In der Fantasiesprache der EU erzeugen Windräder wegen des von der EU entworfenen Energiemarktdesigns derzeit ärgerliche "inframarginale" Gewinne. |
Immer wenn eine Sache wirklich durch ist, eine Katastrophe sogar schon in den Nachrichten erwähnt wird und deutsche Bundesregierungen dabei sind, das überraschend aufgetauchte Problem zur Chefsache zu machen, taucht irgendwo hinten in der Kulisse auch die EU-Kommission auf. Ein Leitungsgremium wie einst der Oberste Sowjet, fern der Heimat, anonym, langsam, betulich, machtlos und doch hartnäckig.
Gesundheitsunion revisited
Kaum war die Pandemie vorüber, verkündete Ursula von der Leyen die Errichtung einer europäischen "Gesundheitsunion". Kaum trainierten ukrainische Soldaten überall in den Mitgliedsländern an Nato-Waffen, wollte auch die EU nicht länger abseits stehen und die ganze europäische Kriegsbeteiligung koordinieren. Als das Gas teurer wurde und immer teurer, brauchten EU und EZB zwar endlose Monate, um sich von der Vorstellung zu verabschieden, so ein bisschen überschießende Enteignung werde kaum jemandem wirklich auffallen.
Nacheilend wie stets trat von der Leyen dann aber vor die Kameras und ließ wissen, dass nun alle sparen müssen: Jeder für den anderen und damit alle mit großem Erfolg, eine EU-Gasmangelpartnerschaft, in der sich etwa Deutschland, das Land ohne Gas, und Tschechien, ein anderes Land ohne Gas, kuschelnd zusammenfinden, um den Winter zu überstehen.
Überraschende Verflechtungen
Dass auch der Strompreis explodieren würde, kam allerdings auch wieder überraschend für die 60.000 Beamtinnen und Beamten, Wettbewerbshüter, Analysten, Experten und Wissenschaftlerden, die von Brüssel aus im Auge behalten, was in Europa geschieht. Niemand hatte vorher "auf dem Schirm", wie Robert Habeck sagen würde, dass eine wohlstandsproduzierende Wirtschaft unter allerlei Verflechtungen leidet.
Wer die Braunkohle abschaltet, parallel die KKWs zu macht und dabei darauf spekuliert, dass Wladimir Putin schon genügend Erdgas liefern werden, bis alles auf Sonnenstrom läuft, der nachts einfach im Netz gespeichert wird, staunt bass, wenn sich herausstellt, dass Gas teurer wird, wenn eine höhere Nachfrage auf ein kleines Angebot trifft. Und damit sofort die Preise von allem steigen, was aus und mit Gas gemacht wird.
Kein Stromproblem
Auch Strom? Auch Strom. Das musste erst ein paar Wochen sacken, in denen weder Deutschland noch Europa ein Stromproblem hatten. Nun aber ist die EU zur Stelle, um "Europa vor dem Strompreis-Schock zu bewahren", wie die Tageszeitung "Die Welt" im Stil einer EU-Pressestelle bekanntgibt. Es geht um eine "Notoperation" (von der Leyen), also alles wie immer. Geplant sei eine "Deckelung", kombiniert mit einem "Stromsparplan", der sich am gemeinsamen Gassparplan orientiert, von dem schon nirgendwo mehr die Rede ist. Dazu soll es eine Übergewinnsteuer geben, die einzuführen die EU weder befugt noch berechtigt noch in der Lage ist. Ziel aber sei es, die hohen Gewinne bei Stromerzeugern abzuschöpfen, die Elektroenergie besonders kostengünstig aus Sonne, Wind und Wasserkraft erzeugen, durch die insgesamt astronomischen Preise aber ebenso wie etwa der deutsche Bundeshaushalt Milliarden Euro ohne jedes eigene Zutun verdienen.
