Mittwoch, 31. August 2022

Gorbi, Gorbi: Die deutsche Liebe zu einem blutigen Diktator

Gorbatschow (l.) war Honeckers Vorgesetzter und Befehlsgeber. Während der tumbe DDR-Diktator für seine Taten im Gefängnis landete, wurde der Russe mit Friedensnobelpreis und Goldener Henne geehrt.
 

Erst kam der Kampf, blutige Unterdrückung, der Bruderkuss mit Honecker, dem Handlanger, der für dieselben Verbrechen schließlich im Gefängnis landete. Dann kam der damalige Bundespräsident Christian Wulff, und er zeichnete den ehemaligen sowjetischen Ex-Staatschef Michail Gorbatschow mit dem Deutschen Umweltpreis aus. Den hatte er noch nicht, der Mann, der die Kernkraftkatastrophe von Tschernobyl vertuscht, Tausende junger Soldaten in den Tod am Hindukusch geschickt und seinen nimmermüden Einsatz für die Reinhaltung der Natur und die Bewahrung der Schöpfung auch sonst stets gut verborgen hatte.

Umweltschützer Gorbatschow

Doch die Deutschen lieben ihren Gorbi. Warum ihm nicht noch diesen mit 500.000 Euro dotierten Ehrenpreis geben? Damit stieg Gorbatschow endgültig zur historischen Figur aus: Er war der erste und ist bis heute der einzige Mensch weltweit, der vom Vaterländischen Verdienstorden der DDR bis zur Goldenen Henne alle Auszeichnungen erhalten hat, die in Deutschland vergeben werden. Über den Friedensnobelpreis durfte sich der greise Ex-Feldherr und frühere Führer der sozialistischen Weltfriedensfamilie noch extra freuen.

Nicht schlecht für einen Apparatschik aus Stawropol, den eine enge Freundschaft mit UdSSR-Geheimdienstchef Juri Andropow auf der Karriereleiter nach oben half. Gorbatschow trat mit 21 in die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) ein, "um die Umwelt zu schützen und der Natur zu dienen", lobte ihn Wulff später in seiner Büttenrede. So erinnerte sich Gorbatschow später auch selbst: Er habe die "Ökologie zur vordersten Front" machen wollen, versicherte er in der amtlichen deutschen Nachrichtensendung "Tagesschau". 

Welthit Mauerfall

Doch sein Welthit und der Höhepunkt seiner Karriere als Staatenlenker war zweifelsohne das Ende des sozialistischen Weltsystems, ein Abfallprodukt seines Bemühens um Umweltschutz, das ihn veranlasst hatte, vier Jahre lang Truppen nach Afghanistan abzustellen, die dort Umweltsünder jagen und bestrafen halfen. Großmütig gab er später abtrünnigen Sowjetrepubliken die Freiheit, er riss die Mauer ein, beerdigte den Kommunismus und vereinigte Europa gemeinsam mit Helmut Kohl zur heutigen EU.

Gorbatschow, so hatten es die deutschen Medien schnell beschlossen, war ein guter Mann, ein netter Kommunist, ein "Freund", wie ihn Hans-Dietrich Genscher nannte, der ein Diplomat alter Schule war. Der "Spiegel" rühmt in als "Romantiker", die "Welt" sieht einen Mann, der "an die Türen der Geschichte klopfte", die FAZ macht ihn zum "Friedensengel", die NZZ ernennt ihn zu einem "großen russischen Mahner gegen den Totalitarismus". US-Präsident Joe Biden bescheinigt ihm sogar, eine "bemerkenswerte Vision" gehabt zu haben. Ganz so, als hätte Gorbatschow geplant gehabt, die Kommunismus zu beerdigen.

Er selbst hätte sich so viel Ehre vom Klassenfeind wohl nicht träumen lassen, damals, als er sich beharrlich und rücksichtslos die Karriereleiter in der KPdSU hocharbeitete. Bis in die Mitte seiner 40er ein ruhig funktionierender Apparatschik, tat Gorbatschow in dieser sehr deutschen Lesart Gutes, wo er konnte. Er machte Glasnost und Perestroika, mahnte seinen bockigen Gehilfen Honecker, nicht zu spät zu kommen, und verwandelte seine größte Niederlage so fast ohne eigenes Zutun in einen gloriosen Sieg. Nie hatte Gorbatschow eine Diktatur demokratisieren wollen, wie es heute heißt. Was er wollte, war ihr Überleben sichern und sei es um den Preis, sie ein wenig gemütlicher erscheinen zu lassen.

Dennoch. Während sein letzter deutscher Statthalter Egon Krenz für den in Moskau beschlossenen Schießbefehl ins Gefängnis ging, galt der Befehlsgeber aus dem Kreml Ost- wie Westdeutschen bald als liebenswerter Reformer, mutiger Maueröffner und entschlossener Anti-Kommunist.

Alle Ziele verfehlt


Nicht schlecht für jemanden, der alle seine Ziele verfehlt hat. Denn eigentlich hatten Gorbatschows Bemühungen samt der von ihm eingeführten Propaganda-Begriffe Glasnost und Perestroika nach dem 27. Parteitages der KPdSU im Februar 1986 ja dazu dienen sollen, die grausame kommunistische Diktatur in der Sowjetunion fit für die nächste Runde des kalten Krieges zu machen. Gorbatschow wollte den Sozialismus keineswegs zu zerstören, er hatte nie vor, die tributpflichtigen Trabantenstaaten in die Freiheit zu entlassen, er wollte weder Deutschland wiedervereinigen noch die glorreiche UdSSR auflösen und aufspalten. Ganz im Gegenteil: Mit Alkoholverbot und wirtschaftlichen Reformen, Abrüstung und der Illusion geistiger Öffnung zielte er auf eine Wiederbelebung der siechenden Kommandowirtschaft und eine Konservierung des menschenverachtenden kommunistischen Weltsystems für die Ewigkeit.

Gestützt auf Gewehre


Wie jeder Plan, den die Herren der Welt schmieden, ging auch der in die Binsen. Ganz so, wie es Gorbatschows Berliner Divisionskommandant Erich Honecker befürchtet hatte, war der Sozialismus nur gefangen, gebunden und geknebelt überlebensfähig, gestützt auf Gewehre, aufrecht gehalten vom Eisernen Vorhang, belebt von Menschen in Angst. Sobald Luft an die Mumien kam, wurde es im Inneren der Leiche zu lebendig. 

Die dünne Haut der Unterdrückung konnte die Figur nicht mehr halten, trotz Stasi und Staatspropaganda, trotz Demoverbot und Knechtschaft brach alles binnen weniger Monate auseinander. Vom Mauerfall erfuhr Michail Gorbatschow im Nachhinein. Er hatte weder zugestimmt noch widersprochen. Dass bei der nächtlichen Aktion kein Blut floss, verdankte sich nicht ihm. Es war einfach keins mehr drin im teuren Entschlafenen. Nicht mal dessen dankbarste Kostgänger rührten auch nur einen Finger, um das Ende zu verhindern.

Versagen bei der Rettung


Gut für Gorbatschow, der 20 Jahre lang einer der mächtigsten Männer der Sowjetunion war, fünf Jahre lang "Reformer" und sich nun für drei lange Jahrzehnte in einen deutschen Helden verwandelte, der für sein Versagen bei der Rettung des Sozialismus als Maueröffner gefeiert wird, für seine Vertuschung des Atomkraftwerkunfalls von Tschernobyl als Umweltschützer, für den von ihm vier Jahre fortgeführten Afghanistankrieges als Friedensengel und für sein ungeordnet hinterlassenes Erbe aus miteinander verfeindeten ehemaligen Sowjetrepubliken als weitsichtiger Staatsmann.

Die Nachrufe enthalten kein schlechtes Wort über den Toten, nur Bilder.

Kulturelle Aneignung bei ARD und ZDF: Import-Mord

Im angeblichen Istanbul-Krimi spielt der Deutsche Erol Sander einen Türken, seine Schweizer Kollegin
Melanie Winiger verkörpert die Rechtsmedizinerin Derya Güzel. 

Das Buch zum Film „Der junge Häuptling Winnetou“ erzählte Kindern von der Freundschaft eines Apachenjungen und eines weißen Buben, die Winnetou-Filme berichten von der Friedensfantasie eines sächsischen Literaten, die Band Lauwarm wollte mit Dreadlocks und Reggaerythmen zeigen, dass auch Musik in einer multikulturellen Welt keine Grenzen kennt. 

