkampagne und dem Ende der Verkündigung der Inzidenzzahlen in der "Tagesschau".
Dort ging es nun um Schwerewaffen, nicht mehr darum, alle Ungeimpften aus der Gesellschaft auszuschließen. Sorgen bereitete die Lieferung der Deutschland-Turbine, nicht mehr das Versagen der EU beim Versuch, der Welt allen verfügbaren Impfstoff wegzukaufen und dabei ausreichend große Vorräte anzuhäufen, um den Rest der Welt in einem Zug mit durchimpfen zu können. Die Pandemie war vorbei, vermutlich genau an dem Tag im Februar, als die Tagesschau-Redaktion den Ausbruch des Krieges im Osten nutzte, um ein für allemal aus der Corona-Berichterstattung auszusteigen.
Die "regelbasierte Ordnung" (Olaf Scholz) der Seuchenzeit, heute hier, morgen dort, dieses Mal so jenes Mal fort, sie löste sich danach nicht mit einem Jubelschrei auf, sondern durch Erosion. Die Verteidiger von Null-Covid, wiederholtem einmaligem Lockdown, Schließungen, Verboten und radikalen Vorgehen gegen jede abweichende Ansicht, sie ritten nicht im Triumph und nicht gramgebeugt aus der Stadt. Sie wurden medial weggedimmt, ihr Zetern und ihr Zorn, sie rutschten unter die Hörschwelle, statt Applaus gab es nur noch Abwinken. Es war vorbei, nur nicht in allen Köpfen. Aus Rücksicht auf die Gefühle führendster Pandemiepolitiker verzichteten die Medien solidarisch auf jede Nachfrage zum Erfolg der letzten großen Impfkampagne, der es mit einem Kostenaufwand von 33 Millionen Euro und dem egoistischen Motto "Ich schütze mich" gelang, immerhin zwölf Millionen Menschen auch noch von der Notwendigkeit einer vierten Impfung zu überzeugen.
Die Nachricht vom Ende aller Maßnahmen, sie versteckt sich nun zwischen Frühstück und Gänsebraten, in einem Interview der Hauptstadtpostille "Tagesspiegel", in dem der Bundespandemieprofessor Christian Drosten seinen Beschluss verkündet, die Seuche als beendet zu betrachten. Kein Scholz auf dem Balkon, der die gute Nachricht einer jubelnden Menge zuruft. Keine Entschuldigung für fake news, taktische Lügen und strategische Irrtümer. Keine Erklärung, warum es zum Handwerkszeug der Krisenbewältigung gehören musste, ganze Gruppen von Menschen abzuwerten, abzuurteilen und als Schuldige an den Pranger zu stellen.
Die eifrigsten Propagandisten der einfachsten Wahrheiten machen es sich einmal mehr ganz einfach: Es ist wieder so, wie gesagt wird, wer nun fordert, es solle alles werden wie früher, ist kein Hetzer, Hasser und Staatsfeind mehr sondern vernünftig und klug. Nicht einmal mehr einen Ethikrat braucht es, um die Folgen einer Aufhebung der letzten symbolischen Beschränkungen zu erörtern und Empfehlungen zu geben, die es der Politik ermöglichen, bei allem, was sie tut, darauf zu verweisen, dass sie nur dem folge, was "die Wissenschaft" (FfF) geraten habe. Auch die berühmten "mathematischen Modelle der Humboldt-Universität" (Spiegel) müssen "angesichts der Äußerungen des Virologen Christian Drosten" (Tagesschau) nicht mehr bemüht werden: So war das jetzt und so war es gut und es wird nun für immer gut gewesen, richtig und so, wie es nicht anders hätte sein können.
Preußen war berüchtigt für seine preußische Kulturpolitik, die die Kunst als Magd der Politik missbrauchte. |
Es geht um Missverständnisse, falsche historische Vorbilder, um Schaden, den das deutsche Ansicht im Ausland zu nehmen droht. Claudia Roth steht mit ihrer Initiative in der Tradition der Alliierten, die nach dem Zweiten Weltkrieg Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 eine Auflösung Preußens verfügten, um die Kriegsgefahr im Herzen Europas zu bannen. Damals unberücksichtigt blieben glorifizierende Namen wie der der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), des Fußballvereines Preußen Münster oder eben die "Borussia", nach der sich die Fußballvereine in Dortmund und Mönchengladbach benannten.
Öffentlich kaum bekannt, aber im politischen Berlin nicht übersehen: Beim Wort "Borussia" handelt es sich um den lateinischen Namen Preußens, zu dem Mönchengladbach von 1815 an gehörte und zu dem sich der vermeintliche Sportverein seit Jahrzehnten bekennt. Im Fall Dortmund ist die Lage sogar noch gefährlicher: Die Gründer des Vereins wählten den Namenszusatz "Borussia" im Gedenken an eine Brauerei, die sich nach dem preußischen Obrigkeitsstaat benannt hatte.
