Mittwoch, 30. November 2022

Der Sammler: Meine schönsten Staatsbürgerschaften

17 Staatsangehörigkeiten besitzt Jean Andreas Elferat derzeit. Er findet es gut, dass Deutschland beschlossen hat, seine künftig global offensiver zu vermarkten.

Sie streiten wieder in der Berliner Ampel, diesmal nicht um Pfennigbeträge bei der Rettung der Bürgerinnen und Bürger und nicht um Tage und Stunden, die die deutschen Atomkraftmeiler weiterlaufen können, sollen oder nicht. Als neues Schlachtfeld nach den außenpolitischen Wochen rund um den am Ende dann zumindest für Deutschland doch noch sehr erfolgreichen Klimagipfel in Scharm El-Scheich ist die Innenpolitik auserkoren.  

Kluger Schachzug

SPD-Innenministerin Nancy Faeser, der im Amt nur noch wenige Wochen bleiben, ehe sie Ministerpräsidentin n Hessen werden wird, eröffnete das Spiel mit einem klugen Zug: Mehr Einwanderung, mehr Staatsbürger, mehr Deutsche, Fachkräfte, Kinder und überhaupt solle ein neues Staatsbürgerschaftsrecht bringen, das die Hürden für Wunschdeutsche senkt, ein friedliches Nebeneinander von diversen Staatsbürgerschaften erlaubt und damit nicht zuletzt auch die Aussichten erhöht, dass künftige Bundestrainer für die Fußball-Nationalmannschaft irgendwann doch wieder Fachkräfte für hinten rechts, links und vorn in der Mitte finden.

Das Protestgeschrei war dennoch groß, nicht nur in Sachsen. Ausländerfeinde, Anti-Diverse und Ablehner einer gesunden, durchmischten Gesellschaft, wie sie etwa anderswo längst zu finden ist, gingen auf die Barrikaden. Eine Staatsbürgerschaft, selbst wen es sich nur um die deutsche handele, dürfe man nicht "verramschen" hieß es. Auf dem Höhepunkt einer auf Asylrecht und der Hilfe für Kriegsflüchtlingen  gründenden Einwanderungswelle sei es der falsche Augenblick, weitere Millionen Fachkräfte ins Land zu holen. Und: Die kolonialistische Sitte, sich fehlendes Personal, am liebsten junge, auf Kosten anderer Volkswirtschaften gutausgebildete Menschen einfach "schenken" zu lassen, wie es die grüne  Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt vorgeschlagen hat, könne kein Weg sein für ein Land, das schon in der Ära der sogenannten Gastarbeiter schwere Schuld auf sich geladen habe.

Ein Staatsbürgerschaften-Sammler spricht

Zu hoch gehängt, zu ernst genommen, sagt Jean Andreas Elferant, der schon seit mehr als 20 Jahren Staatsbürgerschaften sammelt. Derzeit besitzt der gebürtige Rüganer 17, Antragsverfahren für weitere elf laufen, wie er sagt. Staatsbürgerschaften seien sein Hobby, kein einfaches, denn es gelte, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. "Doch mir macht es Spaß 8nd ich kann mir nichts schöneres vorstellen als den Augenblick, wenn ein neuer Pass zugeschickt wird oder ich in einem neuen Land, in dem ich vorher nie war, feierlich meine Einbürgerungsurkunde überreicht bekomme."

Elferant, von Beruf Jungunternehmer in der Elektrokaminbranche, hat seine Wahl jedenfalls nie bereit. "Dabei ist sie damals nicht strategisch gewesen", räumt er ein. Vielmehr begann alles mit dem Sport, dem seinerzeit die ganze Leidenschaft des großgewachsenen und heute noch durchtrainierten Mecklenburgers begann. "Ich war gut, aber für die deutsche Equipe nicht gut genug", erzählt er, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Doch der Traum von Olympia und von Weltmeisterschaften, er lebte tief in ihm. "Dafür macht man das doch." Als dann ein Angebot aus dem asiatischen Raum kam, für die dortige Nationalmannschaft zu starten, "musste ich nicht lange überlegen". Seine deutsche Staatsbürgerschaft habe er ja behalten dürfen. "Für mich änderte sich also nichts."

17-facher Staatsbürger

Jean Andreas Elferat war nun auch Thailänder, wenig später kam eine vietnamesische Staatsbürgerschaft dazu, "denn bei einem Besuch dort habe ich mich verliebt." Es war der Beginn eines märchenhaften Aufstiegs des beruflich meist sehr eingespannten Mittdreißigers zu einem der weltweit führenden Staatsbürgerschaftensammler. "Soweit ich weiß, liege ich im Moment auf Platz sieben", sagt er selbst. 

