Samstag, 17. September 2022

Verrohung der Sitten: Die Sprache, die sie verstehen

Mehr Gang als Kabinett: Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck verstehen sich als eine Art Kriegsregierung, die mit aufgekrempelten Ärmeln, ohne Schlips und mit deutlichen Worten agiert. Abbildung: Kümram, Rügener Kreise auf Toilettenpapier

Es geht immer um einen respektvolleren Umgang miteinander, um politische Debatten, die erklären, wer was wie gut meint. Sprachliche Diskriminierungen oder Verunglimpfungen auf Grund der Herkunft, des Bildungsstandes oder der sexuellen Orientierung gehören nicht zu einer demokratischen Debattenkultur, die eine Grundvoraussetzung für ein gutes Zusammenleben ist, auch wenn Ausrutscher selbst in den seligen Jahren der alten Bundesrepublik vorkamen. Joschka Fischers "Arschloch" ist Älteren noch in frischer Erinnerung, ebenso das "Pack", als das der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel seine Wählerinnen und Wähler in Sachsen abkanzelte, oder den Ausbruch des Liedermachers Wolf Biermann, der die in Linkspartei umbenannte SED den "elenden Rest dessen, was zum Glück überwunden ist", nannte.

Beleidigungen nur nach unten

Dass heute kaum noch Binder getragen wird zum blauen Anzug, jener Polit-Uniform, die das Bild des modernen Berlin prägt, ist die eine Seite der Medaille. Dass Beschimpfungen kaum mehr innerhalb der politischen Blase benutzt werden, dafür aber umso kräftiger dorthin ausgeteilt wird, wo die "deutschen Wähler" (Baerbock) sitzen, bei denen es nicht darauf ankommt, "was sie denken" (Baerbock), gehört zum neuen Ton in Krisenmetropole. 

Dass ein Kanzler heute wie einst Konrad Adenauer vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Kurt Schumacher als "Lügner" und "Bundeskanzler der Alliierten" kritisiert wird, ist unvorstellbar. Dass Parlamentarier einander im Hohen Haus und vor der kleinen, treuen Zuschauergemeinde beim Mini-Sender Phoenix als "Flaschenkopf" und "Übelkrähe" bezichtigen, würde die Republik zutiefst verstören. Die Bezeichnung als "Mini-Goebbels", die einem  späteren grünen Bundesinnenminister von einem Mann  der Union zugedacht wurde, hätte heutzutage das Zeug zum Staatsskandal. 

In der Wagenburg

Nein, sie sind zusammengerückt. Wie in einer fest verammelten Wagenburg tun die Insassen der selbsternannten Mitte des demokratischen Zentrums der Berliner Republik einander nicht weh. Zärtlichkeit ist die Sprache, die sie verstehen. Respekt und Schulterschluss sind das Yin und Yang ihres Herzschlages. Schert jemand aus wie die notorische Linksromantikerin Sahra Wagenknecht, wird schon eine nach historischen Maßstäben hingestreichelte Flanke wie der Satz "Wir haben die dümmste Regierung in Europa" zum Anlass, nach einem Parteiausschluss zu rufen.

Hinter jedem Baum vermuten die Tugendwächter der veröffentlichten Meinung schimpfende Staatsfeinde, hinter jedem verbalen Schienbeintritt eines Demonstranten Richtung der Regierenden lauert eine neue Art von Gewalt: Eingebildet, unsichtbar und unschädlich für den Körper. Dank jahrelanger Bemühungen um den Gefühlshaushalt der Sichbetroffenfühlenden aber als nicht weniger verletzend und verheerend darstellbar als ein blutiger Niederschlag samt nachfolgender Fußtritte in die Weichteile, durchgeführt mit Stahlkappenschuhen.

Erfrischende Offenheit

Aus den Männern mit Hut, die zuweilen nicht nur Anzug, sondern auch Weste trugen, in gemessenen Sätzen sprachen und zumindest zu wirken versuchten, als wüssten sie, was sie tun, sind fahrige Gestalten geworden, die zwar aufeinander Rücksicht nehmen, aber keine Rücksicht auf die Bürgerinnen und Bürger, die ihrem Treiben gebannt zuzuschauen und ihrem Gerede zuzuhören gezwungen sind. Robert Habeck, der Beliebteste unter ihnen, sagt "Alter" wie ein Ghetto-Rapper. Der Kanzler tritt ohne Binder auf und zitiert Fußball-Lieder. Die Außenministerin klingt wie eine Kindergärtnerin, die ihren Schutzbefohlenen klarmacht, dass der Aufenthalt in einer Aufbewahrungsanstalt kein Wunschkonzert ist.