Die Initiative der Kulturstaatssekretärin zur Ausmerzung des schwer belasteten Begriffes kommt keinen Moment zu früh. als der Alliierter Kontrollrat im Februar vor 75 Jahren verfügte, dass der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden aufgelöst würden, ließen die Ratsmitglieder sich erklärtermaßen vom Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker leiten, "erfüllt von dem Wunsche, die weitere Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Grundlage zu sichern", wie es hieß.
Dass dieser scharfe Schnitt nicht tief genug reichen würde, weil bestimmte Kreise seitdem versuchen, die Erinnerung an Preußen trotz des Verbotes am Leben zu erhalten, damit rechnete damals niemand. Später wurde es in Kreisen politischer Entscheidungsträger sogar mehr und mehr Mode, durch öffentlich zelebrierte Preußen-Verehrung nationale Gefühle zu schüren.
Im Sommer 1991 bereits wurden die Särge der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. aus ihrer Gruft in einem Salzbergwerk im dunkeldeutschen Thüringen feierlich nach Potsdam umgebettet. Helmut Kohl verneigte sich vor dem Schoß, aus dem das kroch. Angela Merkel empfing Partner und Verbündete in Preußens Schlössern. Selbst der Bundestag erlag der Verführung des nationalen Rausches und beschloss den Wiederaufbau des Stadtschlosses der einstigen Herrschers Preußens mitten in Berlin.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth spricht sich nun zumindest für eine Umbenennung der an das aufgelöste völkerrechtliche Subjekt erinnernden Namen aus. "Was
haben Andy Warhol und Joseph Beuys mit Preußen zu tun?", sagte Roth dem
"Spiegel" bezogen auf die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das gilt auch für einen "sympathischen, ambitionierten Verein, der für einen begeisternden Fußball steht und leidenschaftliche Fans im Rücken hat" (BVB Borussia): Hier spielen Franzosen, Portugiesen, Spanier, Briten, Kroatien, Guineer, Belgier, Polen und Deutsche, aber nicht ein einziger Preuße. Ähnlich sieht es bei Mönchengladbach aus: Senegalesen, deutsche, Amerikaner, Franzosen von der Elfenbeinküste und Kicker mit exotischen Doppelstaatsbürgerschaften aus Luxemburg und Kap Verde. Aber keine Preußen.
Die aktuellen Namen bringen damit aus Sicht der Staatssekretärin mit dem Ministertitel nicht "die Weltläufigkeit zum Ausdruck", die als Signal ins Ausland Vielfalt und nationale Buntheit zeigt. Borussia schließt einen großen Teil Deutschlands aus, denn zwar hatten die Erben des Ordensritterstaates weite Teile Deutschlands unterjocht, aber längst nicht alle. "Preußen ist ein wichtiges, aber nicht unser einziges Erbe, diese einseitige Priorisierung ist falsch, Deutschland ist viel mehr", beschreibt Claudia Roth.
Wichtig sei es nun, einen "attraktiven, zukunftsgewandten Namen" für die Vereine zu finden, die es den Spielern künftig einfacher machen, die Last der unheilvollen und blutigen Geschichte abzuschütteln und - etwa in der Champions League - unbeschwert aufzuspielen. Eine nationale Aufgabe: Namensvorschläge gebe es bislang noch nicht, die neue Einheitsbezeichnung aber soll modern klingen, weltläufig und weltoffen und er soll zudem mit "moralischem Furor Geschichtsreinigung" betreiben, wie der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vorgeschlagen hat.
Für die Borussen in Gladbach und Dortmund, aber auch für die selbsternannten Preußen, die in Münster unterklassig Fußball spielen, wird eine Umbenennung Tage oder sogar Wochen der Umstellung und Eingewöhnung bedeuten. Nur dieser "neue deutsche Sonderweg" (Thierse) aber führt in eine Zukunft, die nicht an zweifelhaften Wurzeln festhängt, sondern sich selbstbewusst allein aussucht, wo sie ihr Erbe verortet, welche aus dem Portfolio der eigenen Staatsbürgerschaften die Tür in wessen Nationalmannschaft öffnen soll und das Bekenntnis zur ganzen deutschen Geschichte des Helmut Kohl eintauscht gegen ein buffetartige Auswahl an gerade passenden Distinktionsmerkmalen.
Claudia Roth folgt mit dem Plan der Umbenennung dem Beispiel von Altkanzlerin Angela Merkel, die über Jahrzehnte Selbstbestimmung beispielhaft vorlebte: Obwohl gebürtige Hamburgerin, trat sie stets öffentlich als "Ostdeutsche" auf, so überzeugend sogar, dass 93,4 Prozent der Deutschen (102 Prozent Westdeutschland/ 57,1 Prozent Ostdeutschland) sie bis heute für eine echte "Ossi" halten".
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