Es hagelte Proteste, die Empörungswellen schlugen hoch, die Konsequenzen waren hart. Deutschland, das Land der Gefühlsindianer, muss künftig ohne den edelmütigen Apachenhäuptling Winnetou auskommen, sein Ost-Kollege Ulzana, ein Serbe im Muskelkleid eines amerikanischen native, wird eher über kurz als über lang folgen. Die ARD hat sich bereits entsprechend positioniert, das noch widerstrebende ZDF, eine Gründung der politischen Rechten, wird folgen müssen.

Kulturelle Abeignung

Damit aber ist die Arbeit der kulturellen Abeignung nicht getan. Der thüringische Völkerkundler Hajo Hamsmer, der am neuen Bundeszentrums für Verhöhnungsforschung interdisziplinär zu aktuellen  Verhöhnungspraktiken in unterschiedlichen kulturellen, sozialen und regionalen Kontexten arbeitet, hat in einer Studie zum Aneignungsgehalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlreiche weitere Fälle von sogenanntem darstellenden Mimikri aufgeführt. 

Angefangen beim Barcelona-Krimi über die als Serie angelegten Istanbul-Krimis bis zum Zweiteiler "Lost in Fuseta" einem angeblichen "Krimi aus Portugal", der aus Deutschland kommt, nahe zu komplett mit deutschen Schauspielern besetzt ist und in Kürze im Ersten Premiere feiern soll, deckt Hamsmer zahlreiche Fälle von Missbrauch fremder Kulturen auf.

Klischeebilder aus Deutschland

Das Strickmuster ist Hajo Hamsmer zufolge immer ähnlich dreist. "Deutsche Stars wie Clemens Schick, Erol Sander oder Jan Krauter werden in eine vermeintlich exotische Kulisse verpflanzt", beschreibt der Forscher. Dort sehen sie sich dann stellvertretend für die Zuschauer konfrontiert mit fremden Gebräuchen, seltsamen Ritualen und von beinahe durchweg deutsch sprechenden Einheimischen behinderten Ermittlungen. 

Einzelfälle wie "Der Tod kommt nach Venedig", einem ARD-Film, in dem der Österreicher Rudy Ruggiero den "bequeme Commissario Santo" spielt, der alle Klischeebilder bedient, die ein deutsches Publikum vom EU- und Nato-Partner Italien hat, seien leider kein Einzelfall. Für eine vertiefende Falschdarstellung hätten hingegen über Jahrzehnte laufende Serien wie "Donna Leon" gesorgt, in denen der aus Herne stammende Joachim Król und der Cottbusser Uwe Kockisch nacheinander den betulichen Guido Brunetti spielten, den die gebürtige Amerikanerin Donna Leon sich ausgedacht hatte.

Vorurteile in die Fremde projiziert

Selbst Ausnahmen machen keine Ausnahme. Für Schweden als am heftigsten betroffenes Gebiet der kulturellen Ausbeutung durch öffentlich-rechtliche deutsche Sender bleiben oft nur Brosamen vom Produzententisch. Bei "Der Kommissar und das Meer", einer auf mittlerweile 29 Folgen angewachsenen Verfilmung von vier Büchern der schwedischen  Autorin Mari Jungstedt, gibt Walter Sittler den Kommissar - der sich eigens zur Stärkung der Identifikationskraft der im ZDF laufenden Filme vom Schweden Anders Knutas in den aus Deutschland zugezogenen Robert Anders verwandeln musste. Drehbuchautoren, Regisseure und auch der Partner des titelgebenden Helden sind Deutsche.

Schweden, Isländer und Dänen wurden für ihren Beitrag zur gewünschten Skandinavien-Stimmung von der produzierenden ZDF-Tochter Network Movie mit Nebenrollen abgefunden. In "Kommissar Beck - die neuen Fälle" wurde der ursprüngliche Darsteller des Gerichtsmediziners Oljelund, der Schwede  Peter Hüttner, für das deutsche Publikum sogar eigens durch den deutschen Schauspieler Ottfried Fischer ersetzt.

Ferne Gestade voller Gewalt

Ein festes Prinzip auch beim "Kroatien-Krimi" der ARD, der seit 2016 kulturelle Aneignung auf dem Balkan betreibt. Jasmin Gerat, Max Herbrechter, Sarah Bauerett und andere deutsche Mimen verkörpern hierdie "Marić", "Kovačić" und "Stević", die das heimische Fernsehvolk erwartet, wenn es vom Gemeinsinnfunk eingeladen wird, Erich Rackwitz "ferne Gestade" zu besuchen und fremden Völkern beim Morden zuzuschauen. Fernseh-Unterhaltung heißt das bei ARD und ZDF, wo die Praxis der kulturellen Aneignung längst industrielle Ausmaße angenommen hat.  

Für den "Urbino-Krimi", der inzwischen aus dem Programm genommen wurde, standen Schweizer, Deutsche und Österreicher vor der Kamera, für den "Dänemark-Krimi" wurden Marlene Morreis, Nicki von Tempelhoff, Janek Rieke und Tim Bergmann in die "einstige Wikingerstadt Ribe" gebracht, um in "heidnischen Rauhnächte" eine Mordserie aufzuklären.

Kein Stopp, keine Entschuldigung

Negativen Rückmeldungen, wie sie beim Buch "Der junge Häuptling Winnetou" zum Stopp der Auslieferung führten, schenken die beiden Sender keine Beachtung. "Dass sie mit den Filmen die Gefühle anderer verletzen, spielt wohl keine Rolle", prangert Hajo Hamsmer an. Bisher, fasst der Filmforscher und Popkulturalist zusammen, habe es weder eine Erklärung dazu gegeben, wie sich die Aneignung ganz Europas mit den öffentlich-rechtlichen Werten vereinbare, noch eine Entschuldigung. "Dabei ist das Anliegen der Kritik berechtigt, kulturelle Aneignung sichtbar zu machen und den Kampf gegen ungleiche Machtverhältnisse in die Öffentlichkeit zu tragen."

Dienstag, 30. August 2022

Prager Rede: Scholz' Visionen für mehr EU-Vielfalt

Die zehn Jahre seit Joachim Gaucks großer Mehrropa-rede sind rum, die fünf seit Emmanuel Macrons Entgegnung mit der Forderung nach Mehropa folgenlos vergangen. Es war nun an Bundeskanzler Olaf Scholz, die drängendste Frage dieser Tage zu stellen, eine Frage, die Millionen Europäer angesichts unbezahlbarer Preise, Atomkriegsangst und Fachkräftemangel gern beantwortet hätten: Wie weiter mit der EU? Was wird aus Green Deal, Klimarettung, neuen Umweltzöllen, Europa-Wiederaufbaufonds, gemeinsamer Gesundheitsunion und der geplanten Erweiterung der Gemeinschaft nach Osten? Und wenn es soweit ist, wie werden die neuen Posten aufgeteilt?

Eine Perspektive für 440 Millionen

Olaf Scholz hat eine Reise nach Prag genutzt, den 440 Millionen bangenden, wartenden und hoffenden EU-Bürger*innen eine Perspektive zu geben. Das Aufatmen bis hinunter nach Portugal war nicht zu überhören - "Scholz will die EU-Osterweiterung und schlägt einstimmig ein Ende der Beschlüsse vor" titelte "Publico", das einzige portugiesische Zeitungshaus, das Notiz von der wegweisenden Rede des Kanzler nahm, die Historiker in Bälde seine Prager Rede nennen werden.

Ihre Geschichte ist schnell erzählt. Erneut mit "klaren Regeln" für den Regierungsflieger gestartet - diesmal galt zur Abwechslung eine strenge Maskenpflicht für alle Insassen, die es in den Flugzeugen der Flugbereitschaft der Luftwaffe gar nicht gibt  - war der Kanzler dorthin geeilt, wo eine wilde Allianz von Bürgerlichen, Kommunisten, Staatsfeinden und Studierenden in der Vergangenheit mehrfach versucht hatte, staatliche Organe und leitende Politiker zu delegitimieren. Mitten in Feindesland - Tschechien wird derzeit von einer kruden Koalition aus Konservativen, Liberalen und Christdemokraten regiert - ließ Scholz es sich nicht nehmen, die großen Linien zu ziehen, abseits des Tagesgeschäftes mit seinen Entlastungsversprechen, Gürtelengerparolen und Panzerbildern.

Radikale Reformen

Bis nach Spanien drang sein Ruf nach "radikalen Reformen" in der EU und nach einem "gemeinsamen Luftverteidigungssystem", bis nach Griechenland schallte der Vorschlag, alle Veto-Möglichkeiten bei  bei EU-Beschlüssen aufzuheben und in den Niederlanden stieß sein Vorschlag auf Interesse, sich gegen den Neoimperialismus zu wehren. Nur in Schweden verweigerte die gesamte Medienlandschaft die Berichterstattung, auch Belgien schweigt. Und im Gastgeberland Tschechien ist die Skepsis unübersehbar: Dass mit der berühmten Prager Rede des deutschen Kanzlers nun einmal mehr eine "neue europäische politische Gemeinschaft" entstehen wird, gilt einheimischen Blättern an bloße Behauptung, nicht als feststehender Fakt.

