Das Magazin "Zapp" spielt das Allerschlimmste durch: Deutschland verliert einen Teil seiner 76 öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsprogramme. |
Mit nur 76 Sendern stellt der Gemeinsinnfunk in Deutschland die Grundversorgung von mehr als 83 Millionen Menschen mit sorgfältig ausgewählten Informationen, handgemachten Fakten und selbst ausgedachten Kommentaren sicher. Über die korrekte Funktionsfähigkeit dieses unabhängigen und unparteiischen Systems wachen in den Rundfunkräten seit Jahren bereits nicht mehr nur Politiker, politische Beamte und politiknahe Wissenschaftler, sondern auch Vertreter von sogenannten "gesellschaftlichen Gruppen", die nach einem komplizierten Besetzungssystem hinter den Kulissen ausgewählt und bestimmt werden.
Ein reibungsloser Mechanismus
Ein Mechanismus, der auch schon wieder seit Jahren zu aller Zufriedenheit funktioniert wie geschmiert. Dank der "staatsfernen Vertreter" (Bundesverfassungsgericht) gilt etwa der von professionellen Politikbetrieb geprägte Fernsehrat des ZDF, in dem der Bereich "Kunst und Kultur" vom früheren Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt im Kostüm eines einfachen Bürgers und der Bereich "Migranten"vom CDU-Politiker Ali Ertan Toprak vertreten wird, als basisdemokratische Veranstaltung.
Ausgerechnet die Volunteers, hauptberufliche Umweltschützer, Vertriebene, Europäer, Beamte oder Verbraucherschützer, geraten aber nun Zwielicht des Verdachts, große Teile der Gesellschaft auszuschließen. Bestimmte Gruppen seien unter den Räten häufig, andere aber nur selten anzutreffen, haben die "Deutschen Medienmachenden" in einer Studie herausgefunden, die alle 542 Mitglieder der Rundfunkräte der ARD-Anstalten, des Deutschlandradios, der Deutschen Welle sowie des ZDF-Fernsehrats unter die Lupe nahm.
Viel zu viele Bauern
Mit verstörenen Ergebnissen. So sind Menschen mit Behinderung sind lediglich in sieben, queere Personen in sechs, Musliminnen in vier Räten und führende Forschde von den 196 Genderlehrstühlen in Deutschland überhaupt nicht vertreten. Ein Offenbarungseid der Gerechtigkeit. Es gebe genauso viele Interessenvertreterinnen für das eine Prozent der Bevölkerung, das immer noch in der Landwirtschaft tätig sei, wie für die 27 Prozent der Mitbürgenden und Mitbürger*innen, die Wurzeln oder Migrationshintergrund vorweisen können, aber meistenteils nicht als Bauer, Landwirt oder in der Gemüseaufzucht ihr Brot verdienen. Auf mehrere Sportfunktionäre kommen hingegen viel zu wenige Kleintierzüchter, unbekannt ist, ob überhaupt Vertreter*innen der deutschen Linkshänder berufen worden sind, unterrepräsentiert sind womöglich auch Kleingärtner, Anhänger der Freikörperkultur und Wohnmobilurlauber.
Zudem liege der durchschnittliche Frauenanteil in den Räten bei 44 Prozent, in der Gesellschaft aber sei mehr als jeder zweite eine Frau. Auch das Durchschnittsalter der Ratsmitglieder von 58 Jahren bildet die Wirklichkeit draußen vor den Elfenbeintürmen der Funküberwacher keineswegs korrekt nach: Die bestallten Aufseher sind 14 Jahre zu alt.
Reform tut not
Damit werden die Räte ihrem Anspruch, die Vielfalt der Gesellschaft zu repräsentieren, natürlich nicht gerecht. Identitätspolitisch kann jeweils nur der für den sprechen, der etwas ist, wenn er selbst das auch ist, oder etwas tut, das auch die tun, für die er etwas tun will. Um die tatsächlichen Verhältnisse im Rundfunkrat künftig auch in der Gesellschaft abzubilden, so die Medienmacher, brauche es ein konsequentes Umsteuern nicht bei der Besetzung von Stellen in der Landwirtschaft, sondern auch bei der Strukturierung von Vereinsmitgliedschaften, Hobbys und der Lesbarkeit von Geschlechtern. Rundfunkräte müssten bereit sein, neben ihrer Tätigkeit als Aufsichtsführende über den Gemeinsinnfunk nicht nur hauptberuflich etwa als Sportfunktionär, Verbraucherschützer oder Bauer tätig zu sein, sondern auch für Wurzeln zu stehen, Kleintiere und Hunde zu züchten, Sammelleidenschaften zu pflegen und in Kleingärten zu arbeiten.
Gerechte Repräsentation in Rundfunkräten scheitere bisher "am fehlenden Willen" der Aktiven, bei der Abbildung der diverser gewordenen Gesellschaft zu helfen, indem sie sich bereit fänden, sich selbst entsprechend in die Pflicht zu nehmen. Parallel gehe es darum, die Falschverteilung von Nebenidentitäten im Gemeinwesen abzubauen. Hilfreich dabei wäre nach Überlegungen der Neuen Medienmachenden etwa eine Wurzelquote für Landwirtschaftende und ein Bundesausgleichsmechanismus, der den Anteil von Haustierzüchtern und Freikörperkulturisten mit einem atmenden Deckel in Richtung auf den heutigen Bestand an Sportfunktionärende und Umweltorganisierenden verschiebe.
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