Medien marschieren dem Trend zur Verrohung der Sitten gröhlend voran. "Die Russen wollen immer ficken", heißt es bei einem früheren Nachrichtenmagazin. In einem teilstaatlichen Nachrichtenportal geht es um "Scheiße", Energieunternehmen verdienen sich nebenan "dumm und dämlich" und Kirchenvertreter bekommen eine Plattform gestellt, um andere gezielt als "primitiv und egoistisch" zu bezeichnen. Die Sache selbst spielt meist keine Rolle mehr, die harten Bandagen zielen zuvörderst auf den Gegner selbst und darauf, ihn und seine Ansichten dauerhaft so auszugrenzen, dass künftige Debatten ohne ihn stattfinden können.

Sprache verrät die Absicht

Die Sprache, die dabei gesprochen wird, verrät die Absicht, die dahintersteht. Der Gewalt der Gewöhnlichkeit soll über Ohnmacht und Unfähigkeit hinwegtäuschen, einer Bevölkerung, die die Apokalypse fürchtet, mehr zu liefern als Versprechungen, dass schon ganz bald über Versprechungen beraten werden solle, in denen es um das nächste ganz große Versprechungspaket gehen werde.

Pläne, die nicht aufgehen, weil sie gut sind. Sondern weil es keine besseren gibt. Gehätschelt und getätschelt von einer Leitmedienlandschaft, die sich nicht als Werkzug der Machtkontrolle versteht, sondern als Transmissionsriemen, über den die kluge Politik der jeweiligen Regierung den gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürgern so lange noch besser erklärt werden muss, bis sie endlich als großartig begriffen wird, funktioniert das Prinzip perfekt. Anmut lässt sich ebenso wie Mühe sparen, wo ein Auftritt in der Rolle als Muskelmann reicht, von tatsächlichen und über Monate ungelösten Problemen mit Geschichten über eine "Wirtshausschlägerei" (FAZ) abzulenken.


2 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Rügener Kreise? Malkreise?

Mit etwas gutem Willen kann ich das in der Mitte als Kreis bezeichnen, obwohl es wie ein Eierkopp aussieht.

Es ist wohl doch so, wie ich mal von Usedom (auf dem Dach in Peenemünde) beobachten konnte. Immer wenn der Kümram auf rügen ist, läßt er sich eine Schubkarre Rügener Kreide herankarren und diese von all den Buntmenschen so divers machen, so daß quietschbunte Bildwerke draus werden.

Volker hat gesagt…

hinter jedem verbalen Schienbeintritt eines Demonstranten Richtung der Regierenden lauert eine neue Art von Gewalt: Eingebildet, unsichtbar und unschädlich für den Körper.

Im Gegenzug hat das Regime ein recht lockeres Verhältnis zur körperlichen Gewalt. Genauer gesagt: Ein Nichtverhältnis.
Der Aufmarsch der Demokratieschutzstaffeln ist kein Aufreger, sondern irgendwie Folklore.
Die Morddrohung gegen einen Polizeibeamten zieht ein Aktenzeichen nach sich. Das ist für die Täter Bestrafung genug, irgendwann muss man es auf sich gut sein lassen. Wegen Rechtsfrieden und so.
Knochenbrechen gegen Rechts zu missbilligen, das wäre ja Verrat an den westlichen Werten. Deshalb machen die das nicht.
Steinmeier nicht. Scholz nicht. Faeser nicht. Ramelow nicht.

Und Kritik an den segensreichen Maßnahmen, die Tausende … was sag ich … Millionen Menschenleben gerettet haben, ist ersten Nazi und zweitens sowieso verboten.
In diesem Sinne haben Scholz´ GenossInnen (m/w/s) keinen versuchten Mord begangen, sondern lediglich so was wie versuchte aktive Sterbehilfe. Dafür gibt es keinen Strafrechtsparagraphen, weshalb die Verbrecher nicht bestraft werden.

Uns geht’s guat.