Deutschland soll mit der neuen Özdemir-Diät gesünder essen. Vorreiter werden Gemeinschaftskantinen sein, die auf 30 Prozent Bio-Lebensmittel verpflichtet werden. |
Ursprünglich hatte er Außenminister werden wollen, um fremde Völkern lehren zu können, wie eine gesunde Demokratie rund um die richtigen Werte herum aufgebaut wird. Nach der letzten Bundestagswahl aber blieb für Cem Özdemir nur der vergleichsweise unattraktive Posten des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Eine Postion, für den der Soziologe aus Schwaben als zureichend qualifiziert gilt, weil er seit seiner Jugend vegetarisch lebt.
Niederlagen im Amt
Die Krise aber bescherte auch Özdemir in seinem ersten Jahr im Amt zahlreiche Rückschläge und Niederlagen. Den geplanten stärkeren Schutz von Äckern und Wiesen durch schärfere Regeln für Bauern und größere Brachflächen zerschoss die EU, sein Vorhaben, die globale Ernährungssicherung durch weniger intensive Landbewirtschaftung mit "weniger Pestiziden, weniger Dünger und mehr Natur" zu gewährleisten, machten die infolge der Energiekrise steigenden Lebensmittelpreise kaputt. Biomärkte, die eigentlich die künftige Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln hatten sicherstellen sollen, schlossen. Beim GAP-Stategieplan der EU zur Biodiversität musste Özdemir Kritik der EU ertragen. Und zugleich kritiserten ihn Umweltverbände harsch.
Cem Özdemir setzt nun auf der anderen Seite an. Dort, wo verfüttert wird, was Feld und Stall hergeben, soll einem Strategiepapier des Landwirtschaftsministeriums zufolge mit größeren Erziehungsanstrengungen als bislang dafür gesorgt werden, dass die Deutschen den Weg zu einer nachhaltigeren und gesünderen Ernährung finden. Staatliche Vorgabe ist eine nationale Kraftanstrengung zu Reduzierung des Konsums von Zucker, Fett und Salz, der Fleischverbrauch soll weiter sinken und Kollektiv-Einrichtungen wie Schule, Kita und Betriebe will der frühere Grünen-Chef als "Hebel" nutzen, um Menschen, die nicht selbst in der Lage sind, gesund und ausreichend statt lecker und viel zu essen, auf seine neue Deutschland-Diät zu setzen.
Pflanzenbetonte Ernährung
Mit den Eckpunkten der Nationalen Ernährungsstrategie (NES), einer Art Speisekarte für die neue Deutschland-Diät, rückt eine "stärker pflanzenbetonte Ernährung" in den Mittelpunkt, die Currywurst, das Steak und der Schinken müssen Platz machen für Blattsalat, Veggie-Burger und Tofu-Wurst. Mensen und Kantinen werden verpflichtet, saisonale und regionale Speisen anzubieten, gewährleisten sollen sie dabei einen Bio-Anteil von mindestens 30 Prozent betragen. Özdemir will damit eine sogenannte "gute Ernährung" allen Menschen zugänglich machen, den derzeit hänge es vor allem von der "sozialen Herkunft" ab, ob jemand vernünftig esse oder zu fett, salzhaltig und süß.
Das betreute Essen überall durchzusetzen wird eine Herkulesaufgabe. Derzeit werden nur etwa zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Land nach den Regeln des ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Wegen der geringeren Erträge schaffen es die deutschen Bio-Bauern damit sogar nur, 6,4 Prozent der im Land verzehrten Lebensmittel herzustellen. Um die für Kantinen geplanten 30 Prozent Bio-Lebensmittel gesamtgesellschaftlich zu realisieren, so dass Menschen, die daheim kochen und esse nicht benachteiligt werden, müsste die Bio-Landwirtschaft ihr Produktionsvolumen verfünffachen, am einfachsten, indem sie ihren Anteil an den bewirtschafteten Flächen möglichst schnell von knapp auf um die 45 Prozent ausbaut.
Vervierfachte Wachtumsrate
In den vergangenen zehn Jahren hatte die gerecht und bio bewirtschaftete Fläche um etwa fünf Prozent im Jahr zugenommen. Die Nationale Ernährungsstrategie erfordert nun einen Booster (Claudia Kempfert) mit Wumms: Um bis 2030 alle Vorgaben des Ernährungsministers zu erfüllen, müsste diese Wachstumsrate ab Januar auf mehr als 20 Prozent pro Jahr steigen - ein Perspektivvorhaben, das ähnlich ehrgeizig ist wie das, Deutschland bis 2030 auf erneuerbare Energien umzustellen.
Hier wie da aber lässt sich die Administration nicht von der Größe der Aufgabe abschrecken. Pünktlich 90 Jahre nach der Einführung des Eintopfsonntags sind mit der Nationalen Ernährungsstrategie die Pflöcke gesetzt, zwischen denen künftig betreut gegessen werden darf. Nun heißt es Guten Appetit!
1 Kommentar:
Kommt mir irgendwie unsinnig vor, das ganze Zeug erst zu kochen, bevor man es in die Biogasanlage schmeißt.
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