Mittwoch, 21. September 2022

Bundesbehördenansiedlungsoffensive: Können gestiegene Baukosten die Lausitz retten?

Auch in dieser früheren Hafermilch-Käserei bei Guben soll bald eine neue Behörde einziehen.


Der Plan war klar, die Strategie festgezurrt. Mit der Bundesbehördenansiedlungsoffensive (BBAO) hatte die frühere Bundesregierung ein Instrument geschaffen, dass die Ost-West-Spaltung im Bereich Beamtentum und Verwaltungsjobs beenden sollte: Der Bund schafft Stellen in den ausgebluteten und vom brain drain geplagten Kohle-, Chemie- und Autobauregionen auf dem Gebiet der früheren DDR, dafür verspricht die Restbevölkerung dort, nicht mehr bei Querdenker- und Pegida-Demontsrationen mitzumarschieren. 

Neue Zentralen für die Peripherie

Angefangen mit neuen, prächtige Institutionen wie der Bundesdiskussionzentrale in Suhl, dem Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin oder dem Kompetenzzentrum Wärmewende, der Bundesglücksspielverfolgungsbehörde und der Bundeserinnerungszentrale sollte der neue Fahrplan endlich schaffen, was privater Initiative in den zurückliegenden drei Jahrzehnten nicht gelungen war: Blühende Landschaften aufbauen, die als Gegengewicht zu traditionsreichen Jobgaranten im Bundesbesitz wie der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BfB), der Amero Reisen GmbH oder der GMG Generalmietgesellschaft in Offenbach am Main und Bonn dienen.

Man war auf Kurs, Pegida weg von der Straße, die Querdenker verschwunden. Nun aber bedrohen ausgerechnet die gestiegenen Baupreise das Ziel, den abgehängten Osten endlich in Deutschlands moderne Demokratie einzubinden. Bereits im Frühsommer hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) bei der Einweihung einer neuen Zweigstelle des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) vor einem Tempoverlust bei der Schaffung der 5.000 Stellen in Behörden und Einrichtungen gewarnt, die ehemaligen Braunkohlekumpeln zugute kommen sollen. Zwar gelang es noch, das Kompetenzzentrum Regionalentwicklung (KZR) des BBSR - eines von geplanten zwölfzig KZRs mit unterschiedlichsten thematischen Widmungen - fertigzustellen. Hier werden bis Ende 2023 immerhin 55 Forschende und Forschenderinnen arbeiten, die herausfinden sollen, wie viele neue Stellen es insgesamt braucht, um den Energieausstieg gesellschaftlich verträglich zu gestalten. 

Palastbaukosten explodieren

Neue Posten für den Osten! Doch durch die explodierenden Baukosten bedrohen nun die Schaffung weiterer hoch attraktiver Arbeitsplätze mit wenig Handarbeit, kurzen Arbeitszeiten und hohem Sozialprestige, die ausgebildete Baggerfahrer, Hauer und Förderbrückenfahrer anlocken könnten. Um etwa beinahe 30 Prozent stiegen die Kosten für den Palastbau, für die energetische Ertüchtigung und Bürolandschaften zuletzt - gerade in den oft seit Jahrzehnten ausgebluteten Städten tief im Osten muss aber viel an den meist mehr als 20 Jahren leerstehenden Bundesimmobilien gemacht werden.

Nun heißt es, Abstriche beim Komfort, bei der Klimafestigkeit oder aber bei der Zahl der neuen lukrativen Stellen zu machen. Weil der Bund die seit Jahren ausgesetzte Schuldenbremse trotz der Belastungen durch Krieg, Energiekrise und Pandemiefolgen im kommenden Jahr zumindest symbolisch wieder einhalten will, ist allerdings schon seit einiger Zeit Sparsamkeit angesagt. Statt in die Fläche zu investieren, um ehemalige Kumpel dort abzuholen, wo sie sind, sehen die Planungen vor, die meisten neuen Einrichtungen - im Vokabular der Bundesbehördenansiedlungsoffensive "Jobcenter" genannt - zentralisiert in Cottbus, Leipzig und Halle aufzubauen. 

Befriedung der Reviere

875 Vollzeitstellen sollen die Lausitz befrieden, etwa 100 weniger das Mitteldeutschen Revier ruhig halten. Dass die neuen Beamt:/&Innen und Behördenangestellten zumeist in die neuen Einrichtungen werden pendeln müssen, ist eingerechnet: Dank auskömmlicher Gehälter könnten die neuen Expertinnen und Experten für urbane Gentrifizierung, gerechtes Verkehrsraumsharing und hitzebeständiges Bürger:innengardening wohnortnah pendeln, später sogar elektrisch, heißt es im politischen Berlin.

Um ein Drittel gestiegene Baukosten gefährden nun nicht nur die Pendel-Kalkulation, sondern auch die Gesamtrechnung der BBAO zum Behördenaufschwung Ost. Während das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Weißwasser in der Oberlausitz mit 304 Stellen, das Fernstraßen-Bundesamt in Leipzig mit 210 Vollzeitjobs und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Cottbus mit 161 zusätzlichen Kohlekumpel-Stellen wegen ihres Status als anderenfalls kaum überlebensfähig geltende frühere Kohleabbaugebiete als sicher durchfinanziert gelten, sichert das BBAO-Gesetz für gute Investitionen anderen Landstrichen nur Kleckerbeträge zu. 

Einstellungsoffensive stockt

Wildau, eine Stadt im Speckgürtel direkt an der südöstlichen Berliner Stadtgrenze, erhält so etwa nur 370 Millionen Euro für Aufbau und Unterhalt eines neuen RKI-Zentrums. Das Geld muss bis 2038 reichen - wie genau das gehen soll, wenn es erst an allem fehlt, ist bisher unklar. Zuletzt hatte der Bundesrechnungshof allerdings einen Ausweg gewiesen: Danach wächst der Anteil unbesetzter Stellen in der Bundesverwaltung insgesamt seit Monaten und auch die Einstellungsoffensive in neuen Behörden wie dem Fernstraßen-Bundesamt (FSB) stockt. Das FSB etwa war im Oktober 2018 gegründet worden, auch durch den überhasteten Beschluss der Bundesregierung vom Frühjahr, die alten, klimaschädlichen Kohlemeiler weiterlaufen zu lassen, ist aber bisher immer noch fast die Hälfte der Stellen nicht besetzt.


Keine Kommentare: