Montag, 17. Oktober 2022

Kernkraft-Kompromiss: Begrenzte Energiesicherheit

Wenn es um den Machterhalt geht, steht am Ende immer der Kompromiss und alle strahlen, weil sie gewonnen haben.
  

Es gilt als höchste Kunst in der Politik, unvereinbare Positionen zu versöhnen, Kompromisse zu schmieden ohne Feuer, Rauch und Metall, und am Ende alle, die ihre Prinzipien gebrochen haben, dastehen zu lassen, als hätten sie das nicht getan. Jeder soll Sieger sein könne, selbst wo alle nur verloren haben. Das Ergebnis, das ein solcher Kompromiss mit sich bringt, spielt hingegen keine Rolle. Wichtig ist nur, dass alle damit leben und jeder behaupten kann, das Erreichte sei ganz genau das, was er von Anfang an gewollt habe.

Krise der Kernspaltung

Das muss klappen, gerade in einer gesamtgesellschaftlichen Situation, die als so angespannt gilt, dass nicht einmal mehr die Fachbehörden und Fachmedien völlig ausschließen wollen, dass es zu krisenhaften Winterwochen ohne Strom, Gas und Lebensmittelversorgung kommen kann. Das wäre eine Lage, an der niemand schuld würde sein wollen - vom Ende her denken wie die Kanzlerin es die politische Konkurrenz über Jahrzehnte hinweg gelehrt hat, haben denn auch die Grünen anerkannt, dass es ohne eine leere Geste bei der Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke nicht gehen wird.

Die Gesellschaft soll den Eindruck haben, dass alles nur Denkbare getan wird. Die Parteibasis aber soll wissen, dass es trotz der veränderten Weltlage, trotz der 30 bis 40 neuen Erdgaskraftwerke aus dem grünen Wahlprogramm, die nun nicht mehr gebaut werden, keine Einsicht in die Notwendigkeit grundlegend neuer Überlegungen zur deutschen Energieversorgung gibt. "Aus der Sache herauz begründet", sei der Vorschlag, nicht am 31. Dezember, sondern erste am 15. April Schluss zu machen mit der Geschichte der Kernenergie in Deutschland, hat die grüne Parteichefin Ricarda Lang die "rote Linie" (Lang) gezogen, hinter die kein Grüner mehr zurückweichen kann.

LNG und andere Zachen

Wenn man weiter länger gehen würde, müsste man neue Brennstäbe kaufen", sagt Lang, "wir aber werden bis zum Zommer die Möglichkeit geschaffen haben mit dem Ausbau anderer Zachen, LNG und andere Zachen". Das reicht, das macht "Verzorgungssicherheit", das hat "extra der Stresstest" gezeigt und nur wegen"Züddeutschland, weil in Franbkreich die Atomkraftwerke nicht anfahren" treffe man überhaupt Vorzorge. Zwei Meiler von dreien, 100 Tage länger. "Das ist unser Kompromissangebot." So steht es auch im Gesetz.

Den Liberalen, medial wie immer besetzt als verantwortungslose Fortschrittsbremsen, gefährlicher Störfaktor und eigensüchtige Verächter von Angela Merkels Volkswillen von 2011, fordern nun aber drei Kraftwerke und wenigstens 400 Tage Weiterbetrieb. Als hätte Deutschland keine anderen Sorgen! Als habe Kernkraft Zukunft! Wo soll da die Mitte sein? Welche Brücke führt hinüber zu Robert Habeck, Jürgen Trittin, Luisa Neubauer und Greta Thunberg. Was kann Bundeskanzler Olaf Scholz den beiden Streithähnen Robert Habeck und Christian Lindner anbieten, um seine eigene Mitverantwortung für einen möglichen Blackout vorbeugend zu verhindern, die Grünen nicht zu verlieren, aber auch die FDP bei der Stange zu halten?

Grenzenlose Fantasien

Politische Fantasie ist zum Glück grenzenlos, so dass der Möglichkeiten zahllose sind. Da sich die grüne Position "aus der Realität ableiten" lässt, wie Ricarda Lang festgestellt hat, und das, obwohl es "zehr, zehr viele gibt, denen dieser Schritt schwergefallen ist um über unseren Schatten zu springen", geht es am Ende um die Anpassung der Energieversorgung des Landes an die eigenen Laufzeitversprechen. Frankreichs Energieversorgung habe zu sehr auf Kernkraft gesetzt, geht grüne Logik. Die fehle nun. Und das zeige, dass Deutschland seine Kernkraftwerke schnellstmöglich abschalten müsse.

Nur die Angst vor dem Volkszorn motivierte den vorübergehenden Teilausstieg der Grünen aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg. Gedacht war die Schaffung der "begrenzten Einsatzreserve" (®© BWHF) durch die Bundesworthülsenfabrik in Berlin allerdings weniger als Beitrag zur Energiesicherheit als vielmehr als vorbeugendes Signal für den Fall der Fälle, dass es doch schlimmer kommt als gehofft. Kalter Winter. Kein Wind. Ohne Sonne. Und der Franzmann immer noch beim Löcherschweißen. Man muss dann, das wissen insbesondere die Grünen genau, sagen können, dass man alles getan hat.

Nie genug

Die FDP aber will mehr. Sich profilieren. Spalten. Auf Nummer Sicher gehen. Statt zwei Kraftwerke 100 Tage weiterlaufen zu lassen, könnte eines 200 Tage laufen. Statt neue Brennstäbe zu kaufen, müsste nur eine Möglichkeit gefunden werden, die alten weiterzuverwenden oder die neuen nicht "liefern" zu lassen, denn "wir finden jegliche Lieferungen falsch", hat Ricarda Lang  noch einmal festgenagelt, was "Wirgrüne ganz klar gesagt" (Lang) haben. Den Blackout, mit dem mittlerweile auch seriöse Gemeinsinnsender hausieren gehen, schließe sie aus, so die Abiturientin aus Nürtingen. Die Kernspaltung könne zumindest in Deutschland nicht helfen, nicht einmal bei der Beantwortung der Preisfrage, "es gibt ja jetzt schon Probleme beim Preis, ein kleiner, kleiner, kleiner Teil ist durch Putins Krieg hochgegangen". 

Da muss nun aber die "Strompreispremse" (Lang) ran, nicht die Kernspaltung, "Lösungen, die wirklich was bringen", wie die bereits in zweiter Generation SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer für ihren zeitweise abgetauchten Bundeskanzler festgestellt hat. Niemand wird wollen können, dass Deutschlands allererste Fortschrittskoalition an einer nebensächlichen Frage wie der der Energieversorgung scheitert. Alle müssen sich bewegen. Keiner kann sich rühren. Alles wird ganz, ganz gut.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der erinnert mich an die Superangebote, wo man was für 'ne bestimmte Zeit gratis hat.
Die ersten 4 Wochen gratis. Und dann?
100 Tage mehr Laufzeit. Und dann?

Die Anmerkung hat gesagt…

OT

Der Süddeutsche Beobachter hat Isabel Pfaff nach Bern geschickt, damit sie dort ordentliches Deutsch lernt.

Ein bißchen kann sie schon.
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