Dabei war Olaf Scholz nicht mit leeren Händen an die älteste deutsche Universität gekommen. 1348 von Kaiser Karl IV. gegründet, erlebte die heute tschechische alma mater den akribischen Arbeiter aus Osnabrück in seiner Paraderolle. Mögen andere doch die ewige Gespaltenheit der EU beklagen, die bis heute zwei venezuelanische Präsidenten anerkennt, beim Klimaschutz nicht vorankommt, 54 verschiedene Umsatzssteuersätze hat und die Kernkraftwerke, die in Deutschland abgerissen werden, in Ungarn und Finnland wieder aufbauen lässt. 

Weiterhin für jeden ein Posten

Scholz ist von solchen Details nicht zu irritieren. Er hat sich Gedanken gemacht, wie eine mit allen nur denkbaren Beitritten auf 30 bis 36 Mitgliedsstaaten explodierende Europäische Union das bisher konstituierende Prinzip weiterhin umsetzen könne, dass jedem auch noch so kleinen Mitgliedsland immer ein Kommissarsposten in Brüssel zustehe. Sind die Ukraine, Georgien, Mazedonien, Albanien und all die anderen Staaten erst dabei, so der Kanzler, stoße eine Kommission mit 30 oder 36 Kommissaren "an die Grenzen ihrer Arbeitsfähigkeit". Deshalb wolle er die tradierte Regel ändern, dass jeweils so viele Fachressorts geschaffen würden wie gebraucht werden, um jedes Mitgliedsland mit einem EU-Kommissarenden abzufinden. 

Scholz, der in Berlin mit nur 16 Ministernden regiert, schlug stattdessen eine radikale Änderung vor: Künftig solle "mehr als ein Kommissar für den gleichen Politikbereich zuständig sein können", eine Co-Ministerregel, die einzigartig und neu wäre in der Geschichte der Verwaltungsarbeit, sich aber wage anlehnt an deutsche Erfahrungen mit der parallelen Befehlsstruktur von OKH und OKW und aktuelle Ressortaufteilungen im Bundeskabinett, das mit Robert Habeck, Steffi Lemke und Cem Özdemir gleich drei verantwortliche Minister für Klima, Umwelt und Ökologie zählt.

Mehr Stimmen, mehr Meinungen

Für das gemeinsame Europa könnte eine 36er EU mit 36 Kommisariaten, die sich weiterhin nur um ganze 27 Fachbereiche kümmern, die Lösung aller Probleme sein. Die EU spräche mit einer Stimme, wäre aber dennoch in der Lage, verschiedene Dinge zu sagen. Sie könnte für und gegen zugleich sein, eine gelebte Vielfalt, bunt, divers und vielgestaltig wie die derzeitige Bundespolitik. Kombiniert mit der von Scholz in seiner Prager Rede angeregten Aufhebung der Notwendigkeit von einstimmig gefassten Beschlüssen wäre die EU endlich, was sie immer hatte sein wollen: Keine Staatengemeinschaft, die über ihre Gespaltenheit einfach nicht mehr spricht, sondern eine, der die Vielgestaltigkeit in den Genen steckt.

Das Neun-Euro-Debakel: Bilanz des Grauens

Bilanz des Grauens: Das Neun-Euro-Ticket belastete das globale Klima mit vielen Millionen zusätzlicher Freizeitfahrten.

Noch ist es nicht ganz vorbei, noch werden junge Leute zum Mitreisen gesucht. Die ersten Bilanzen aber sind gezogen: Im Unterschied zum Tankrabatt, der "nicht weitergegeben" (Habeck), zur Energiepauschale, die bis heute nicht ausgezahlt und zur Gasumlage, über die noch nicht abschließend entschieden wurde, war der Gute-Laune-Fahrschein für den letzten Friedenssommer ein voller Erfolg. 38 Millionen Deutsche beteiligten sich, eine Abstimmung mit der Brieftasche, deren Ergebnisse eindeutig sind: Deutschland will mobil sein, möglichst billig, es will reisen, Ausflüge machen, Einkaufen, Urlaub und private Erledigungen.  

Traurige Bilanz

Viel weniger häufig dagegen ist das von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gesponserte Ticket zu dem Zweck genutzt worden, der ursprünglich zu seiner Erfindung geführt hatte: Nur 18 Prozent der Besitzer eines Neun-Euro-Tickets verwendeten die Fahrkarte bestimmungsgemäß im Sinne des Zweiten Entlastungspaketes (2EP), um sich von den im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine gestiegenen Preisen für Lebensmittel, Treibstoffe und Energie entlasten zu lassen.

Die Daten, die jetzt vorgelegt wurden, zeigen Deutschland als den "kollektiven Freizeitpark", den der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl stets als kollektive Sehnsucht der Deutschen und ihrer Gäste bezeichnet hatte. Sechs von neun offiziell gelisteten Verwendungsarten für das neun.Euro-Ticket sind privater Natur, Ausflüge, Freizeit, Urlaub, Einkaufen dominieren die praktische Nutzung der Staatsfahrkarte, die eigentlich dazu gedacht gewesen war, von hohen Spritpreisen hart getroffene Pendler in den öffentlichen Nahverkehr zu locken. 

Missbrauch einer besten Idee

Das gelang in der Praxis beinahe ausschließlich am Wochenende. Fast 23 Millionen 9-Euro-Ticket-Fahrerinnen und Fahrer machten Ausflüge, die wenigstens nach Sylt, alle aber in der Freizeit und zusätzlich zu Fahrten, die ohne die günstige Mitfahrmöglichkeit gemacht worden wären. Knapp über 20 Millionen Verwender nutzten den Fahrschein zudem, um Wege zu "privaten Erledigungen" zu absolvieren, knapp 13 Millionen machten überflüssige Freizeitfahrten in der Woche, auf die sie ohne 9-Euro-Schein womöglich verzichtet hätten, und acht Millionen Menschen griffen die Gelegenheit beim Schopf und fuhren mit dem Tankrabatt für ÖPNV-Nutzer in den Urlaub.

Zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger mehr als die von der Bundesregierung bezweckte Nutzung als Pendlerpauschale zu Arbeit und Ausbildung fand, von der letztlich nur sieben Millionen Ticketkäufer Gebrauch  machten. Eine der "besten Ideen" (Olaf Scholz) der Bundesregierung enttäuscht damit auf ganzer Linie. Hatte der zur Beruhigung der Volksseele entwickelte Fahrschein noch im Juni 16 Millionen Käufer gefunden, kamen im Juli und im August nur noch jeweils 11 Millionen Nutzer zurück. 

Das Klima muss leiden

Zugleich litt das globale Klima unter mehreren hundert Millionen Fahrten, die ohne die großzügige Hilfe aus der Bundeshaushalt nie angetreten worden wären. Nach den Zahlen der deutschen Verkehrsbetriebe flossen die von den Steuerzahlern bereitgestellten neun Milliarden Euro zur Finanzierung des Volksfahrscheins zu etwa zwei Dritteln in Spaßreisen und Mobilität zu privaten Zwecken, nur ein Drittel der Fahrten wurden bestimmungsgemäß im Sinne der anvisierten Entlastung gerade der Ärmsten der Armen angetreten. Während Reiche und Ticket-Verweigerer aus der oberen Mittelschicht von leeren Autobahnen profitierten, mussten sich Sparwillige zeitweise in volle Züge pressen, Verspätungen akzeptieren und ohnehin vielbesuchte Ausflugsziele mit Menschenmassen teilen, die vom 9-Euro-Ticket genauso animiert worden waren, die günstige Gelegenheit zu nutzen, und einfach mal ins Blaue zu fahren.

