Ist der Irre Iwan nur eine Rolle Wladimir Putins? Oder ist der Kremlherrscher wirklich bereit, bis zum Allerletzten zu gehen? |
U-Boote können nichts sehen, aber ihre Umgebung durch Geräusche erkennen. Nur in eine Richtung gelingt das nicht: Hinten, wo die eigenen Antriebe rumpeln, ist jedes Unterseeboot taub, also blind. Die Besatzung sieht nichts, sie hört nichts, sie weiß nicht, ob nicht der Feind längst hinter ihr herschleicht, wie es amerikanische U-Boote im Kalten Krieg häufig taten. Sowjetische U-Boot-Kommandanten dachten sich damals eine Methode aus, ihre Gegner zu entdecken: Hatten sie den Verdacht, verfolgt zu werden, warfen sie ihre Boote in eine abrupte und möglichst scharfe Wende. Dadurch erhellt sich für die Horchposten an Bord der taube Bereich hinter dem Heck und der etwaige Verfolger fliegt auf.
Um den Preis aller Leben
So einfach, so wahnsinnig. Denn das verfolgende U-Boot weiß nicht, dass der Verfolgte das Ruder herumwerfen wird. Stellten die U-Boot-Fahrer der US-Navy fest, dass er es getan hatte, war es stets zu spät, noch auszuweichen: Entweder, das amerikanische Boot fuhr in seinen russischen Feind hinein. Oder eben nicht - für gezielte andere Ausweichmanöver bleibt unter Wasser keine Zeit. Ein Zusammenstoß aber, den die Russen mit jeder Lauschwende riskierten, bedeutete Lebensgefahr für alle in beiden Booten. Ein Preis, viel höher als der mögliche Gewinn. Ein Preis, den nur ein Irrer einkalkulieren würde.
Wladimir Putin hat damals jedenfalls gut aufgepasst oder auch heute, denn das selbstmörderische Irrer-Iwan-Manöver wird von russischen U-Booten bis heute gefahren. Die Wende den tauben Sektor seines Kielwasser fuhr der Mann im Kreml allerdings über Wasser: Als er seinen Truppen im Februar den Befehl gab, die Ukraine zu erobern, obwohl unübersehbar war, dass weder die Anzahl noch die Ausrüstung der aufgebotenen Armee ausreichte, dieses Ziel in einem schellen Schlag zu erreichen, bewies der 69-Jährige dieselbe Selbstmordbereitschaft wie seine U-Boot-Kommandeure: Für das vergleichsweise kleine Ziel eines regime change in Kiew legte Putin das Schicksal Russlands, die angesparten Reserven der Nation, den Wohlstand von 140 Millionen Bürgerinnen und Bürgern und seine eigenen Chancen auf einen wohlwollenden Eintrag in den Geschichtsbüchern auf den Tisch.
Genarrte Gegner
Alles auf eine Karte, das war, wie Putin seine Gegner narrte und das macht, dass ihm mittlerweile beinahe alle alles zutrauen. Wird er aus der verfahrenen "militärischen Spezialoperation", die bis heute weder von Russland noch von Kiew mit einer offiziellen Erklärung völkerrechtlich zu einem Krieg definiert worden ist, einen Krieg machen? Wird er die Generalmobilmachung ausrufen wie zuletzt am 22. Juni 1941? Wird er weitere Staaten angreifen? Und wird er dabei Kernwaffen einsetzen? Selbst wenn im die Amerikaner danach mit ihren nuklearen Möglichkeiten das ganze Land zu einer Glasplatte schmelzen?
Niemand weiß es. Möglicherweise ist der Mann im Kreml verrückt, möglicherweise liegt er im Sterben, möglicherweise tut er nur so. Möglicherweise ist er der irre Iwan, möglicherweise spielt er ihn als seine größte Rolle, im sicheren Wissen, dass weder der greise Joe Biden in den USA noch der smarte Emmanuel Macron noch der gelegentlich irrlichternde Boris Johnson und schon gar nicht der stille Olaf Scholz sich zu ihm an den Pokertisch setzen werden. Beide Annahmen "über die Wirkungen des Einsatzes oder Nichteinsatzes bestimmter Waffensysteme plausible Annahmen, die aber jeweils nicht beweisfähig sind" hat der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert das Dilemma beschrieben. Da auf der russischen Seite alles vom Kommando eines Mannes abhänge, "kann niemand die Frage schlüssig beantworten, welches dieser beiden Szenarien wirklichkeitsnäher ist".
Schutzschild für die "Spezialoperation"
Putin, der sich diesen endlos langen Tisch in den Kreml hat stellen lassen, um an Charlie Chaplins "Der große Diktator" zu erinnern, hat mit seiner Vorstellung als Irrer einen atomaren Schutzschild über seine "Spezialoperation" gespannt, der zu einem Teil aus seiner Fähigkeit besteht, auf den großen roten Knopf zu drücken. Und zu einem anderen aus der Unkalkulierbarkeit seines öffentlich vorgeführten Irrsinns, der dafür sorgt, dass niemand sagen kann, wie weit er wirklich gehen würde. Aber ist es eine Vorstellung? Oder ist er wirklich so? So lange es niemand sicher wissen kann, kann sich niemand sicher sein, richtig zu entscheiden. Außer denen, die sicher sein können, weil es für sie nicht mehr viel schlimmer werden kann. Wo es nicht viel schlimmer werden, blufft Putin.
