Ein Preisbildungspult bei der neuen EU-Preisbegrenzungsbehörde EPRA: Beruhigende Eingriffstiefe. |
Der Entschluss der EU-Kommission zur Einführung eines Preisdeckels für Erdgas gilt als wegweisend, auch wenn die Mitgliedsstaaten im Streit um die genaue Ausgestaltung der Solidaritätsverpflichtung dafür sorgten, dass schließlich doch nicht wie vorgesehen der gesamte Handel mit Gas über eine neue EU-Plattform abgewickelt werden wird, sondern nur symbolische drei Prozent. Vor allem Deutschland und Frankreich, untereinander schwer im Zwist, verhinderten eine "Mehrheitsentscheidung", wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz eigentlich als Zukunft der EU ansieht. Statt die komplette Marktmacht der 440 Millionen EU-Bürger zu bündeln, um Verkäufer mit möglichst niedrigen Angeboten unter Druck zu setzen, wird nun ein smarter Mechanismus eingeführt, der Preisspitzen im Handel mit Gas einhegen wird.
Dynamischer Preisdeckel
Markus Endemann ist einer der ersten Mitarbeiter der neuen Europäischen Preisbegrenzungsbehörde (deutsch: EPBB), einer Hightech-Einheit, deren endgültiger Sitz zwischen den Mitgliedsstaaten noch ausgehandelt werden soll. Derzeit noch in Brüssel beheimatet, wird die European Price Restriction Authority (EPRA) spätestens zum Ende der aktuellen Heizperiode rund 564 Mitarbeitende haben. Die in drei schichten arbeitenden Neueinstellungen werden mit Hilfe von AI-Computertechnik, aber auch menschlicher Entscheidungskraft für die tagesaktuelle Ausgestaltung des von der EU-Kommission "vorgeschlagenen dynamischen Preisdeckels für mehr Versorgungssicherheit zu niedrigeren Preisen" (von der Leyen) sorgen.
Die ersten Erfahrungen seien überaus ermutigend, berichtet Endemann im PPQ-Gespräch. Seit sieben Wochen schon arbeitet der 47-jährige Einzelhandelskaufmann bereits bei der EPRA, "die ersten Wochen haben wir aber mit der Einrichtung des Rechenzentrums und der Pausenräume verbracht", sagt er. Mittlerweile aber sei EPRA startbereit. "Wir führen jeden Tag Kaltberechnungen durch, die uns zeigen, dass der von vielen EU-Staaten geforderte Erdgas-Preisdeckel, den beinahe ebenso viele Staaten ablehnen, sich so flexibel gestalten lässt, dass die Versorgungssicherheit sichergestellt, trotzdem aber Preise im Blick bleiben."
Hochtechnisierte Preisdämpfungsfilter
Verantwortlich dafür ist weniger der hochtechnisierte Preisdämpfungsfilter, den die EU-Kommission vorerst in der Cloud eines großen US-Anbieters laufen lässt. Sondern Mitarbeitende wie eben Markus Endemann, die mit Kreativität und Virtuosität sicherstellen, dass Terminkontrakte wie gewohnt nach Angebot und Nachfrage gehandelt werden, dabei aber vor allem im Blick gehalten wird, wie Bürger:innen und Bürger am besten entlastet werden. Der deutsche Alleingang, bis zu 200 Milliarden neue Schulden jenseits der verfassungsmäßigen Grenzen und der EU-Schuldenregeln aufzunehmen, um die Lage im Land zu beruhigen, hätte nicht sein müssen, sagt Endemann. lockergemacht. "Schon mit den simulierten ersten Einsätzen der Gaspreisbremse ist es uns ja gelungen, den Preis für Terminkontrakte auf 132 Euro je Megawattstunde zu drücken."
Das sei immer noch wesentlich mehr als vor Kriegsausbruch, aber deutlich weniger als vor dem ersten Wirkbetrieb der EPRA. Dass der sogenannte "Marktkorrekturmechanismus" funktioniert, ohne marktwirtschaftliche Grundsätze außer Kraft zu setzen, dafür ist Markus Endemann federführend mitverantwortlich. Von Beruf Kaufmann, profitiert der aus dem brandenburgischen Breddin stammende großgewachsene Preisbrecher vor allem von seiner Ausbildung als Kirchenmusiker und Organist. Er habe bereits als Kind viel am Klavier gesessen, erzählt er, und dann als junger Mann Orgel, Schlagzeug und Fagott studiert. Instrumente, die ein hohes Maß an Körperkoordination erfordern.
Preisminderungsarbeit wie Musik
Wie auch die Arbeit in der Leitwarte der EPRA. Die Mitarbeitenden und Mitarbeiter sitzen hier vor gewaltigen Monitorwänden, auf denen die jeweils akute Preisvolatilität an der größten Gasbörse der Europäischen Union zu sehen ist. Mit Fußpedalen und Handrädern, aber auch mit speziellen Eingreifknöpfen und softwarebasierten Schiebereglern können Endemann und seine Kollegen sogenannte überscharfe Verkäuferforderungen eindämmen und extreme Preisspitzen im Derivatehandel verhindern. "Dazu nutzen wir einen befristeten Mechanismus, der ein dynamisches Preislimit für Transaktionen an der niederländischen Title Transfer Facility (TTF) vorschreibt", erläutert Endemann die Funktionsweise der zahlreichen Fußhebel und Stellknöpfe an seinem Preisbildungspult.