Eine offizielle Rangliste gibt es nicht, da das Sammeln in den meisten Staaten derzeit noch mit schelen Blicken bedacht wird. Die USA etwa, an deren Staatsbürgerschaft Elferat über ein längeres Antragsverfahren und einen mehrjährigen USA-Aufenthalt samt kurzzeitiger Ehe mit einer Amerikanerin kam, verlangten eigentlich, dass fremde Staatszugehörigkeiten abgelegt würden. Ein Unding für den Familienvater, denn er besitzt längst auch die türkische Staatsbürgerschaft. "Und die lässt sich gar nicht ablegen."

Die geheimen Tricks der Staatsangehörigkeitensammler

Über die Einzelheiten, wie sich Staatsbürgerschaften herbeiorganisieren ließen,, schweigt des Sammlers Höflichkeit. Der Sport könne helfen, etwa  über korrupte asiatische Verbände, die stets Skifahrer, Rodler und Skispringer suchten. Im Mittelmeerraum dagegen sei Geld das Mittel der Wahl. Viele EU-Staaten bezahlten schon kleinere Investitionen von Ausländern nicht nur mit größeren Steuervorteilen, sondern auf Wunsch auch mit der Vergabe der Staatsbürgerschaft. Zypern sei ein heißer Tipp, wer Malteser werden wolle, müsse hingegen mehr investieren: "Da wird schon verlangt, dass man in Deutschland ein Konsulat eröffnet." Schwierig sei die Schweiz, Österreich dagegen habe wie Kanada einen Fokus auf Abstammung und Blutlinien. "Da lässt sich mit ein paar Euro immer eine Urgroßmutter finden."

Dass Deutschland jetzt beschlossen hat, seine künftig Staatsangehörigkeit global offensiver zu vermarkten, begrüßt der Sammler. "Es wurde Zeit", sagt er, "denn ich kenne viele, die sich seit Jahren bemühen, aber in den Mühlen der Bürokratie hängengeblieben sind." Zu hoch die Hürden, zu streng die Anforderungen. "Dabei haben wir doch einiges zu bieten", sagt Elferat und verweist auf die ausgezeichneten Sozialleistungen, die Autobahnen ohne Tempolimit und die  großen Anstrengungen, die CO2-Werte zu senken. Wer Teil dieses großen Transformationsprozesses werden wolle, müsse die Möglichkeit haben, unbürokratisch und ohne langen Wesenstest. "Ich sage da, jeder ist eingeladen, also muss auch jeder kommen und bleiben können."

Ein Hobby, das nicht billig ist

Das Hobby gilt denen, die es betreiben, als nicht einfach und schon gar nicht billig. "Man ist viel unterwegs, überall halten Leute die Hand auf", berichtet Elferat von seinen Reisen rund um die Welt. Dafür aber sei das Staatsbürgerschaftensammeln höchst interessant, man treffe viele Menschen, lerne viel über unterschiedliche Konzepte von Bürokratie, über verschieden Korruptionslevel und kulturelle Eigenheiten. So sei er etwa auch Bürger einer sogenannten native nation in den Vereinigten Staaten, eine Staatsangehörigkeit, die derzeit noch nicht weltweit anerkannt werde. "Aber im Zuge von black lives matter denke ich, dass die Aussichten gut sind, dass diese Diskriminierung nicht auf Dauer bestehen bleibt." 

Für den Staatsangehörigkeitensammler waren es goldene Zeiten, als viele EU-Krisenstaaten begannen, ihre Staatszugehörigkeiten an potente Interessenten zu verkaufen. 3.609 Menschen gelangten so an eine zyprische Staatsbürgerschaft, nicht einmal auf illegalem Wege, denn wem welcher Staat seine Bürgerschaft verleiht, ist seine eigene Sache. Dass die Praxis, Fremde mit offenen Armen willkommen zu heißen, später skandalisiert wurde, lässt Andreas Elferant nur mit dem Kopf schütteln. Neun Monate hätten seinerzeit Untersuchungen gedauert, die auf Wunsch der EU in Gang gesetzt worden waren. Letztlich habe sich nur herausgestellt, dass Antragssteller für ein "goldene Dokument", das etwa Reisefreiheit in der EU gewährt, auf Zypern mindestens 2,5 Millionen Euro investieren mussten. 