Umwelttechnisch und erzieherisch war der Versuch, die Verkehrswende mitten in der Energiekrise auf die Schiene zu bringen, ein Desaster. Im Maßnahmebündel der Nachfolgemodelle muss dringend nachgeschärft werden - etwa durch Preisabstufungen für Tickets je nach Verwendungszweck und Dringlichkeit, durch die Prämierung des Verzichts auf überflüssige Fahrten oder einen Neun-Euro-Deckel für eine bestimmte Anzahl an Pflichtfahrten und eine Hochbepreisung zusätzlicher Reisen außerhalb des zugeteilten persönlichen Kontingents, um  ein deutliches Zeichen für den Klimawandel zu setzen

Montag, 29. August 2022

Neue Corona-Maßnahmen: So schnell wirkt die Maskenpflicht

Bereits die Androhung einer Rückkehr zur Maskenpflicht führte zur einem deutlichen Rückgang der Corona-Zahlen.
Er steht längst nicht mehr in der ersten Reihe, sitzt nicht mehr jeden Abend in vier Talkshows und wenn er sich in seiner bekannten ruhigen und streng wissenschaftlichen Art zu Wort meldet, dann schalten Leugner, Querdenker und Ungeimpfte bereits bei der Ankündigung ab. Doch Karl Lauterbach hat sich von solchem Gegenwind nie verdrießen lassen. Der frühere Christ- und heutige Sozialdemokrat nimmt sein Amt als Bundesgesundheitsminister noch immer mindestens so ernst wie die Bedrohung durch die Pandemie.  

Vorsorge für die siebte Welle

Mögen andere auch wahrheitswidrig behaupten, dass es vorüber sei, Corona eine normale Grippe und gut beherrschbar auch ohne Masken, stritt Lauterbach energisch weiter für einen Winter, der wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erstmals nicht nur außerhalb der Wohnungen der Deutschen bitterkalt werden könnte. Beste Bedingungen für eine siebte Welle, die erneut eine epidemische Lage auslösen und Lauterbach zum Dauergast in allen Fernsehrunden machen könnte. Es stehen "schwierige Zeiten" (Lauterbach) bevor, in denen Luftfilter als Helfer gegen Tröpfcheninfektionen ausfallen könnten, weil Deutschland zwar kein Stromproblem, aber eine Gasmangellage hat, die es nötig macht, per Hand zu lüften.

Erstmals in zweieinhalb Jahren Pandemie aber ist Deutschland wieder "gut vorbereitet" (CDU/CSU, 2020), ein Maßnahmepaket liegt bereit, das Omikron-Subvariante BA.5 mit einer neuen Impfkampagne, Zeitungsannoncen und ähnlich "klaren Regeln" (Scholz) begegnen wird, wie es sie für die deutschen Regierungsflieger gibt: Diese eindeutigen Vorschriften,  die Flugbereitschaft betreffen, besagen zum Beispiel, dass es an Bord trotz anderslautender gesetzlicher Vorgaben für alle Flüge, die von Deutschland aus starten oder in Deutschland landen wollen, keine Maskenpflicht gitb, "weil durch das Testen bereits ein hohes Schutzniveau gewährleistet" ist. Ausgenommen hiervon sind Flüge der Flugbereitschaft, die die Außenministerin unernimmt. Hier gilt Maskenpflicht, weil Annalena Baerbock  sich weigert, die klaren Scholz-Regeln zum maskenlosen Fliegen umzusetzen.

Klare Regeln als Strategie

Beinahe hätte ein ähnlicher Dissenz die gesamte Strategie für den Winterkrieg gegen den Erreger zerstört. Die FDP, seit Monaten unter Verdacht, eine gewisse Nähe zur Leugnerszene zu pflegen, versuchte bis zum letzten Moment, eine Rückkehr zur Maskenpflicht zu verhindern. Justizminister Marco Buschmann griff dabei sogar ins unterste Regal der Beschimpfungen und bezichtigte Karl Lauterbach der "Panikmache"

Dabei zeigen die aktuellen Corona-Zahlen deutlich, was allein der Beschluss einer erneuten Verschärfung der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen bewirkt hat: Nicht einmal eine Woche nachdem die Bundesregierung schärfere staatliche Eingriffsmöglichkeiten für eine erwartete Corona-Welle im Herbst und Winter auf den Weg brachte, zeigt die Kurve der Neuinfizierungen und die der Todesfälle unter den Corona-Infizierten erstmals seit Wochen wieder nach unten. Der "Notfall", den Karl Lauterbach weitsichtig hatte verhindern wollen, er ist womöglich allein schon durch die Vorstellung des Werkzeugkastens für den "Fall, wenn der Aufenthalt in Innenräumen wegen der niedrigen Temperaturen zur Regel werde" (Lauterbach) und es wegen des russischen Angriffskrieges innen auch nicht wärmer ist, vermieden worden.

Indianerbremse: Nur kein guter Indianer ist ein guter Indianer

Das Klischeebild des friedenspfeiferauchenden, kriegsbemalten Federschmuckhäuptlings entstammt allein der wirren Fantasie eines Hochstaplers aus Sachsen. Illustration: Kümram, "Native in Nationalfarben", Buntstift auf Hirschleder

Sie rauchen, sie reiten, sie schießen, sie werfen Tomahawks ohne fossile Antriebe und tragen Bekleidung aus Tierhäuten. Die von Christoph Kolumbus, einem lange in Portugal lebenden Italiener Portugiesen im Dienst des spanischen Königs, als "Indianer" verunglimpften Ureinwohner*nnen des Kontinents, der von Amerigo Vespucci, einem Italiener in portugiesischen Diensten, "Amerika" genannt worden war, gelten in Literatur und Kunst, Kino und Theater als Aushängeschild einer gestrigen Welt. Geleitet von sogenannten patriarchalisch regierenden "Häuptlingen", verherrlicht als "edle Wilde" und in der Neuzeit immer noch darauf beharrend, mehrere "nations" zu sein, die allerdings allesamt als "first" gelten sollen, sorgen die natives in Deutschland als dem als schlimmsten von der Indianerkrise betroffenen Gebiet für einen Kulturkrieg ohne Waffen.

Vorbestrafter Plagiator

Schuld daran ist Karl May, ein vorbestrafter und wegen verschiedener Plagiate kritisierter Sachse, dessen Winnetou-Figur mehr als 100 Jahre nach ihrer Erfindung als jugendgefährdendes Klischeebild enttarnt wurde. Der als "Apachenhäuptling" angelegte Krieger im Wildlederanzug steht unter Verdacht, rassistischen Umtrieben Vorschub zu leisten, indem er versucht, ein wenig realitätsnahes Bild vom Leben im sogenannten Wilden Westen zu zeichnen. 

Nach der Entscheidung eines Kinderbuch-Verlages, die Jugend des Landes vor der Konfrontation einer Geschichte zu schützen, deren zentrales Motiv die Freundschaft eines deutschen Landvermessers namens "Old Shatterhand" oder auch "Pokai-mu" (angeblich: "Tötende Hand") mit wortkargen, aber stets loyalen und zielsicheren local Winnetou ("Brennendes Wasser") ist, verkündete auch die nach zahlreichen Affären in schwerem Wasser segelnde ARD ein Indianerfilmverbot. Bereits vor zwei Jahren habe man sich entschieden, die bisher als "Familienklassiker" geltenden Verfilmungen der mit überkommenden Begriffen wie "Indianer", "Marterpfahl" und "Blutsbrüderschaft" operierenden sächsischen Lügengeschichten als nicht mehr zeitgemäß auszusortieren.

Die Feder des Bösen

Eine nur naheliegende Entscheidung, die längst überfällig war, nichtsdestotrotz aber von einer erwartbaren Querfront aus Nostalgikern, selbsternannten Literaturfreunden und Verteidigern einer absichtlich als grenzenlos missverstandenen Kunstfreiheit angegriffen wird. Diesen Kreisen ist kein Argument zu schäbig, um den vor allem in seinem Sterbeort Radebeul bis heute kultisch verehrten Auflagenmillionär May gegen seine Kritiker zu verteidigen. May habe es doch nur gut gemeint, heißt es da, er habe der Völkerverständigung dienen und seinen Häuptling Winnetou nur deshalb mutwillig immer wieder in lebensgefährliche Situationen gebracht, um die Leistungsfähigkeit der in rechten Kreisen als "primitiv" abgeurteilten Hochkultur der Apachen zu unterstreichen.

An den langen Haaren des Häuptlings herbeigezogene Argumente, die keiner Überprüfung standhalten. Karl May ließ nie einen Zweifel daran, dass sein Winnetou nicht mehr ist als der Adlatus des dunkelblonden deutschen Helden Shatterhand, er ging in letzten Konsequenz sogar soweit, den als "edle Rothaut" mit Federschmuck und Stickmusterjacke ausstaffierten Adjutanten vor aller Augen sterben zu lassen. Ein vom Schriftsteller beschlossener unfreiwilliger Opfergang, um den ihm wichtiger erscheinenden Landsmann Shatterhand zu retten, den er in der Folge als "Kara Ben Nemsi" ("Sohn der Deutschen") in den Nahen Osten und "Die Schluchten des Balkan" schickte.

