Es war ein wegweisender Schritt hin zu mehr europäischer Souveränität, den Deutschland gemeinsam mit den Verbündeten ging, als alle gemeinsam das Projekt Gaia-X aus der Taufe hoben. Ziel war der "Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur für Europa", unabhängig von den amerikanischen Datensaugern Amazon, Google, Cloudflare und Microsoft, gegen die die EU nun mit der ganzen Kraft von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung mobil machen würde. Ein ganzes neues "digitales Ökosystem" (Peter Altmaier) sollte entstehen auf dem zu spät zur digitalen Party erschienen Kontinent und "dafür sorgen, dass Unternehmen und Geschäftsmodelle aus Europa heraus wettbewerbsfähig sein können".
Fehlgeburt Gaia-X
Die europäische Öffentlichkeit war fasziniert und voller Hoffnung, als das Projekt beim Digital-Gipfel 2019 in Dortmund vorgestellt wurde. Europe first!, wie es in Brüssel und Berlin heißt. Benannt nach einer griechischen Gottheit, die in der Mythologie als personifizierte Erde steht, würde das mit hunderten von Millionen Euro geförderte Unternehmen die dringend nötige Digitalisierung öffentlicher Aufgaben entschieden vorantreiben und die Vorherrschaft ausländischer Konzerne in der Cloud brechen, deren führende Vertreter Microsoft, Alibaba, Amazon und Google selbst Mitglied der Initiative sind. Endlich! Eigenständig!
Ein Traum, der ganze drei Jahre währte und abgesehen von einer hübschen Internetseite vor allem Absichtserkklärungen produzierte. Im Frühjahr dann, die neue Bundesregierung hatte ihre Dinge soweit geordnet, ihre Prioritäten gesetzt und ihre Beschlüsse zur dringend benötigten Digitalisierung getroffen, kam das Aus. Das Cloudgroßprojekt Gaia-X, Hätschelkind und Vorzeigeunternehmen des CDU-Wirtschaftsministers Altmaier, bekommt von dessen grünem Nachfolger Robert Habeck kein Geld mehr. Der Bundeshaushalt 2022 jedenfalls sah keine Mittel mehr dafür vor, recht kurzfristig, denn eben noch waren 117 funkelnagelneue Millionen angekündigt worden.
Neue Schwerpunkte
Nicht genug und vor allem nicht gut genug. Wirtschaftsklimaministerium hat die digitale Souveränität höchste Priorität, wie eigentlich immer schon seit Horst Seehofer und Peter Struck ihre Nokia-Handy verschrotteten, um den damals noch führenden Smartphone-Hersteller zur Fortsetzung der Produktion im Land zu zwingen. Robert Habeck, der EU-Kommission und der Bundesregierung reicht das mhliche Tempo einfach nicht, in dem es Gaia-X gelang, binnen dreier Jahre 65 Anwendungsmöglichkeiten einer europäischen Cloud zu identifizieren.
Unsere Wirtschaft muss selbst bestimmen können, wie sie ihre Daten speichert, nutzt und verarbeitet", kündigte Habeck einen Strategiewechseln an. Weil der Aufbau einer eigenen Cloud-Infrastruktur hohe Investitionen erfordert und die Wirtschaft in der EU inzwischen beinahe zwei Jahrzehnte hinter der US-Konkurrenz zurückhängt, will Habeck nun nicht mehr die europäische Aufholinitiative fördern, sondern 26 deutsche Unternehmen, die eine europäische Cloud-Infrastruktur aufbauen sollen. Das spart, wo Geld fehlt, weil die Prioritäten sich verschoben haben. Das zeigt aber auch, dass sich die "neue Phase" (Gaia-X), in die der gemeinschaftliche europäische Kraftakt zuletzt noch gestartet war, "souverän über sektorspezifische Datenräume hinweg" (Gaia-X) entfaltet und "Föderierbarkeit, Transparenz und Interoperabilität" souverän bereits in einem frühen Stadium anzukündigen wusste.
Neuer Angriff auf Amazon
Auf Gaia-X folgt nun ein neuer Angriff auf Amazon, noch entschiedener, noch zielgerichteter, auf jeden Fall aber für die neue Bundesregierung noch wichtiger als die Unterstützung der Idee der alten, die darauf zielte, durch "standardisierte Vernetzung neue Möglichkeiten, innovative und maßgeschneiderte Angebote auf den Markt zu bringen". Diesmal sind bis zu 750 Millionen Euro ausgerufen, die für den Aufbau der "europäischen Cloud-Struktur" verteilt werden. Neben Deutschland und Frankreich sind zehn weitere europäische Länder mit von der Partie, insgesamt liegt das Volumen der angedachten Projekte bei 5,2 Milliarden Euro. Viel hilft viel. Bis zum nächsten neuen Anlauf.
2 Kommentare:
Früher nannte man solche Flausen und Hirngespinste von Minderbegabten Wolkenkuckucksheime. Oder Illusionsblasenschwäche.
Aber Cloud klingt daneben ja angelsäcksisch hoch gebüldet.
Benenne etwas denglitsch, und jeder Michel hält dich für ein Genie.
Früher nannte man solche Flausen und Hirngespinste von Minderbegabten auch Fünfjahrplan, wo die Zukunft einfach beschlossen wurde.
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