Ein Augenblick der Weltgeschichte, der in zweierlei Hinsicht bemerkenswert ist. Während Joe Biden noch vor dem ersten Schuss im Donbass klargemacht hat, dass die USA nicht zurückschießen werden, ist der frühere US-Präsident Donald Trump augenblicklich wieder in seine Rolle als irrer Ami geschlüpft. Die "Scheiße aus dem Russen bomben" müsse man, hätte er, Atomkrieg hin oder her, verkündete der Mann, der nach damaligen Erkenntnissen der Münchner Sicherheitskonferenz noch vor vier Jahren in einer ganz anderen Gefahrenklasse für den Weltfrieden spielte als Putin.
Dein Knopf, mein Knopf
Trump hätte womöglich gepokert. Dein Knopf, mein Knopf. Welcher ist größer? "Meiner", hatte Donald Trump seinen Verfolger in der Welthitparade der gefährlichsten Männer damals wissen lassen, als Wladimir Putin in den Aufmerksamkeitscharts der westlichen Sicherheitspolitiker gegen den Abstieg kämpfte. Welcher Irrsinn wäre glaubhafter? Wer von beiden wäre bereit, Autoschlüssel, Einfamilienhaus und das Leben seiner Kinder zu setzen? Und wer tut nur so, um nicht sehen lassen zu müssen?
Putin hätte womöglich vermieden, mit Trump überhaupt in ein Spiel einzusteigen, weil der US-Präsident von Moskau aus gesehen eine tolle Vorstellung in der Rolle als irrer Iwan gab. Trump hätte anderenfalls vielleicht doch so hoch gepokert, dass dem Russen nichts anderes übrig geblieben wäre, als ein paar Karten aufzudecken, die zeigen, wie ernst er es meint.
Auf jeden Fall offenen Briefe
Niemals wird es jemand erfahren, leider oder zu aller Glück. Fakt ist, dass es in Deutschland in jedem Fall offene Briefe gegeben hätte, die den sofortigen Kriegseintritt, die volle Neutralität, umfassende Solidarität, Entscheidungen mit Augenmaß und ein rasches Hochfahren der eigenen Rüstungsindustrie/Truppenstärke/Verteidigungsbereitschaft/Wehranstrengungen gefordert hätten.
Wäre Trump noch im Amt, kämen allerdings zahlreiche hinzu, die von Washington Mäßigung, Heraushalten, den Stopp aller Waffenlieferungen, ein Einlenken und schnelle Friedensverhandlungen gefordert hätten.
3 Kommentare:
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Selbst dazu ist der Lindner zu feige und/oder doof.
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https://www.ralphbernhardkutza.de/versenkung-kursk/
Die Kursk, das Vorzeige-Unterseeboot Rußlands mit einzigartiger Bewaffnung an Bord, wurde am 12. August 2000 durch einen feindlichen Akt versenkt. Zuerst gab es eine Kollision mit der aggressiv beschattenden USS Toledo, dann folgte ein MK-48-Torpedotreffer von der USS Memphis. Dieser führte zu einer Kettenreaktion und einer verheerenden Explosion im vorderen Torpedobereich der Kursk. Es muß inzwischen als gesichert gelten, daß die vom Westen sowie von Rußland selbst aus Gründen der Staatsräson proklamierte Unglücksursache nicht stimmen kann. Die Dokumentation zeigt u.a. sogar klar das Einschlagsloch des amerikanischen Torpedos und die nach innen (!) gebogenen Stahlwände in der Kursk-Hülle.
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Als Folge des irren Iwan versenkt?
Wenn der Westen tatsächlich frei berichten würde, müsste man bemerken, dass allen "Drohungen" Russlands bezüglich möglicher Atomschläge stets Drohungen des Westens, besonders der USA, voraus gingen.
Nicht Russland hat angfangen mit den nuklearen Ketten zu rasseln sondern der Westen. Putin hat dann mal eben mit dem ganz großen Stock gewedelt und eine Satan2 "getestet" um klar zu machen, dass es weise wäre diese Art Rethorik deutlich runter zu fahren.
Und niemals sollte man vergessen, dass nur eine Nation je Atomwaffen gegen Zivilisten eingesetzt hat: Die USA. Zwei mal. Wenn man sich also Sorgen macht vor dem Einsatz von Atomwaffen, dann sollte man sich Sorgen, dass die USA sie abfeuert. Russland, also Lavrov und Medvedev haben klar dargelegt, dass für sie Atomwaffen als Erstschalgwaffen niemals in Frage kommen werden und diese Position stets in allen Interviews entschieden vertreten. Nur die USA spielt rethorisches Poker und denen trau ich auch in der Uraine auch einen false flag zu um die Eskalation voran zu treiben.
Der Wahnsinn haust im Westen, nicht im Osten.
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