Wirkungen wie Jesus

Die Langzeitwirkung des Opfertodes des Sohnes des Apachenhäuptlings Intschu tschuna ("Gute Sonne") zeitigte in Deutschland ähnlich verheerende Langzeitfolgen wie der Tod des Jesus von Nazareth am Kreuz. Millionen Heranwachsende und junge Männer fielen auf die fake news von den Waffenbrüdern aus Pueblo und sächsischer Provinz herein, Millionen ließen sich eintrichtern, dass es gute und böse Rothäute ebenso wie gute und böse Bleichgesichter geben, dass es nicht auf die Hautfarbe ankomme, sondern auf die innere Einstellung, auf Anstand, Ehre und Moral. Indianerlieder und Indianerkostüme, die jahrzehntelange Spaltung der Gesellschaft in "Cowboys" und "Indianer", die Gründung von deutschen Sioux- und Kiowa-Stämmen, aber auch von Rockbands wie Siouxsie and the Banshees - all das ist auf dem Mist aus Sachsen gewachsen.

Wie sein Chef Old Shatterhand, der auf seinem Rappen Hatatitla wurzel- und zumeist erwerbslos durch die Prärie reitet und mit "Henrystutzen" und "Bärentöter" totschießt, was sich seinen Interessen nicht unterordnet, symbolisiert Karl Mays Winnetou den renitenten Rechtsstaatsverächter, dem Selbstjustiz alles, das Befolgen von Regeln, Gesetzen und behördlichen Verordnungen aber nichts gilt. Lange schon hätte das fragwürdige Treiben des reitenden Anarchisten beendet werden müssen. 

Zersetzende Säure aus Sachsen

Nicht allein der Versuch Karl Mays, sich die deutsche Übersetzung des vom "American Indian Movement", dem "American Indian Youth Council" und dem "National Congress of American Indians" missbrauchten Falschbegriff "Indians" als deutsche Übersetzung "Indianer" zunutze zu machen, spricht für die Absicht des Ostdeutschen, nach einem "Ressonanzraum in der Gesellschaft" (Jürgen Kaseck) zu suchen, der seine Ursachen auch "in der spezifischen DDR Geschichte" haben könnte,  in der die Behörden zuerst erkannt hatten, welch zersetzende Säure, frei wird, wenn ein Schriftsteller "seine jugendlichen, unkritischen Leser antihumanistisch beeinflusst und ihnen ein völlig verzerrtes Bild der Welt malt."

Ein Stopp der Verbreitung der klischeebeladenen, spaltenden und  aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über das Leben in den "Indianergebieten" (Mainpost) leugnenden Bücher und Filme war insofern überfällig. "Ein toter Indianer ist ein guter Indianer", soll der Philip Henry Sheridan, ehemals Oberbefehlshaber des US-Heeres, unwidersprochen gesagt haben. Für Deutschland aber ist der bessere Indianer der, der nicht mehr vorkommt.

Sonntag, 28. August 2022

Studie: So heftig leiden E-Autofahrer unter der Strompreisexplosion

Staat und  Steuerzahler finanzierten die Anschaffung, doch nun sollen Fahrer von Elektroautos ihre gesamte teure Stromrechnung selbst zahlen.

Erst kletterten die Preise für Benzin und Diesel, dann folgten Gas und Lebensmittel, ein Stromproblem aber hatte Deutschland nicht. Noch immer lobt die Bundesregierung Prämien für den Kauf von elektrisch angetriebenen Pkw, der Kanzler persönlich warb bei seinem Besuch in Schweden für den Umstieg auf Elektro-Lkw. Gleichzeitig jedoch klettern nun auch bei der elektrischen Energie die Preise, angetrieben von Hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern, die trotz eindringlicher Warnungen auf Einflüsterungen von Preppern und Verunsicherern hereingefallen sind und sich zum Kauf von sogenannten Heizlüftern hinreißen ließen.

Schlechte Nachrichten von der Ladesäule

Für die Elektromobilität ist das keine gute Nachricht. Wie eine neue Studie aus dem Climate-Watch Institut  (CLW) im sächsischen Grimma zeigt, leiden vor allem Fahrer elektromobiler Fahrzeuge unter den absehbaren Preissprüngen. Die Preissteigerungen treffen den Forscherinnen und Forschern zufolge nicht alle Fahrzeugführer gleich hart, besonders Besitzer energiehungriger Fahrzeuge mit großem Reichweitenbedarf sind in ihrer Mobilität finanziell beeinträchtigt. Unter ihnen wiederum leiden die Familien mit niedrigem Einkommen am meisten unter der Strompreisinflation, die ursprünglich einberechnete Kostenvorteile der Elektromobilität mittlerweile vollständig aufgezehrt hat.

Noch vor zwei Jahren war das ein Argument für Tesla und Co. Im Jahr 2020 kostete eine Kilowattstunde Strom in Deutschland durchschnittlich 32 Cent, eine 100-Kilometer-Fahrt in einem Elektroauto schlug dadurch mit durchschnittlich 4,65 Euro zu Buche. Das war deutliche billiger als die Fahrt in einem Benziner, die 7,31 Euro kostete, und sogar günstiger als in eine Dieselfahrt, die mit 5,19 Euro zu Buche schlug.

Ein unumkehrbarer Trend

Doch mit den angekündigten Preiserhöhung für Elektroenergie, die einen langjährigen und - im Gegensatz zu den Preisen bei Flüssigtreibstoffen unumkehrbaren Trend folgt, kippt der Sparvorteil in sein Gegenteil. Seit einem Vierteljahrhundert sind die Strompreise in Deutschland fortwährend gestiegen, in den zurückliegenden 15 Jahren um ganze 63 Prozent, in den zurückliegenden vier Monaten um weitere 25 Prozent. Der ganz große Anstieg, bei dem die höheren Einkaufspreise im Großhandel weitergereicht werden, steht dabei noch bevor. Hier droht eine Explosion um weitere 50 bis 100 Prozent, die noch obendrauf kommt auf zuletzt die deutlich angestiegenen Fahrzeugpreise..

Jahrelange Bemühungen, das Land durchgehend zu elektrifizieren, wären damit schlagartig beendet. "Nur die Allerreichsten könnten es sich noch leisten, elektrisch mobil zu sein, wenn eine Fahrt von 100 Kilometern mit 20 Euro Kosten verbunden ist", sagt Herbert Haase von Climate Watch. Das sei dann fast so teuer wie eine Fahrkarte der Deutschen Bahn. "Unbezahlbar für die meisten Menschen, die ja auch schon mehr für Dusche, Butter, Brot und die Anschaffung von Wintervorräten bezahlen müssen", wie Makroökonomen des Ressorts Grüne Konjunkturforschung des CLW vorrechnen. 

Positiver Stilllegungseffekt

Als positiv bezeichnen sie den sogenannten Stilllegungseffekt, der dafür sorgen werde, dass die bislang nahezu 700.000 Elektrofahrzeuge in Deutschland vermutlich dauerhaft kein schädliches Klimagas CO2 mehr verbrauchen - allein dafür habe sich die Förderung der Anschaffung durch die Steuerzahlenden in Höhe von etwa 10 Milliarden Euro bereits gelohnt.

Doch dass Elektroauto-Haushalte mit niedrigen Einkommen besonders stark von der Inflation belastet werden, bedrückt die Forscher. "Oft wird nicht nur mit Strom gefahren, sondern auch gekocht und per Wärmepumpe geheizt." Damit schulterten diese Early Adopter einen Großteil der gesamtgesellschaftlichen Last. " Es scheint deshalb nur gerecht, nach dem Auslaufen von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt und mit Einführung der Gasentlastungsumlage einen Stromrabatt für E-Autos einzuführen, um die soziale Schere bei den Belastungen nicht weiter aufklaffen zu lassen."

E-Auto-Verkauf kommt zum Erliegen

Denn die bereits verkündigten zusätzlichen Preissteigerungen beim Strom zerschlügen die Sparpläne der elektromobilen Haushalte über Nacht, so dass der Abverkauf von Tesla und VW.ID trotz großzügiger staatlicher Förderung bereits in kurzer Zeit vollkommen zum Erliegen kommen werde. Damit stünden dann auch die hochfliegenden Pläne vom bundesweiten Ladenetzausbau auf dem Spiel und das eben erst verabschiedete Gesetz zur Zwangsverwendung von Elektrofahrzeugen als Bundesstromnotspeicher laufe ins Leere. 

Bisher von der Ampel ins Spiel gebrachte weitere Entlastungspakete - Stichwort "Bürgergeld", "Wohngeld" und "soziales Jahr" - seien nicht in der Lage, die mobile Schieflage zu mildern, warnten die Fachleute. "Damit würde gerade jenen Personen gar nicht geholfen, die nach den Ergebnissen unserer Forschung besonders stark belastet sind", rechnet Herbert Haase vor. Um die aus Klimagründen unumgängliche Elektromobiliät weiterhin zu propagieren und lukrativ erscheinen zu lassen, müsse der Finanzminister "Geld in die Hand nehmen" und auch an den Ladestationen zeigen, dass der Umstieg ernst gemeint sei. "Da muss es klingeln beim Laden", empfiehlt Herbert Haase.

