Eben noch beschwor EU-Ratspräsident Charles Michel die "Freundschaft" mit Katar. Was steckt wirklich dahinter? |
Wie tief ist der Sumpf, aus dem das kroch? Wie gründlich müssen die Frösche trockenlegen, was eben noch als das womöglich einzig korruptionsfreie Parlament in ganz EU-Europa galt? Vor allem aber: Wie weit reicht der Einfluss des möglicherweise als Katar identifizierten Geldsack-Emirats am Persischen Golf in die europäischen Institutionen? In die gemeinsamen höchsten Räte? Und in die einzelnen Regierungen der Mitgliedsstaaten? Sorgen sind angebracht, große Sorgen, denn noch haben belgische Polizei und Staatsanwaltschaft keinen Überblick über die Anzahl, Größe und Verteilung der Geldsäcke unter Verantwortungsträgern der Wertegemeinschaft.
Haufenweise Einfallstore für Bestechung
Allein 14 Vizepräsidenten - die EU braucht jeden einzelnen, um die verschiedenen europäischen Parteifamilien je nach Größe mit der entsprechenden Anzahl an Posten zu versorgen - sind 14 Risiken. Dazu kommen 27 Kommissare und mehr als 300 Minister*innen in den Mitgliedsstaaten. Eine geradezu unbeherrschbares Konfliktpotenzial, wie schon die Parade der deutschen Spitzenvertreter der Zivilgesellschaft in Doha zeigte. Bundeskanzler Olaf Scholz etwa lobte ausdrücklich die "Fortschritte", die im Reich der Blutprinzen gemacht worden seien.
Als Bundesregierung haben wir uns früh um Fragen von Menschenrechten und Rechten der Arbeiterinnen und Arbeitern gekümmert, die die Stadien gebaut haben", sagte er nach seiner ersten Audienz bei Scheich Tamim bin Hamad Al Thani. "Da haben wir sehr genau hingeschaut und auch Fortschritte gesehen". Robert Habeck, der mächtige Klimaminister an Scholz' Seite, scheute nicht einmal den traditionellen Hofknicks, als er kurz nach Kriegsausbruch beim autokratischen Alleinherrscher um fossile Menschenrechtsenergie bat. "Die Förderung von Erdöl und Erdgas schafft Machtkonzentration und Machtkonzentration schafft häufig auch Anfälligkeit für Korruption", fasste der Grüne seinerzeit weitsichtig zusammen, aber "moralische Einkäufe im Bereich der fossilen Energien gibt es nicht wirklich".
Moral ist für Sonntagsreden
Mit den Wölfen heulen, wenn es denn der eigene Schade nicht ist. Emmanuel Macron hat das früh begriffen. Für den französischen Präsidenten existieren moralische Kategorien ausschließlich, um in Sonntagsreden beschworen zu werden. Korruption ist hier so wenig Thema wie Summen von einer halben, einer ganzen oder ein paar Millionen eine Rolle spielen.
Es geht vielmehr um Milliarden, um echte Deals vor aller Augen, bei denen für beide Seiten etwas herausspringt. Nur so gelangen Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die französische Staatsbahn oder der deutsche-französische Airbus-Konzern an die Gasdollars der Emire. Positiv für Katar: Zwar starben beim Bau der Stadien eine unbekannte Anzahl an "Gastarbeitern" (Stern) und "Arbeitssklaven" (RND). Bei der neuen U-Bahn von Doha hingegen, an der die Deutsche Bahn, die Pariser Verkehrsgesellschaft RATP und den Bahngesellschaft SNCF mitgebaut haben, kam es nach Recherchen deutscher Medien zu nicht einem einzigen Un- oder gar Todesfall.
Es war Charles Michel, der sich in seiner Funktion als sogenannter "Präsident des Europäischen Rates" für Katar in die Bresche warf. Bei einem Besuch im blutigen Sand ließ der Belgier, Sohn eines wallonischen Politikergeschlechts, diplomatisch jeden Hinweis auf Menschenrechte, Gleichstellung, Regenbögen und sonstige europäische Werte weg.
Sein Besuch hier in Katar sei vielmehr "ein wichtiges Signal unseres politischen Willens, die Beziehungen zu Katar zu stärken", sagte Michel. Von Seiten der EU bestehe der politische Wille, "die sehr guten Beziehungen zu Katar zu verbessern und das Niveau unserer gemeinsamen Ambitionen zu erhöhen". War es noch nicht Liebe, so war es doch schon "Freundschaft" oder zumindest nannte es Charles Michel so: Es sei fest davon überzeugt, dass die Freundschaft mit Katar ein wichtiger Hebel sei, um die aktuell extrem schwierigen Herausforderungen im Energiesektor, bei der wirtschaftlichen Entwicklung und bei der Sicherheit gemeinsam zu meistern.
Gute Reise gegen Gas
Es ist ein Geben und Nehmen und wer Gas will, der muss etwas etwas anbieten, das der andere haben möchte. Wie die jetzt versteckt im Hintergrund agierende Eva Kailis machte sich deshalb auch Charles Michel als Vertreter der Mitgliedsstaaten der EU für rasche "Fortschritte bei der Befreiung von der Visumpflicht" für die 300.000 katarischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger stark, die derzeit noch darunter zu leiden haben, dass sie behandelt werden als hätten sie es nötig.
Er sei "zuversichtlich, dass wir in den kommenden Wochen einige starke Entscheidungen zu dieser Frage treffen können", versprach Michel dem Scheich und in die Hand zudem, dass aus Brüssel kein kleinliches Genörgel an katarischen Grundwerten kommen werde. "Ich bin auch absolut sicher, dass der gute Dialog und das gegenseitige Verständnis, der gegenseitige Respekt der Schlüssel sein werden."
