Freitag, 8. Juli 2022

Grundwasserausstieg: Eine kurze Geschichte der Wasserwende

Regenwasser schreibt keine Rechnung: Diese Erkenntnis stand am Anfang des deutschen Grundwasserausstiegs.

Eines der größten Rätsel der Menschheitsgeschichte, ungelöst bis heute. Wie fing das an mit der Energiewende? Wo sollte es hinführen, warum und wieso? Wer dachte sich das aus. Und warum? Ein Jahrzehnt, nachdem die ersten Konsequenzen der für die gesamte Welt wegweisenden Entscheidungen zutage traten, sucht die Wissenschaft nach Erklärungen. Herbert Haase vom Klimawatch-Institut (CLW) im sächsischen Grimma gilt als führender Experte für den Energieausstieg, die Braunkohlediät und den Atomverzicht.

Der 44-jährige Klimatechniker ist auch als Lehrbeauftragter an mehreren sächsischen Universitäten und Hochschulen tätig, wo er Ausstiegseleven die Geheimnisse des EEG, der Kohlendioxidsteuern und der Ökoabgabenkaskade mit einer Analogie zum Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) erläutert. PPQ.li dokumentiert den Vortrag im Rahmen der populärwissenschaftlichen Reihe "Sie fragen nicht, wir antworten trotzdem".

Der Grundwasserausstieg

Stellen wir uns vor, wir wollen die Wasserversorgung eines Dorfes komplett von Grundwasser auf Regenwasser umstellen. Es geht dabei darum, auf den Bau teurer Brunnen zu verzichten, die aufwendig gepflegt und mit Pumpen angezapft werden müssen. Regenwasser dagegen ist kostenlos. Der Himmel schicke keine Rechnung, das gilt als sicher. Man müsse ihn nur melken, indem überall Trichter aufgebaut werden, die das Regenwasser sammeln und an das Leitungsnetz weitergeben.

Diese sogenannte Wasserwende gilt als revolutionär. Damit sie zügig vonstatten geht, erhalten alle, die bereit sind, auf ihrem Land oder angemieteten Flächen Auffangtrichter aufzustellen, einen vergleichsweise hohen Preis pro eingesammeltem Kubikmeter Wasser. Gezahlt wird der vom Betreiber des Wassernetzes, um den Anreiz für Trichteraufsteller zu erhöhen, fließt das Geld auch, wenn gerade kein Wasser gebraucht wird.

Aufbau der Trichterindustrie

Das funktioniert erstaunlich schnell und gut. Überall werden Trichter gebaut und angeschlossen, jeder, der es sich leisten kann, investiert in Trichterprojektanten, Trichteraufstellfirmen und Leitungsverleger. Umgehend kommt es dazu, dass bei Regen deutlich mehr Wasser eingeleitet wird, als verbraucht werden kann. Ein kleines Problem zeigt sich zudem darin, dass in einigen Bereichen mit viel Niederschlag wenige Verbraucher sitzen, in anderen ohne viel Wasserüberschuss dagegen sehr, sehr viele. 

Um einen Ausgleichsmechanismus zu schaffen, wird für die Annahme von Wasser nun ein Börsenpreis vereinbart, der am Markt gehandelt wird. Für die Abgabe an den Endverbraucher ist aber darauf noch der Betrag aufgeschlagen, den die Netzbetreiber an die Trichter-Besitzer abgeben müssen.

Ein kluger, selbstlenkender Mechanismus, gespeist aus Erfahrungen beim Aufbau der deutschen Kätzchenindustrie. An Tagen mit viel Regen sinkt der Börsenpreis, und die Befürworter des Regenwassers jubeln: billiges Wasser! An Tagen mit wenig Wasser steigt der Börsenpreis. Für die Endverbraucher ist das weitgehend unerheblich, denn für sie bleibt Wasser immer gleich teuer, sogar völlig unabhängig davon, ob Brunnen- oder Regentrichterwasser abgenommen wird.

Altes Wasser verstopft die Netze

Deshalb werden nun die alten Pumpen für Grundwasser abgeschaltet, weil die Befürworter des Regenwassers argumentieren, das Grundwasser würde das Leitungsnetz verstopfen. Wäre das Grundwasser nicht da, wäre schon mehr Platz für Regenwasser. Dann und nur dann könne der Wasserpreis sinken, der mittlerweile der höchste weltweit ist.