Zusammenrücken in Notgemeinschaften: You'll never sleep alone

Dem geplanten Zusammenrücken in Not- und Spargemeinschaften wird auch zugetraut, die Stimmung im Lande zu heben.

Nur noch kalte Räume für alle, die arbeiten müssen, kein warmes Wasser zum Händewaschen beim Singen von "Freude, schöner Götterfunken" gegen das neuartige Lungenvirus, Licht aus selbst in den ohnehin dunklen Ecken der Städte und keine offenen Türen mehr nirgendwo: Der "Energiespar-Hammer" (Berliner Kurier) der Bundesregierung sieht umfangreiche Einschränkungen des öffentlichen Lebens vor, um den Energiekrieg mit Russland bis zum kommenden Frühjahr offenzuhalten.  

Entschlossene Maßnahmen

Der Verordnungsentwurf "zur Sicherung der Energieversorgung" erlaubt Mieter*innen erstmals das Abschalten ihrer Heizungen und verbietet es Besondersreichen, ihre Pools weiterhin künstlich zu erwärmen, Behördenflure bleiben kalt, ebenso Druckerräume, Keller und Kaffeeküchen. Neben einer klaren Priorisierung der verbleibenden Heizkraft, die Leistern von leichter Büroarbeit etwa in Ministerien mindestens 19 Grad zubilligt, körperlich hart und schwer arbeitenden Monteuren, Windkraftanlagenanstreichern oder Lageristen zur Erhaltung der Agilität aber auf Umgebungstemperaturen von höchstens 12 Grad festlegt, stehen im Plan aber noch viel weitreichende Überlegungen, die helfen könnten, sechs Siebtel der bisher in deutschen Privathaushalten verbrauchte Energie auf einen Schlag einzusparen.

 Zweite Phase der Zeitenwende

Das von Bundeskanzler Helmut Scholz bei der Ansage der zweiten Phase der Zeitenwende benutzte Motto "You'll never walk alone" soll dabei die generelle Richtung vorgeben. Geplant ist ein gesamtgesellschaftliches Zusammenrücken im Sinne der Scholz'schen Vorgabe, dass alles getan werden wird, was getan werden muss. Weil bereits rein rechnerisch keine der bisher vorbereiteten Sparmaßnahmen ausreichen wird, das von der EU-Kommission über ganz Europa verhängte Sparziel von 25 Prozent zu erreichen, haben Forscherinnen und Forscher der Abteilung Wärmeplanung im Heimatministerium der Ampel jetzt einen weitreichenden Vorschlag unterbreitet: Danach soll eine sogenannte Kohortenlösung Deutschland akutes Energieproblem schlagartig lösen.

Gedacht ist an ein Wechselmodell, wie es von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin während der Hochzeit der Corona-Pandemie für Schülerinnen und Schüler ins Spiel gebracht worden war. Die  vorgesehenen Energie-Konsorten aber greifen tiefer in das private Zusammenleben der Deutschen ein. Vorgesehen ist, dass sich in einem als "Freiwilligkeitsphase" bezeichneten Zeitraum bis zum offiziellen Winterbefehl am 1. Oktober jeweils sieben Wohnparteien aus sieben Wohnungen zu einer Not- und Spargemeinschaft zusammenfinden können. Die jeweiligen Mitgliederinnen und Mitglieder sollen dann ab 1. Oktober jeweils tageweise gemeinsam in den Wohnungen der einzelnen Gemeinschaftsmitglieder wohnen. Montag alle bei Müllers, Dienstag alle bei Saruniceks, Mittwoch bei Abdallahs und so weiter.

Rotationswochen im Karusellmodell

Berechnungen der Berliner Wärmeplaner wäre dieses Rotationswohnen, auch als Karussellmodell bezeichnet, in der Lage, bereits ab 2. Oktober sechs Siebtel der in Deutschland normalerweise benötigten Heizenergie zu sparen. weil immer nur ein Wohnung bewohnt wird, müssen die sechs anderen nicht beheizt werden, weil jeden Tag gewechselt wird und die benutzten Räume jeweils überbelegt sind, kühlt dennoch kein Wohnraum soweit aus, dass unnötig Energie verschwendet wird, um ihn wieder bewohnbar zu machen.

Voraussetzung sei jedoch, heißt es im Verordnungsentwurf, dass alle 80 oder auch 84 Millionen Bürgerinnen und Bürger mitmachen. Um das sicherzustellen, soll sich an die Freiwilligkeitsphase, in der Großfamilien, Freundeskreise oder Arbeitskollegende ohne staatlichen Druck zu Leidensgemeinschaften zusammenfinden können, ein als "Orientierungsphase" bezeichneter Zeitraum anschließen, in dem staatliche Karussellkontrolleure überall im Land nach den Rechten schauen und darauf hinwirken, dass widerstrebende Familien, verstocke Einzellebende und notorische Egoisten wirksam zu Winterwohngemeinschaften zusammengebracht werden. 

Gesamtgesellschaftliches Zusammenrücken

You'll never sleep alone" soll es spätestens ab Anfang November für alle heißen, um drastisch Erdgas, Strom und Klimagas einzusparen. Dem gesamtgesellschaftlichen Zusammenrücken trauen die Berliner Planer*innen aber durchaus auch noch weitergehend positive Wirkungen jenseits des reinen Energiesparens zu. So sei es denkbar, das die neuen Spar- und Notgemeinschaften dazu beitragen, die meistenteils fatalistisch-düstere Stimmung im Lande aufzuhellen. Absehbar seien gruppendynamische Prozesse, die nach einer womöglich anfangs nicht einfachen Startphase zu zahlreichen neuen Freundschaften und Liebesbeziehungen führen würden, schreiben die Sozialingenieure des Bundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin in einem ersten Schnellgutachten.


3 Dinge, die man sich überlegen sollte, bevor man eine digitale Wallet auswählt

Online-Zahlungsmethoden haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Wo man bis vor einiger Zeit lediglich mit einer EC- oder einer Kreditkarte bezahlen konnte, gibt es heute eine Reihe von Optionen und ständig kommen neue hinzu. Vor allem digitale Wallets sind eine beliebte Alternative. Dabei gibt es einige Aspekte, auf die Nutzer achten sollten. So ist zum Beispiel nicht nur die Schnelligkeit wichtig, sondern auch die Sicherheit. Ein Ort, an dem das besonders wichtig ist, sind zum Beispiel Online Casinos. Die Plattformen versuchen, ihren Nutzern möglichst vielfältige und vor allem sichere Zahlungsoptionen bereitzustellen. So kann man heute beispielsweise oft im Casino mit Paysafecard bezahlen oder eine andere E-Wallet wählen, um Ein- und Auszahlungen zu tätigen.

Was ist eine E-Wallet? 

Eine E-Wallet (alternativ: digitale Wallet, Cyberwallet oder manchmal auch einfach Wallet) ist ein digitaler Ort, an dem man Guthaben elektronisch speichern kann. Nutzer können dies von einem Konto, einer Kreditkarte oder sogar bar aufladen und dort aufbewahren, bis sie es benötigen. Oft werden die Wallets für Zahlungen in Onlineshops benutzt, aber auch immer mehr physische Läden akzeptieren diese. 

Zu den bekanntesten in dem Bereich gehören PayPal und GooglePay – mittlerweile gibt es aber eine ganze Liste von Anbietern und ständig kommen neue hinzu. Ähnlich aber doch etwas anders sind Crypto-Wallets. Die dienen zur Aufbewahrung von Krypto-Coins und nur selten zum direkten Bezahlen. User können dort ihre Bitcoin, Ethereum oder andere Kryptos sicher speichern.

Wie findet man nun aus der großen Auswahl an digitalen Wallets die passende? Wir sehen uns einmal genauer an, was dabei zu beachten ist.

Fallen bei der Wallet Gebühren an? 

Viele Menschen wollen eine möglichst kostengünstige Alternative als E-Wallet finden – das ist verständlich. Und während große Dienste wie PayPal etwa das Versenden von Geld im Bekanntenkreis kostenfrei anbietet, kosten geschäftliche Transaktionen meist etwas. Manche Dienste verlangen nur vom Händler Gebühren, andere dagegen vom Käufer oder sogar von beiden. In manchen Fällen handelt es sich um einen Festbetrag, andere Plattformen behalten einen Prozentsatz der getätigten Überweisung ein. 