Katarischer Respekt für europäische Werte
Bei der EU-Kommission rannte der frühere belgische Ministerpräsident damit offene Türen ein. Bereits im April hatte Ursula von der Leyen vorgeschlagen, Katar mit Visafreiheit für ein Entgegenkommen bei der Versorgung mit Freiheitsenergie zu belohnen. Der für die "Förderung unserer europäischen Lebensweise" zuständige Vizepräsident Margaritis Schinas, wie Eva Kailis ein Griechender, war es ein Meilenstein. "Dies wird die zwischenmenschlichen Kontakte erleichtern und die geschäftlichen, sozialen und kulturellen Beziehungen vertiefen", war er sich sicher. Der Schritt sei "das Ergebnis der erfolgreichen Bemühungen der Regierung Katars, weitreichende Reformen durchzuführen", und er spiegele zudem "die immer intensiveren und engeren Beziehungen der EU zu beiden Ländern wider".
Der gemeinsame Ehrgeiz
Schinas hoffte damals noch, dass das Europäische Parlament und der Europäische Rat den Vorschlag der EU-Kommission "rasch annehmen werden". Doch die europäischen Mühlen mahlen glücklicherweise langsam, der "gemeinsame Ehrgeiz" von EU und Katar, "uns für mehr Stabilität, für mehr Sicherheit, für mehr Wohlstand einzusetzen" (Charles Michel) wurde in den darauffolgenden Monaten ausgebremst durch die aufkommende Katar-Kritik, die neuen Migrationströme und die Kriegsanstrengungen der EU-Parlaments.
Weder Rat noch das größte zumindest halbdemokratisch gewählte Parlament der Welt fanden Zeit, die Visafreiheit für Emire, Scheichs und Familienanhang durchzuwinken. Obwohl "diese Zusammenarbeit extrem wichtig ist" und Charles Michel dem katarischen Scheich noch im September in Doha versprochen hatte: "Sie können auf uns zählen", kam die gemeinsame Sache nicht voran. Nicht genug gezahlt. Zu früh die Geduld verloren. Doha schickte seine Geldkoffer nach Brüssel. Auftragsgemäß lobte Eva Kailis das Golfemirat dafür in einer "unfassbaren Rede in den Himmel" (Focus). Und umgehend zog das EU-Parlament Konsequenzen: Wegen der Korruptionsermittlungen sollen die Verhandlungen über die Visa-Freiheit weiterhin auf Eis gelegt bleiben.
Zugleich haben auch die EU-Kommission und eine große Mehrheit der EU-Staaten reagiert. Für Ungarn vorgesehene Milliardenzahlungen aus dem europäischen Gemeinschaftshaushalt in Höhe von 6,3 Milliarden Euro sollen zurückgehalten werden, bis die ungarische Regierung die auf dem Kontinent allgemein übliche Rechtsstaatlichkeit komplett umgesetzt hat.
10 Kommentare:
Der ganz Post in einem Bild.
In ihrer 'unfassbaren Rede' bewegt sich die Griechende auf der Linie von FIFA und DFB. Die 600'000 hätte auch von Infantino (so ein bescheuerter Name) sein können.
Den Scheichen kann man aber wünschen, dass sie bei ihren Geldempfängern in Zukunft etwas genauer hinsehen oder dass sie mal Beratung bekommen, wie man richtige Politiker richtig kauft.
Im Sumpf deutscher Rechtschreibung.
-----
🇷🇺 Satellitenbilder des russischen strategischen Luftwaffenstützpunkts Engels und eine Botschaft an die Beobachter.
"TOT DEN NAZIS"
OT
Blimpi 13. Dezember 2022 at 12:30
Die Beweislast des Staates,ist einer der Feiler eines Rechtsstaates.
Ich kenne nur den Stachanow-Arbeiter Wladimir Lokomofeilow, der als erster eine Dampflok aus einem Stück feilte.
Und die Bärboçk der Ukraine schenkt zwecks Gèwìnnunģ eines Ģeñeratoŕs
NAZ DEN TOTIS
Was macht dex Griech*ende eingentlich für einx Gest_n mit den Vorderpfoten? Kommt mir irgendwie - descha vüh ...
Sehr feinsinnig beobachtet. Ausspreche Anerkennung.
Ich weiß gar nicht, was das Ausland bezüglich der Visafreiheit für die EU immer für Anstrengungen unternimmt. Die Blutscheichs müssen nur in ein Flugzeug steigen und nach Schland fliegen. Am Flughafen müssen sie dann nicht einmal einen Pass dabei haben. Es reicht wenn man kurz und bündig "Asyl" sagt, dann ist der Käse gegessen und es folgt die garantiert unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis. Wenn der Scheich will, kann es sich für die Zeit seines Aufenthalts sogar noch das Bürgergeld auszahlen lassen und auf eine kostenfrei Krankenversorgung zurückgreifen. Das ist doch viel besser als jedes Visum.
Von Seiten der EU verstehe ich das zögern genau so wenig. 300.000 Kataris! Das ist alles.
Selbst wenn alle von denen die visumsfreie Einreise zum bleiben nützen würden, wäre dieser kleine Haufen doch kein Problem. Die meisten von denen würden sowieso nach Deutschland kommen. Und dort würde man sie mit offenen Armen begrüßen. Wir haben Platz!
Kommentar veröffentlichen