Dienstag, 13. September 2022

Abschied von gestern: Kevin Kühnert und der Tod der Queen

Der Tod von Queen Elisabeth ließ SPD-Chef Kevin Kühnert umdenken. Der engagierte Sozialdemokrat kehrt Twitter nun den Rücken.  

Er war der König seines eigenen sozialdemokratischen Reiches beim amerikanischen Kurznachrichtenportal Twitter, er propagierte die kommunistische Umgestaltung über den kapitalistischen Großkonzern, ignorierte dabei konsequente das fehlen einer rechtlichen Grundlage für die grundrechtskonforme Nutzung des Dienstes aus EU-Europa und schaffte es mit dieser Strategie tatsächlich erst in die verbündeten Tageszeitungen, dann in die Fernseh-Talkshows des Gemeinsinnfunk und letztenendes auf den Posten des Generalsekretärs der SPD. Schon mit 33 hat Kevin Kühnert erreicht, was Olaf Scholz erst mit 44 und Franz Müntefering erst mit 59 gelang.

Viel zu viel zu tun

Es reicht ihm nun. Schon seit seiner Inthronisierung im hohen Amt, das schön SPD-Größen wie Andrea Nahles, Yasmin Fahimi und Katarina Barley innehatten, machte sich Kevin Kühnert zunehmend rar in der Öffentlichkeit. Hatte der von ihm selbst inszenierte Spielfilm "Kevin Kühnert und die SPD" den gebürtigen Berliner noch als spiritus rector einer verunsicherten Partei gezeigt, der im Hintergrund die Fäden zieht, Posten besetzt und über alles gern spricht außer darüber, wovon er gerade lebt, begann mit der Verbeamtung im Parteiapparat ein leiser Rückzug ins Private. Kühnert fuhr seine Talkshow-Aktivitäten zurück, er gab nur noch zwei, drei Interviews im Monat, nicht mehr am Tag. Die Omnipräsenz des früheren Juso-Vorsitzenden endete nicht abrupt, aber unauffällig. Kühnert rückte zurück in die zweite Reihe. Er überließ dem Kanzler, dem Arbeitsminister und dem Parteichef die Bühne.

Informiert wurden oft nur noch die 370.000 Follower bei Twitter, denen Kühnert als @kuehnikev von Umvolkung und abgeleckten Joghurtbecherdeckeln vorschwärmte, vom Kommunismus als Antwort auf alle Fragen und von der Wichtigkeit der Gerechtigkeit, die nicht zulasse, dass "Menschen vor dem Nichts stehen", während "CDU-Minister in den Partyurlaub fliegen". Kevin Kühnert, der nie etwas gelernt hat, nicht einmal einen ordentlichen Beruf, streichelte den Tiger wie ein Profi. Mit sicherem Gespür bediente der Sohn eines Berliner Beamten die niedersten Instinkte seiner Gemeindemitglieder. Er beschwor Gefahren herauf, die nur die deutsche Sozialdemokratie abwenden könne. Er bezichtigte Politiker anderer Parteien des Verrats an den gemeinsamen Werte. Er war sich für keinen Witz zu schade und für keinen demagogischen Trick zu karrierebewusst. Seine Parteivorsitzende Saskia Esken eiferte ihm nach, als sie "ostdeutsche Männer raus aus Deutschland" forderte. Eine miese Kopie.

Das einzige Original

Und nun kein Original mehr, abgesehen vom zornigen alten Mann Ralf Stegner und seinen Verschwörungstheorien. Angekommen im hauptberuflichen politischen Betrieb, hat Kevin Kühnert seinen Twitter-Account erst heruntergefahren und nun deaktiviert. Offiziell erklärte er, dass die "Diskussionskultur beim Kurznachrichtendienst" zu "Fehlschlüssen und Irrtümern in politischen Entscheidungen" führe. 

Inoffiziell aber muss es der Tod von Queen Elisabeth gewesen sein, der den flinken, wendigen und stets aus dem Tag heraus politisierenden SPD-Generalsekretär zum Umdenken brachte. Auf einmal endet da Geschichte, die viel, viel länger dauert als 280 Zeichen. Auf einmal steht ein Jahrhundert in Verantwortung vor einem junggebliebenen Teenager, der intelligent genug ist, sich an stillen, einsamen Abenden selbst als Hütchenspieler zu sehen, der einer ganzen Welt etwas vormacht, ohne selbst zu wissen, was es ist.

Ein Beben in Mediendeutschland

Kevin Kühnerts Abschied von Twitter hat in Mediendeutschland natürlich für ein Beben gesorgt. Das im politischen Berlin als "Reichnachrichtendienst" verspottete SPD-eigene Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) durfte reportieren, dass Kühnert für sich die Konsequenz gezogen und gesagt hat: "Das scheint für meine politische Arbeit gerade nicht das richtige Medium zum Senden und Empfangen zu sein." Gerade jetzt, wo die Menschen draußen im Lande viele Fragen haben, so viele wie noch nie, hätte ein Festhalten an einem Twitteraccount den Eindruck verstärken können, dass es aus der Politik, aus der SPD, aus der Ampel eines Tages Antworten geben werde, die über das Versprechen hinausreichen, sich Gedanken über neue Entlastungsversprechen machen  zu wollen.

Eine Gefahr, der Kevin Twitter  mit seiner Kühnert-Deaktivierung konsequent aus dem Weg gegangen ist. Die Langzeitwirkungen, die der entschiedene Schritt auf die deutsche und die europäische Politik haben werden, sind im Moment noch kaum verantwortlich abzuschätzen. Doch ein Zeichen ist es, ein Zeichen für die Rückkehr zu einer Politik, die nicht mehr auf dem Marktplatz herumargumentiert, sondern in aller Stille im Hinterzimmer entscheidet.


2 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Offiziell erklärte er, dass die "Diskussionskultur beim Kurznachrichtendienst" zu "Fehlschlüssen und Irrtümern in politischen Entscheidungen" führe.

Das ist die heftigste Kritik an Partei- und Staatsführung der letzten Jahre. So schlimm ist man nicht mal mit der Merkel ins Gericht gegangen.

Anonym hat gesagt…

Hoffentlich wird jetzt Karl Lauterbach nicht weich und beibt uns als Quelle von 'Fehlschlüssen und Irrtümern in politischen Entscheidungen' erhalten!

Ich meine, von dem Stegner kommt ja auch keine Qualität mehr:
Seit gestern sind wir mit dem parlamentarischen Kontrollgremium unterweg... bla bla bla
So einen öden Dreck will keiner sehen!