Die ersten Ergebnisse machen den verheirateten Familienvater stolz, auch mit Blick auf seine eigene Frau, die beiden Kinder und die Schwiegereltern daheim in Deutschland. "Wir spiegeln hier mit unserer Arbeit die wahre Energiewirklichkeit in der EU wider, nachdem Russland seine Lieferungen nach Europa gekürzt hat und der Anteil des Gases aus Moskau von 40 auf etwa 7 Prozent gesunken ist", ist er sicher. "Und da geht noch mehr."
Spekulanten ausmanövriert
Indem man mit gezielten Eingriffen Spekulationen ausmanöveriere, stehe zwar nicht mehr Gas zur Verfügung, aber es gebe bisher auch keine Schwierigkeiten bei der Versorgung einiger Mitgliedstaaten mit Erdgas. "Schließlich benutzen wir nur einen Mechanismus zur temporären Begrenzung von Preisspitzen innerhalb eines Tages", umreißt Markus Endemann die Eingriffstiefe der EPRA. Das sei ein "solider Preisbildungsmechanismus", der die Bürger*innen in Europa vor großen Preisspitzen schütze und ihre Versorgung sichere. Der Marktkorrekturmechanismus (MKM) sei eine beeindruckende europäische Erfindung, um Episoden überhöhten Gaspreise zu beenden. "Und ich hoffe, wir können das System bald auch in anderen Bereichen bei Gütern, waren und Dienstleistungen ausrollen."
Die Arbeit mache zudem großen Spaß. "Es ist wie Orgel spielen", sagt Endemann, jede Schicht eine Improvisation nach Noten, die die vor russischen und chinesischen Gasangriffen hermetisch abgeschottete Preisbildungseinheit in Echtzeit erreichen. Dass Gasanbieter sich wegen der Preisbildungseingriffe der EPRA andere Käufer für ihre Ware suchen könnten, glaubt Markus Endemann nicht.
Der Sound der Preissenkung
Ursula von der Leyen hat energisch ausgeschlossen, dass der Deckel umgangen werden könnte." Um den europäischen Gasmarkt zu schützen, greife zudem eine Preisspanne, die überprüft werde. "Wir können unsere Preisdeckel also auch anheben, um zögernden Verkäufern ein attraktives Angebot zu machen." Diesen "Notbremsen-Mechanismus mit atmender Öffnungsmatrix"
- im politischen Brüssel als "Emergency brake mechanism / breathing opening matrix" oder auch kurz "EBM/BOM" bezeichnet, hat Markus Endemann persönlich aus Deutschland mitgebracht. "Die Idee hat uns daheim ja schon mehrfach gerettet", schmunzelt er.
3 Kommentare:
Der Preisdeckel ist also kein Preisdeckel sondern ein Höchstgebotsdeckel. Wenn alle den gleichen Preis bieten, wird mit einem digitalen Stein-Schere-Papier entschieden, wer den Kontrakt bekommt.
Juhuuu. Endlich haben genau die Politiker, die diese Energiekrise verursacht haben auch die Lösung dazu ausbaldowert. Das Problem der künstlichen Verknappung der Energieträger wird erwartungsgemäß nicht mit einer Ausweitung der Energieförderung beantwortet. Das wäre doch viel zu einfach und würde nur den Kaptalistenausbeutern in die Hände spielen und uns sicher in den Klimatod führen. Mit traumwandlerischer Sicherheit setzen die Herrschenden wieder einmal auf Preiskontrollen und damit mehr Sozialismus.
Leider hat Planwirtschaft in ihrer bisherigen Geschichte nicht so toll funktioniert und noch nie eines der Probleme, dass sie hätte lösen sollen, gelöst. Aber diesmal wird unter der weisen EU-Führung alles ganz anders ablaufen als wie jedes mal zuvor. Die Gasverkäufer werden sich vor Freude nicht einkriegen, dass sie ihr Produkt billiger an EU-Länder verkaufen müssen, als es möglich wäre. Und die Schafe werden sich zu den Wölfen legen.
Und alle werden glücklich und zufrieden sein.
Wieso machen wir das mit der Preiskontrolle denn eigentlich nur bei Gas? Ein Preisdeckel für alles und jeden würde doch die positiven Effekte noch potenzieren. Jeder muss nur noch das bezahlen, was die EU für fair und richtig hält. Wenn das keinen Wirtschaftsboom auslöst, weiß ich auch nicht weiter.
Wie der gute Erich schon sagte: "Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf." Also wieder einmal, vorwärts immer rückwärts nimmer. Wir gehen goldenen Zeiten entgegen.
"Alles wird teurer; nur die Ausreden werden immer billiger." J. R. Hicks
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