Vor allem wenn ein Nutzer oft Geld ins Ausland versendet oder aus dem Ausland empfängt, sollte man sich die Gebührentabelle genau ansehen. Oft kommen da noch Umrechnungs- oder Währungsgebühren hinzu – das summiert sich. 

Wie sieht es mit der Akzeptanz aus?

 Nicht jeder Händler akzeptiert Zahlungen von jeder Wallet. Besonders kleinere oder noch unbekanntere Dienste werden nicht überall akzeptiert. Manche Plattformen sind auch nur in manchen Ländern beliebt und werden in anderen fast gar nicht verwendet. 

Wollen Nutzer auf Nummer sicher gehen, sollten sie sich für eine der weiter verbreiteten Optionen entscheiden – PayPal, GooglePay und ApplePay sind einige der Alternativen, die weltweit bekannt und an vielen Orten nutzbar sind.

Ist die Wallet sicher? 

Wenn es um Geld und Transaktionen geht, ist eins besonders wichtig: die Sicherheit. Grundsätzlich gelten meist schon einmal die E-Wallets als sicherer, die bereits seit einer langen Zeit auf dem Markt präsent sind. Die verschlüsseln in der Regel ihre Daten stark und sorgen so dafür, dass es Cyberkriminelle schwer haben. 

Und auch das Vorhandensein bestimmter Sicherheitsvorkehrungen lässt darauf schließen, dass die Wallet eine erhöhte Sicherheit bietet. Eine Zwei-Faktor-Authentifizierung etwa sorgt dafür, dass vor jeder Zahlung diese extra bestätigt werden muss. 

Und am Ende hat auch jeder Nutzer selbst etwas Einfluss auf die Sicherheit seiner Online-Daten. So gilt es etwa, Phishing-Attacken und sonstige Spam-Mails zu enttarnen und nicht auf betrügerische Tricks hereinzufallen.

Samstag, 27. August 2022

Zitate zur Zeit: Forever jung

Begenbare Duschen sind bei blutjungen Ersteinrichtern, die wie Teresa Bücker gerade erst daheim ausgezogen sind, im Trend. Aber Achtung: Bündig abschließen sollten sie!

Ich hätte lieber so richtig ehrgeizige Klimaschutz-Politik statt Dusch-Tipps, aber angeblich wollen wir jungen Leute ja immer zu viel. 

Teresa Bücker, 38

Ungerechte Rundfunkräte: Offenbarungseid der Gerechtigkeit

Das Magazin "Zapp" spielt das Allerschlimmste durch: Deutschland verliert einen Teil seiner 76 öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsprogramme.

Mit nur 76 Sendern stellt der Gemeinsinnfunk in Deutschland die Grundversorgung von mehr als 83 Millionen Menschen mit sorgfältig ausgewählten Informationen, handgemachten Fakten und selbst ausgedachten Kommentaren sicher. Über die korrekte Funktionsfähigkeit dieses unabhängigen und unparteiischen Systems wachen in den Rundfunkräten seit Jahren bereits nicht mehr nur Politiker, politische Beamte und politiknahe Wissenschaftler, sondern auch Vertreter von sogenannten "gesellschaftlichen Gruppen", die nach einem komplizierten Besetzungssystem hinter den Kulissen ausgewählt und bestimmt werden.  

Ein reibungsloser Mechanismus

Ein Mechanismus, der auch schon wieder seit Jahren zu aller Zufriedenheit funktioniert wie geschmiert. Dank der "staatsfernen Vertreter" (Bundesverfassungsgericht) gilt etwa der von professionellen Politikbetrieb geprägte Fernsehrat des ZDF, in dem der Bereich "Kunst und Kultur" vom früheren  Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt im Kostüm eines einfachen Bürgers und der Bereich "Migranten"vom CDU-Politiker Ali Ertan Toprak vertreten wird, als basisdemokratische Veranstaltung. 

Ausgerechnet die Volunteers, hauptberufliche Umweltschützer, Vertriebene, Europäer, Beamte oder Verbraucherschützer, geraten aber nun Zwielicht des Verdachts, große Teile der Gesellschaft auszuschließen. Bestimmte Gruppen seien unter den Räten häufig, andere aber nur selten anzutreffen, haben die "Deutschen Medien­machenden" in einer Studie herausgefunden, die alle 542 Mitglieder der Rund­funkräte der ARD-Anstalten, des Deutschland­radios, der Deutschen Welle sowie des ZDF-Fernseh­rats unter die Lupe nahm. 

Viel zu viele Bauern

Mit verstörenen Ergebnissen. So sind Menschen mit Behinderung sind lediglich in sieben, queere Personen in sechs, Musliminnen in vier Räten und führende Forschde von den 196 Genderlehrstühlen in Deutschland überhaupt nicht vertreten. Ein Offenbarungseid der Gerechtigkeit. Es gebe genauso viele Interessen­vertreterinnen für das eine Prozent der  Bevölkerung, das immer noch in der Land­wirtschaft tätig sei, wie für die 27 Prozent der Mitbürgenden und Mitbürger*innen, die Wurzeln oder Migrations­hintergrund vorweisen können, aber meistenteils nicht als Bauer, Landwirt oder in der Gemüseaufzucht ihr Brot verdienen. Auf mehrere Sportfunktionäre kommen hingegen viel zu wenige Kleintierzüchter, unbekannt ist, ob überhaupt Vertreter*innen der deutschen Linkshänder berufen worden sind, unterrepräsentiert sind womöglich auch Kleingärtner, Anhänger der Freikörperkultur und Wohnmobilurlauber.

Zudem liege der durchschnittliche Frauen­anteil in den Räten bei 44 Prozent, in der Gesellschaft aber sei mehr als jeder zweite eine Frau. Auch das Durchschnitts­alter der Ratsmitglieder von 58 Jahren bildet die Wirklichkeit draußen vor den Elfenbeintürmen der Funküberwacher keineswegs korrekt nach: Die bestallten Aufseher sind 14 Jahre zu alt.

Reform tut not

Damit werden die Räte ihrem Anspruch, die Vielfalt der Gesellschaft zu repräsentieren, natürlich nicht gerecht. Identitätspolitisch kann jeweils nur der für den sprechen, der etwas ist, wenn er selbst das auch ist, oder etwas tut, das auch die tun, für die er etwas tun will. Um die tatsächlichen Verhältnisse im Rundfunkrat künftig auch in der Gesellschaft abzubilden, so die Medienmacher, brauche es ein konsequentes Umsteuern nicht bei der Besetzung von Stellen in der Landwirtschaft, sondern auch bei der Strukturierung von Vereinsmitgliedschaften, Hobbys und der Lesbarkeit von Geschlechtern. Rundfunkräte müssten bereit sein, neben ihrer Tätigkeit als Aufsichtsführende über den Gemeinsinnfunk nicht nur hauptberuflich etwa als Sportfunktionär, Verbraucherschützer oder Bauer tätig zu sein, sondern auch für Wurzeln zu stehen, Kleintiere und Hunde zu züchten, Sammelleidenschaften zu pflegen und in Kleingärten zu arbeiten. 

Gerechte Repräsentation in Rund­funkräten scheitere bisher "am fehlenden Willen" der Aktiven, bei der Abbildung der diverser gewordenen Gesellschaft zu helfen, indem sie sich bereit fänden, sich selbst entsprechend in die Pflicht zu nehmen. Parallel gehe es darum, die Falschverteilung von Nebenidentitäten im Gemeinwesen abzubauen. Hilfreich dabei wäre nach Überlegungen der Neuen Medienmachenden etwa eine Wurzelquote für Landwirtschaftende und ein Bundesausgleichsmechanismus, der den Anteil von Haustierzüchtern und Freikörperkulturisten mit einem atmenden Deckel in Richtung auf den heutigen Bestand an Sportfunktionärende und Umweltorganisierenden verschiebe.

Freitag, 26. August 2022

CO2-Steuer: Ein Mehr fürs Klima

Der Fahrplan in eine klimagerechte Zukunft: Die Mehreinnahmen von bisher fast 20 Milliarden Euro wollte der Staat nie haben. Nun sind sie halt da.

Als die CO2-Steuer am 1. Januar 2021 eingeführt wurde, verbanden sich mit der neuen Umweltabgabe große Erwartungen. Wer immer nun noch Kohle, Heizöl und Erdgas nutzen würde, müsste pro Liter Heizöl acht 8 Cent mehr bezahlen, wer noch Diesel fuhr oder einen Benziner, auf den kamen Mehrkosten von sieben Cent zu. Die vergleichbare Energiemenge Erdgas wurde fünf 5 Cent teurer - im Namen des Weltklimas, das schon lange auf eine solche entschlossene Maßnahme gewartet hatte. 

