Dienstag, 27. September 2022

Vernässung: Als der Osten unterging

Das große Problem der Vernässungen hat sich jetzt in das große Problem der Trockenheit verwandelt.

S
o schlimm war es selten, viel schlimmer nie. Sachsen-Anhalt, ein Bundesland, das zu nahezu 47 Prozent aus Problemen besteht, sah sich inmitten einer nie gekannten Krise einer unerhörten Bedrohung ausgesetzt. "In vielen Regionen unseres Landes haben hohe Grundwasserstände und Vernässungen der Böden in den vergangenen Jahren viel Ärger, Probleme und Schäden auf privaten, öffentlichen und landwirtschaftlich genutzten Flächen verursacht", musste die zuständige Landwirtschaftsministerin einräumen. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft sprach von etwa 27 Prozent der Gesamtfläche des Landes, die vernässt oder zumindest vernässungsgefährdet waren.  

Aufregung in Magdeburg

Das "Bundesland der regenerativen Energien" (Haseloff) zahlte bitter für den globalen Klimawandel und obgleich Forscherinnen, Forscher und Forschende des Potsdamer Klimainstitutes Hoffnung machten, dass sich das Problem in Kürze selbst auswachsen würde, herrschte Unruhe in Magdeburg. Die  Vernässung der Äcker lasse die Aussaat verfaulen, der dauernde Regen habe viele Fehler bei der Gewässerunterhaltung aufgedeckt, klagte der Bauernverband. So stünden mit Raps oder Getreide bestellte Flächen seit Wochen unter Wasser, erste Bestellversuche scheiterten, weil die frisch auflaufenden Pflanzen im Wasser verfaulten. Selbst einer zweiten Aussaat drohe wegen der anhaltenden Feuchtigkeit  das gleiche Schicksal.

Ein Land hatte nahe am Wasser gebaut und nun stand es vor dem Abgrund. Das Jahr 2012 drohte das letzte zu werden vor einer kompletten Vernässung der noch nicht einmal vollständig demokratisierten Flächen an der berüchtigten Straße der Gewalt. Ursache allerdings war damals offiziell noch nicht die weltweite Klimakatastrophe, die Deutschland am schwersten und Sachsen-Anhalt noch schwerer getroffen hatte. Sondern eine "nicht an Naturgegebenheiten angepasste Pflege von Gräben und Fließgewässern", die sich zu großen Teilen einer unklaren "Auslegung von Verwaltungsvorschriften" verdankte. Den gesetzlichen Verpflichtungen zur Gewässerunterhaltung werde zwar nachgekommen, beschwerten sich die Bauern. Das Ziel, die an die Gewässer angrenzenden Agrarflächen vor Dauervernässung zu bewahren, werde aber verfehlt.

Aussichtslose Lage

Die Lage war aussichtslos. Erst "mittelfristig", so mussten Landtag und Landesregierung zugeben, werde es möglich sein, Konzepte zu erarbeiten, um "Gewässer schnellstmöglich zu räumen,  Wassermassen abzuführen und Pumpwerke in Betrieb zu nehmen", die die "schädlichen Auswirkungen" (Bauernverband) der allgegenwärtigen Vernässungen zumindest mindern könnten. 
 
Hunderte Hektar unter Wasser stehende Ackerflächen, stellenweise überflutete Verkehrswege und nässebedingte Einschränkungen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs von baulichen Anlagen und Grundstücken" (Landtag) waren "sichtbarer Ausdruck dafür, dass die Aufnahmefähigkeit der meisten Böden für weitere Niederschläge erschöpft war". es so viel geregnet, dass die Messstellen landesweit historische Grundwasserhöchststände verzeichneten und Bürgerinnen und Bürger vielerorts über vernässende Keller klagten.
 
Damit aber war der Höhepunkt der Krise auch schon erreicht. Als seien die öffentliche Aufregung um die Mängel bei der "Bewältigung der Gewässerunterhaltung" und der Ruf  nach einem "landkreisübergreifende n Koordination der Pflegemaßnahmen unter Einbeziehung der Betroffenen sowie die rechtzeitige Bereitstellung von Geldern zur Absicherung einer frühestmöglichen Handlungsfähigkeit der Unterhaltungsverbände" allein schon eine Medizin gegen fehlende regionale Koordinierungsgruppen, Maßnahmepläne und eine schnelle Bearbeitung von Anträgen zur Gewässerpflege, verdunstete das Thema unmittelbar nach der großen Flut des Jahres 2013.

Ausgefallene Wasserkatastrophe

Die brachte so viel Wasser, dass das bisschen Vernässung dagegen wie Morgentau in der Wüste wirkte. Alle Forderungen, der "geänderten Grundwassersituation" mit technischen und baulichen Maßnahmen, mit der Installation von Pumpen und der Neuanlage von Entwässerungsgräben zu begegnen, verstummten wie mit dem Messer abgeschnitten. Der zeitweilige Ausschuss „Grundwasserprobleme, Vernässungen und das dazugehörige Wassermanagement“  legte noch eine Karte der "potenziellen Entwässerungsbedürftigkeit" vor. Zudem wurde in der anhaltenden Entvölkerung des Landes eine Vernässungsursache ausgemacht: Seit 1990 hätten die Grundwasserentnahmen um ein Drittel abgenommen, "das hat dazu beigetragen, dass in weiten Regionen des Landes das Grundwasser ansteigt".

Ein würdiger Schlusspunkt bei der Lösung eines Menschheitsproblems, das eben noch aussah, als sei es einfach nicht zu bewältigen. Unmittelbar danach auf immer verschwand die peinigende Problematik der "Vernässung" aus den Augen, aus dem Sinn der Politiker und aus den Medien, als hätte es sie niemals gegeben. Um nach einer wohlverdienten Pause, in der Dürre und Trockenheit das Zepter übernahmen, als Retter vor einem neuen Menschheitsproblem wieder aufzutauchen: Mittlerweile gilt Vernässung als Königsweg im Kampf gegen die Austrocknung.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

OT
Die Verhandlungen der Bundesregierung über die Gaslieferungen durch Nordstream haben sich ja gerade erheblich vereinfacht.
Wie legt man Bomben an Untersee-Pipelines?
https://www.bundeswehr-journal.de/2022/maritime-grossuebung-baltops-2022-im-ostseeraum/