Deutsche Angst vor deutschem Phänomen
Ein Jahr danach hat sich die Einsicht breit gemacht. Die deutsche Angst vor dem deutschen Phänomen, das es so nirgendwo gibt, hat sich als Gespenst herausgestellt. Von wegen, alles wird teurer! Flaschenpfand, die Quelle der sogenannten Trittin-Rente, ist um keinen Cent teurer geworden, seit die EZB die Geldschleusen geöffnet, Corona die Lieferketten zerrissen und Putin die Ukraine überfallen hat. Auch der Brotpreis hält sich stabil, nur die Laibe sind kleiner. Und bei den Nahverkehrspreisen gab es sogar einen kräftigen Rutsch: Unbegrenzte Fahrten einen ganzen Monat lang, wer will auch 24 Stunden am Tag, sie kosten schmale 90 Cent mehr als drei Einzelfahrkarten in Dresden.
Ein Ökonom wird zur Legende: Fratzscher im Sommer 2021. |
Kenner der dunklen deutschen Seele wie Fratzscher, aber auch Tröster der urdeutschen Sorgen wie der "Zeit"-Journalist Mark Schieritz haben recht behalten. Es gibt keine Inflation und die, die man zu spüren meint, ist überhaupt nicht schlimm. Wer auf andere Länder schaut, dem kommt der laute deutsche Jammer und das Quengeln nach Entlastung klein und krümelkackerisch vor. Lebt nicht die Türkei mit fast 80 Prozent Geldentwertung? Der Sudan mit mehr als 300? Und hat nicht der venezuelanische Bolivar seit 2016 bewiesen, dass auch nach sagenhaften 53798500 Prozent Geldentwertung - 1.500 Prozent davon allein im vergangenen Jahr - am Ende des Monats nichts mehr übrig ist, nun aber in viel größeren Banknoten?
Nur Deutsche leiden an Kaufkraftverlusten
Das deutsche Leiden an Kaufkraftverlusten von sieben, acht oder womöglich auch elf oder zwölf Prozent im Jahr erscheint angesichts dieser Zahlen geradezu kleinlich. Längst sind die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande weiter als das politische Berlin: Wie vom Nachrichtenmagazin "Spiegel" schon 2018 vorhergesagt, akzeptieren sie teurere Lebensmittel, weil sie einsehen, dass vieles auch zu viel war in den vergangenen Jahren.
Gerade Geringverdiener wurden Studien zufolge immer dicker, Fastfood-Konzerne strichen Übergewinne ein, Mahnungen des Landwirtschaftsministers, nur höhere Preise könnten Land und Leute gesunden lassen, verhallten ungehört: Selbst der Klimaminister legte in den zurückliegenden Monaten schwer zu, womöglich eine solidarische Geste, womöglich aber auch der Versuch, sich für das, was noch kommt, mit Fleisch zu panzern.
In der Matroschka-Krise
Erst mit der nächsten Puppe der Matroschka-Krise - ein Krieg, der aus einer Pandemie sprang, die aus einer Klimakatastrophe entstanden war - gelang es, die Dinge wieder auf die rechte bahn zu bringen. So, wie der Anstieg der Teuerung ein Zeichen der wirtschaftlichen Gesundung war, ist der weitere Anstieg nun ein Symbol dafür, wie richtig die EZB lag, als sie vor einem Jahr noch kurz vor knapp ihr eisern verfolgtes Inflationsziel von "unter zwei Prozent" über "unter, aber nahe zwei Prozent" auf "zwei Prozent, aber mit akzeptierten Abweichungen nach oben und unten" korrigierte, ohne bei den akzeptierten Abweichungen kleinliche Vorgaben zu machen.
Auch vier, acht oder 16 Prozent sind in Ordnung, selbst die 30 Prozent bei den Erzeugerpreisen, die verteilt übers Jahr langsam in die Ladenkassen vordringen werden, sind kein Verstoß gegen europäische Vorgaben. Jedes kleine Prozent mehr Geldentwertung hilft denen, die Schulden haben, und es gleicht Vermögensunterschiede aus, die zwischen Arm und Reich klaffen. Wer nichts hat, bei dem bleibt es dabei, wer schuldet, dessen Schulden schrumpfen. Nur die, die Geld gehamstert haben, Rücklagen gebildet, gebaut, investiert und ihre Geldspeicher gefüllt, die jammern jetzt.