Die Konzentration auf eine Wasserquelle, die zudem nur gelegentlich, sporadisch und in vorher nicht absehbarem Maße sprudelt, braucht bald zwingend ein umfassenderes System des Mengenausgleichs zwischen Ortsteilen mit viel und mit wenig Niederschlag. Angedacht sind Leitungen, die als ganzes Netz durch das gesamte Land gezogen werden sollen. Allerdings weiß noch niemand so ganz genau, wo und wie sie gebaut werden sollen, ob ober- oder unterirdisch, in welchem Durchmesser genau und was das kosten wird. Schwierig wird es durch die Erkenntnis, dass viele Grundstücke gekreuzt werden müssen, deren Besitzer, Nutzer oder Bewohner den Bauarbeiten nicht gerade jubelnd entgegensehen und zuweilen sogar die Aussicht ablehnen, künftig in unmittelbarer Nähe einer Verteilungsleitung zu leben.

Wichtig für das Funktionieren des Gesamtsystems ist aber das Ergebnis. Im Rahmen des gemeinsamen Netzes sind die Wasserleitungen aller Orte mit ihren jeweiligen Nachbarn verbunden. Endlich kann bei Mangelerscheinungen - sogenannten Water-Blackouts - etwas nachfließen. Problematisch daran ist, dass auch dann immer wieder überschüssiges Regenwasser abgegeben wird, wenn Platz in den neuartigen speichernden Netzen ist. Die Nachbarn bauen nun vorsichtshalber Sperr-Ventile ein, um ein Überlaufen ihrer Leitungen zu verhindern. 

Speicher als Lösung

Speicher sind die Lösung" wird nun als Idee zur Lösung aller Konflikte als Losung ausgegeben. In Speichern könne alles, was zu viel ist, kostenlos aufgehoben werden, bis es gebraucht werden könnte. Wie genau und wo die neue Speicherlandschaft errichtet werden soll, ist anfangs noch unklar. Aber mehr als die Theorie hat man leider nicht. Rückhaltebecken, Speicherbrunnen und Wassertürme wird man erst später errichten, sobald klar ist, wo Platz ist, welche Genehmigungsverfahren gelten und wie die Bürger*innen umfassend beteiligt werden können.

In den ersten Augenblicken der neuen Phase der Wasserwende existiert zwar noch kein hinreichend wasserfestes Material, um entsprechende Großspeicherbauwerke für sogenanntes grünes Wasser dauerhaft abzudichten. Aber erste Lösungen sind schon absehbar, Notlösungen vorerst, aber solidarisch. "Wenn jeder sich zwei Eimer und zwei Kannen ins Haus stellt, macht es die Menge", raten die führendsten Wasserwende-Wissenschaftler*nnen. 

Solidarische Wasserwende

Schön sei der Nebeneffekt: Jeder könne so Teil der Wasserwende werden! Wenn es anfangs vielleicht nicht immer ganz reiche, sei das eine typische Kinderkrankheit ohne schwere Folgen. "Zur Not duscht man sich im Sommer mal nicht", rät die Regierung, die eigens entsprechende Berechnungen anstellen lassen hat. Mit erstaunlichen Ergebnissen: Zehn Prozent weniger geht immer. Insgesamt werde ohnehin zu viel Wasser verbraucht, geradezu verschwendet. Die Wasserwende zwinge nun endlich zum Sparen, ein positiver Effekt, den man anfangs vielleicht nicht in seiner gesamten Dimension habe absehen können, der nun aber eine tolle Wirkung entfalte.

Ja, die Zeiten seien ernst, die Lage erfordere nun zum Glück aber viel Solidarität von jedem, was Grundwasserausstieg und deutsche Wasserwende zu einem großen Gemeinschaftsprojekt mache. Statt vereinzelter Brunnen ein Netz für alle, statt bedenkenloser Dreherei am Wasserhahn eine auf jedermann und jedefrau aufgeteilte Verantwortung für jeden Tropfen kostbares Nass. 

Eine einzigartige Erfolgsgeschichte.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Bernd hat mehrere Regentonnen aufgestellt um Regenwasser zu sammeln .