Ein offenes Geheimnis

Für Elferat kein Geheimnis. „Jeder wusste das.“ Zyperns Präsident Nikos Anastasiades verteidigte die Praxis, Menschen auf Wunsch zu Zyprioten zu machen, mit den damit genererten Investitionen in Höhe von 9,7 Milliarden Euro - Geld, das vor allem wegen der schweren Finanzkrise des Landes im Jahr 2013 dringend nötig gewesen sei. Und geschadet habe das doch niemandem, betont Elferat. Staaten wie Malta und Portugal hätten Geld bekommen, Staatsbürgerschaftensammler wie er einen zusätzlichen Pass mit Wahlrecht und anderen Privilegien. „Im EU-Maßstab gesehen aber fallen wir paar Leute überhaupt nicht ins Gewicht“, versichert er. Auch illegal sei die Vergabe an sich nicht. Dass die EU-Kommission Antragsteller unter Pauschalverdacht stellt und ihnen vorwirft, in den Bereichen Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption Risiken zu schaffen, hält er für ein Unding.

Wo sind die offenen Grenzen

Die Gemeinschaft steht für offene Grenzen, ein Pass ist ein Schlüssel, um Türen zu öffnen.“ Dass die EU Zypern zwang, seine liberale Vergabepraxis zu stoppen, wiederspricht aus seiner Sicht dem Grundanliegen der EU, weltweit Zeichen zu setzen für Durchlässigkeit und offene Arme für jedermann. Nur weil auch viele in Bedrängnis geratene sogenannte russische Oligarche von der umstrittenen Praxis profitierten, so dass der zypriotische Parlamentspräsident Demetris Syllouris sein Amt im Oktober 2020 wegen seiner Verwicklung in die Vorgänge niederlegen musste, ist aus Elferats Sicht kein Argument gegen einen entspannten Umgang mit den begehrten Papieren. "Wir sind alle Menschen“, betont Elferat, „und ich finde, dass uns allen als Erdenbürger die Wahl blieben muss, der zu sein, der wir sein wollen."

Die Windrichtung aber hat sich zuletzt geändert, heute weht ein Sturm den harmlosen Sammlern ins Gesicht. Gegen Malta startete die EU  Vertragsverletzungsverfahren wegen des Handels mit maltesischen Staatsbürgerschaften, obwohl die maltesische Regierung betonte, dass der Verkauf von maltesischen Staatsbürgerschaften nur vonstatten gehe, wenn der Bewerber seit mindestens einem Jahr in Malta zu wohnhaft sein. Andreas Elferat beklagt sich. "So lange dieses Kriterium nur bedeutete, dort eine Wohnung gemietet zu haben, war das leicht zu erfüllen." Nach den Drohungen der EU sei die Vorgabe aber faktisch verschärft worden. "Man muss nun wirklich dort sein und sich dort sehen lassen."

Gabuner, Slowene und Slowake zugleich

Er selbst, mittlerweile auch Bürger von Gabun, Jordanien, Spanien, Schweden, Ecuador, Peru, Kolumbien und Brasilien, sei zufrieden mit dem bisher erreichten. "Mir ist es ja sogar gelungen, Este, Pole, Tscheche und Slowake, aber auch Slowene und Kroate gleichzeitig zu werden. Auf die ukrainische Staatsbürgerschaft warte er noch, ebenso auf die Litauens, Finnlands, Irlands und einer Reihe weiterer Staaten "rund um das Mittelmeer", wie er formuliert, ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen. Soweit ich weiß, hält der führende Staatsangehörigkeitensammler weltweit, ein früherer Fußballprofi, im Moment 64 Staatsangehörigkeiten", sagt Elferat. Es werde ein langer, ein sehr langer Weg für ihn, dorthin zu kommen. "Aber ich habe ja noch einige Jahre vor mir, warum also nicht."



3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Reform sei lange überfällig und "eine große Chance, unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken".

Es habe viele Menschen "tief verletzt", dass die Debatten in der Vergangenheit häufig von "Stimmungsmache" geprägt gewesen seien, schrieb Faeser.


Das ist die Phrasenpolitik, für die die Ampel gewählt wurde.

Ich kann mir vorstellen, wie 'viele Menschen' zu Faeser gegangen sind und ihr gesagt haben, sie seien 'tief verletzt'. Ich meine, Faeser wird sich sowas doch nicht einfach ausdenken.
Einige andere 'tief verletzte' Menschen liegen inzwischen auf den Friedhöfen, aber das sind dann die, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt im Weg standen.

Anonym hat gesagt…

wir müssen viel mehr lernbehinderte Minderleister für die Produktion einfacher Dinge herholen

Anonym hat gesagt…

tief verletzt liegen Frederike Hüllenschon-Handlich und Malte Holundergas-Garstig auf dem wiener Zentralfriedhof und schreiben einen Beschwerdebrief an Frau Dr. Fraezer .

"Tod durch Stimmungsmache" steht auf dem Totenschein . Nun haben sie sich festgeklebt um gegen diese böse Politik zu demonstrieren