Deutschland wurde ein weiteres Mal zum Vorreiter. Schweden, die Schweiz und Frankreich hatten ähnliche Sondersteuern bereits früher eingeführt, mit gutem Erfolg. So lagen Frankreichs eigene CO2-Emissionen bereits ein Jahr nach der Einführung der CO2-Bepreisung viel niedriger als die Belastung durch das Klimagift, die das Land nun aus dem Ausland importierte.  

Ein sanfter Einstieg

Deutschlands Klimapaket wurden ähnlich positive Effekte zur Senkung von Klimagasemissionen vorhergesagt. Durch die gesetzlichen Maßnahmen verteuerte sich die Bestellung von 3.000 Liter Heizöl um 270 Euro, auch die Verbrennung von Kohle, Mineralöl und Erdgas verteuerte sich durch die für den sanften Einstieg vorgesehenen zusätzlichen 25 Euro pro Tonne unmerklich, aber spürbar. Gemäß der Frosch-Regel wurde festgelegt, dass die Aufschläge bis 2025 langsam, aber deutlich steigen: Bei Heizöl bis 2025 auf 17,3 Cent pro Liter. Alle Einnahmen aus der Strafabgabe für hartnäckige Nutzer fossiler Energieträger würden irgendwann später als "Klimaprämie" an einsichtige Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden, um umweltfreundliches Verhalten zu belohnen.

Als die Abgabe Anfang 2022 auf 30 Euro pro Tonne stieg, reichten die bis dahin erzielten Einnahmen von etwa 12,5 Milliarden Euro noch nicht, um das Wahlversprechen der Ampelparteien einzulösen. Zudem waren die deutschen CO2-Emissionen im ersten CO2-Steuerjahr auf  762 Millionen Tonnen gestiegen - gut 33 Millionen Tonnen oder 4,5 Prozent mehr als 2020. Das "Herzstück des Klimaschutzprogramms"  der Bundesregierung zeigte kaum Wirkung, gesprochen wurde deshalb nur noch sehr selten über die versprochene Rückerstattung und gar nicht mehr über die erhofften Effekte. 

Anschwellendes Schweigen

Je hektischer die Preise für Energie aller Art stiegen, desto lauter wurde das Schweigen. Der Fahrplan für die preisgetriebene Rettung der Welt stand, die nächsten Stufen waren festgelegt. Von 25 auf 30, dann auf 35, dann 45 und schließlich 55 Euro. Die Gasheizung einer 90 Quadratmeter großen Wohnung mit einem Verbrauch von 10.000 kWh im Jahr war in der ersten Stufe um etwa 60 Euro teurer geworden. Zum Zielzeitpunkt 2025 würden es dann 130 Euro sein, die die Motivation von Mietern und Vermietern, von Häuslebauern und Eigenheimbesitzern nachhaltig stärken würden, auf umweltfreundlichere Heizungen mit Strom, Pellets oder Solarenergie umzusteigen.

Noch ist es nicht gelungen, die Europäische Union davon zu überzeugen, "eine unionsweite Energie-CO2-Steuer" einzuführen, wie es die Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" 1994 gefordert hatte. Doch mit der unerwarteten Dynamik der Preisentwicklung, die inzwischen nicht nur Erdgas, sondern auch elektrischen Strom für Normalverdiener in Kürze unbezahlbar zu machen verspricht, tritt die ersehnte Lenkungswirkung durch das Preissignal nun  unverhofft doch noch ein. Kostenlos für die Bürgerinnen und Bürger, wie das SPD-Parteiorgan "Vorwärts" betont: Die CO2-Abgabe sei keine zusätzliche Steuer, solle also auch keine zusätzlichen Einnahmen für den Staat erbringen. "Deshalb wird das Geld auch in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert und für Entlastungen der Bürger*innen und Unternehmen etwa beim Strompreis genutzt."

Bundesbehördenansiedlungsinitiative: Im Zentrum für Verhöhnungsforschung

In diesem alten Kaufhaus in Dunkelstadt, das nicht mehr gebraucht wird, nimmt das Zentrum für Verhöhungsforschung in Kürze seine Forschungsarbeit auf.

Innenpolitik, Außenpolitik, Krieg und Frieden, Covid-19, Klimawandel, positiver Populismus und nicht zuletzt der Energieausstieg machen die Frage, wie Verhöhnung funktioniert wie Verächtlichmachung immer weitere Bereiche der Gesellschaft zerfrisst, hochaktuell und brandrelevant. 

Im Zuge der großzügig finanzierten Bundesbehördenansiedlungsinitiative erfolgte deshalb schon im vergangenen Jahr, noch angestoßen durch die Große Koalition, die Gründung des Zentrums für Verhöhnungsforschung, das jetzt im kleinen brandenburgischen Städtchen Dunkelstadt seine Forschungsarbeit aufgenommen hat. Gemeinsam mit verschiedenen Partnerorganisationen, zivilen Initiativen und Forschergruppen aus anderen betroffenen Staaten werden die Forschenden der Denk- und Beobachtungsfabrik künftig Verhöhnungspraktiken interdisziplinär und vergleichend in unterschiedlichen kulturellen, sozialen und regionalen Kontexten analysieren.  

Ein völlig neues Wissensgebiet

Ein völlig neues Wissensgebiet, das allerdings durch offizielle Anerkennung der Verächtlichmachung als neuem Straftatbestand eine akute Dringlichkeit bekommen hat. Der neue Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" war erst vor einem Jahr entdeckt worden. Zuletzt hatte jedoch die DDR Erfahrungen mit der seinerzeit noch "Staatsverleumdung" genannten Praxis gemacht, öffentlich verächtlich über staatliche Funktionäre oder Institutionen zu sprechen und sie so "durch verächtlich machende Bemerkungen oder verleumderische Behauptungen herabzuwürdigen."

Wie genau das unter den heutigen Bedingungen funktioniert, wie Verhöhnungsprozesse sich aufschaukeln und gegenseitig verstärken können, damit wird sich das Dunkelstadter Forschungszentrum beschäftigen. Am Zentrum für Verhöhnungsforschung (BfVZ) werden sich nach dem kompletten Aufwuchs der Gesamtbelegschaft mehr als 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der herausragenden gesellschaftlichen Bedrohung befassen, als die die Verhöhnung mittlerweile wieder begriffen wird. 

Breiter Analyseansatz

Die Forschenden kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen, denn der umfassenden Analyse von Verhöhnungsfällen ist nur beizukommen, indem breite Ansätze gleichermaßen verfolgt werden. Neben Hassforschern werden deshalb auch Soziologen, Kulturanthropologen, Hasshistoriker, Theologen, Philologen, Philosophen sowie Literatur-, Medien-, Rechts- und Politikwissenschaftler in Dunkelstadt arbeiten. Es gehe um Lehren aus der Gegenwart, sagt Gunnar Schadeweit, der zum Gründungsleiter  des BfVZ berufene frühere Vorsitzende der Stabsstelle eins bei der Jury zur Vergabe des Max-Zimmerring-Preises für Alltagsmut.

Seitdem die Finanzierung steht, erarbeiten wir uns langsam nicht interdisziplinär und international Zugang zum Thema, sondern auch aus der empirisch-theoretischen Richtung", bestätigt der gebürtige Rheinländer. Um in die Region zu wirken, die als Hochrisikogebiet gilt, plane das BfVZ für die Zukunft ein breites Spektrum an Veranstaltungen, Events, Kongressen und Kooperationen mit lokalen Partner*nnen und ortsansässigen Behörden, die die Menschen abholen sollen, wo sie sind. 

Die schlafenden Hunde der Verhöhnung

Jetzt schon zeigt die Ansiedlung erste positive Effekte im gesamten Umland. Durch den fakultätsübergreifenden und transdisziplinären Forschungsansatz war es möglich, direkt in Dunkelstadt Jobs für Hausmeister, Empfangsfoyer und Hauspostboten zu schaffen. Später sei geplant, sich als Exzellenzcluster zu bewerben, um den Zuschlag für zusätzliche Mittel für einen modernen Laboranbau zu erhalten, in dem die Resultate der Forschungsarbeiten in konkrete Handlungsrichtschnüre für die Umsetzung im alltäglichen Meinungsfreiheitskampf zwirnen. Gunnar Schadeweit rechnet nicht mit schnellen, aber mit überzeugenden Resultaten in absehbarer Zeit. "Wir haben intern einen Plan, wann wir in die Umsetzungsphase gehen", sagt er. Es sei aber noch zu früh, mit einer Ankündigung schlafende Hunde zu wecken.