Dem Volke wiedergeben
Aber die Europäische Zentralbank hält einfach nur Kurs auf die Expropriation der Expropriateure, wie ihr Vordenker Karl Marx das Vorhaben nannte, dem Volke wiederzugeben, was sich Kapitalisten, höhere Angestellte, kleine Unternehmer, Selbständige, Künstlernde, Grundherren und Eigenheimbesitzer auf Kosten des Volkes angeeignet haben. Marcel Fratzscher, der Vordenker einer leisen, langsam schneller werdenden Expropriation in geordneter, geregelter Weise, so dass der Produktionsapparat der Gesellschaft nicht gleich komplett zerstört wird, war vor einem Jahr noch sicher, dass die Strategie der EZB, den Geldwert abzuschmelzen, indem die Geldmenge grenzenlos erhöht wird, "ein Anker der Stabilität, auch für die deutsche Wirtschaft" ist. Je länger, je lieber müsse das so sein, damit die "europäische Wirtschaft im globalen Wettbewerb nicht weiter ins Hintertreffen gerät".
Dass EZB-Chefin Christine Lagarde angesichts der von liberalen und rechtspopulistischen Kräften orchestrierten Angstkampagne vor steigenden Preisen die Nerven verloren und angekündigt hat, den gesunden Pfad einer beständig steigenden Inflation verlassen zu wollen, könnte zur größten Bedrohung der Prosperität im gemeinsamen Europa werden. Der wirtschaftliche Rückstand in wichtigen Zukunftsbereichen hat sich in der Pandemie ohnehin vergrößert, Europa kam am besten durch die Pandemie, litt aber dank der klugen, kollektiv veranlassten Maßnahmen der Regierungen und der Kommission nach Fratzschers Erkenntnissen "wirtschaftlich am stärksten von allen Regionen".
Bedrohung aus der EZB
Diesem fragilen Kontinent, der vom ersten Tag seiner Existenz an im Überlebenskampf gegen vielfältige Bedrohungen von allen Seiten gestanden hat, nun auch noch die günstigen Finanzierungsbedingungen zu entziehen, könnte zur nächsten großen Krise führen, wenn der Staat sich nicht aufrafft, sich selbst um die notwendigen Großinvestitionen in Klima, Energie, Gerechtigkeit, Aufrüstung und privates Glück zu kümmern. Das Geld dafür ist da, wenn es nicht von der EZB kommt, dann lässt es sich allemal von denen nehmen, die gar nicht wissen, wohin damit. "Nur so kann das Wirtschaftspotenzial verbessert und die Stabilität auf dem Arbeitsmarkt, an den Finanzmärkten und beim Klimaschutz gewährleistet werden", hat Marcel Fratzscher bereits vor einem Jahr geschrieben.
7 Kommentare:
Man musste wohl kein Prophet sein:
Jafar⚡丰 @Jafar874
10. Juni 2021
Antwort an
@MFratzscher
this will age in glory.
Der Fratzscher ist wiederholt verhaltensauffällig geworden mit seinem konformistischen, führertreuen Geschwurbel, also bestens qualifiziert für seinen Job (s. Sciencefiles & cetera).
Würde man in der Bundesbank Art. 88 GG kennen, müsste der Laden längst wieder eine eigene Währung rausgeben.
OT
" ...und man an einer deutschen Uni mal böse Worte wie „Sex“ im Mailsystem sperrte und dann Mitteilungen zum Staatsexamen nicht mehr verteilt wurden. " bei uns Danisch.
Vor Zeiten gelesen, daß der Radetskymarsch wie auch Bradburys "Marschroniken" außiflogen, weil sie das böse Wort "Ursch" (B.Traven) enthalten.
Auch, daß bei den Schinesers jede irgendwie entfernt fleischfarbene Fläche auf'm Bildschirm automatisch zur Sperrung führte.
Kennt übrigens jemand "Zensur in Bithynien" von Primo Levi? - Ich mutmaße, daß das in der Zone damals nur deswegen durchkam, weil eben die Zensoren, höflich gesagt, sehr einfach strukturiert waren.
Radetzky~, verwünscht.
>müsste der Laden längst wieder eine eigene Währung rausgeben.
Zeller: Wer Rücktausch Euro in DMark zum Kurs 1:1 verspricht, ist nicht seriös.
re 88
......die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.
also ist die eh zett bé verpflichtet usw.
ich bin auch verpflichtet den Müll rauszubringen , den Rasen zu mähen usw.
aber :
die Frau Lagarde macht wohl was sie will oder was sie soll ( Regierungsauftrag der franz. Republik )
wäre der Euro eine Hartwährung wie die Mark dann hätten wir in Italien und Frankreich bürgerkriegsähnliche Zustände .
der Minderleister und sein Herr , der Logenbruderehzettbédamelagarde sind doch so lieb . so human .
Ausbeutung deutscher Arbeiter ist eben völlig legal .
und ja : jeder deutsche Malocher zahlt 50% Abgaben - oder mehr .
das System lässt den verhassten alten Mann BLUTEN
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