Den Windmüllern an die Kasse gehen
Den Windmüllern, Sonnenkraftwerkern und Wasserturbinenbetreibern an die Kassen zu gehen, indem "die Gewinne dieser Technologien unabhängig von den Betriebskosten der teuersten Stromerzeuger" gemacht werden, wie sich die EU-Kommission sich schwer verschwurbelt ausdrückt, wäre eine weltgeschichtliche Volte von ganz besonderer Eleganz. Vom "Markt-Design", das man ändern wolle, spricht Robert Habeck, der einem "funktionierenden Markt", der die Knappheit von Waren wie der letzten erzeugten Kilowattstunde Strom nicht mehr per Preissignal anzeigt, zutraut, eine "senkende Wirkung" zu haben.
Nun geht es den Kostgängern des bisherigen Marktdesigns an den Kragen, für die der gesamte europäische Strommarkt eigens so zugeschnitten wurde, dass Erzeuger mit niedrigen Kosten hohe Gewinne machen, weil sie dieselben Preise garantiert bekommen wie Erzeuger mit hohen Kosten. Ziel dieser Regelung ohne Preisdeckel oder Maximalpreis war es, den Ausbau der nachhaltigen Energieerzeugung zu fördern, indem möglichst schnell möglichst viel Geld in diesen Bereich fließt: Selbst in den Transformationszentralen ahnte man, dass Sonne und Wind, die keine Rechnung schicken, sich wegen der Unzuverlässigkeit ihrer Lieferungen nicht von allein durchsetzen werden.
550 Milliarden für nichts
550 Milliarden Euro, die in Windkraft und Photovoltaik gesteckt wurden, änderten daran wenig: Gerade mal sieben bis zehn Prozent des gesamten Energiebedarfs liefern sie heute, 22 Jahre nach Einführung der Erneuerbare-Energien-Umlage und 20 Jahre nach der Gründung der Leipziger Strombörse.
Mehr wird es nun erstmal nicht werden, wenn die neuen Preislimits für jede Art von Stromerzeugung gelten, "die niedrigere Betriebskosten haben als gasbetriebene Kraftwerke", wie es die EU plant. Zwar verspricht das Vorschlagspapier, "die Gewinne dieser Technologien unabhängig von den Betriebskosten der teuersten Stromerzeuger zu machen". Doch wenn die EU-Kommission, die dazu weder die rechtlichen Möglichkeiten noch die nötige Steuerhoheit hat, die Gewinne der Unternehmen, die Strom vergleichsweise günstig erzeugen, aber teuer verkaufen, über eine "Übergewinnsteuer" abschöpft, bleibt denen entsprechend weniger übrig, das sie in neue Billigstromerzeuger stecken können.
Fremde Gewinne einsammeln
Das mit den "Steuererlösen Stromverbraucher gezielt unterstützt werden" sollen, ist ein Versprechen. Dass mit einem solchen "inframarginalen Preisdeckel" (zu deutsch: nebensächlichem Preisdeckel), wie es das Europäische Amt für einheitliche Ansagen (AEA) nennt, ein Rückbau der Erneuerbaren droht, ist ein Fakt. Wenn die Regierungen der Mitgliedstaaten die aus der finanziell günstigen Energieerzeugung resultierenden Gewinne nutzen, um den Endkundenpreis für Strom abzuriegeln, damit die Menschen ruhig bleiben, fehlen sie, um schneller als bisher Sonnenfarmen und Windradwälder zu bauen.
Glücklicherweise wird sich Europa das zu gegebener Zeit alles wieder anders überlegen. Sobald klar wird, dass dort, wo der Staat sich anstrengungslos und ankündigungsfrei fremde Profite in die Tasche steckt, keine Investition lohnt und der so oft beschworene transformatorische Prozess samt "Green Deal" und sonstiger Luftschlösser zu erliegen kommt, folgt mit Sicherheit die nächste Notoperation. Dann wird das "Markt-Design" per nächste "Notoperation" so geändert, dass es zu den dann geltenden Augenblicksnotwendigkeiten passt.
1 Kommentar:
impfradmarginal ?
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