Deutschlands Gasversorgung wird auf die klimaschädliche Fracking-Technologie umgestellt. Allerdings glücklicherweise nicht im Inland. Hier wird nicht gebohrt, nur gezapft. |
Wenigstens zehn Jahre könnte Deutschland ohne Gasimporte auskommen, vielleicht aber auch 20. Oder, sinkt der Bedarf allmählich, möglicherweise 30. Dazu müsste das Land tun, was andere Länder zu: Die eigenen Gasvorkommen nutzen, unter anderem auch mit dem Fracking-Verfahren, das nicht nur, aber insbesondere hierzulande als "umstritten" gilt, weil Bürgerinnen, Bürger und Politikausübende über Jahrzehnte gelernt haben, dass es das Grundwasser gefährdet. Argumente sind traditionell verzichtbar, wo es um Ideologie und Technikfeindlichkeit geht. Fracking-Gegner berufen sich auf das Umweltbundesamt, das sieht "Fracking sehr kritisch". Es warnt, dass noch zu viele Informationen fehlen, um das Verfahren "als unbedenklich zu bezeichnen".
Brüderschaft mit den Blutprinzen
Lieber als hier etwas zu riskieren und mit dem selbstgeförderten Gas Klimaziele zu gefährden, die eigentlich durch den Import von russischem Erdgas noch wenigstens 15 Jahre hätten gefährdet werden sollen, importiert Deutschland von anderswo. Der Blutprinzenstaat Katar ist die erste Adresse, um den plötzlich mit viel zu hoher Geschwindigkeit notwendigen Energieausstieg abzubremsen. Die USA, home of fracking, sind der zweite Rettungsengel. Die Vereinigten Staaten setzen seit Jahren auf invasive Bohrungen mit chemischer Unterstützung, die weltgrößte Wirtschaftsnation wurde dadurch zum Selbstversorger bei Öl und Gas. Sie hat sogar so viel von den "Fossilen" (Ricarda Lang), dass sie exportieren kann, wenn jemand höhere Preise bietet.
In den USA hat Fracking so viele Probleme gelöst. In Deutschland dagegen ist diese Art der Förderung auch künftig undenkbar, selbst wenn Wohl und Wehe der einheimischen Industrie, der gesellschaftliche Friede und der Wohlstand des Volkes davon abhängen. Eine Forderung wie die des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Fracking in Deutschland zu erlauben, zielt ins Leere: Fracking ist entgegen aller anderslautenden Darstellungen keineswegs verboten. Es ist nur keine politisch durchsetzbare Option, eine Förderung aus unkonventionellen Lagerstätten zu genehmigen. Zu groß erscheint die mediale Gefahr für die Umwelt, das Trinkwasser und den Ausbruch von Erdbeben, brennenden Wasserhähnen und aus dem Untergrund verstrahlten Anwohnern.
Heilige deutsche Erde
Wie aber kann eine Technologie, mit deren Hilfe andere Staaten das Gas fördern, das Deutschlands Wirtschaftsklimaminister Robert Habeck weltweit so erfolgreich einkauft, einerseits tauglich und akzeptabel sein. Andererseits aber "aus gutem Grund verboten", wie Claudia Kemfert sagt, Leiterin der Abteilung Energie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)? Herbert Haase vom Klimawatch-Institut (CLW) im sächsischen Grimma sieht die Problematin nicht einmal in den hohen Kosten der aufwendigen Fördertechnik, auf die seine Kollegin Kemfert in Unkenntnis der aktuellen Lage verweist. "Mit den gestiegenen Endverbraucherpreisen wäre Fracking auch in Deutschland lukrativ", sagt er. Zudem seien die unterstellten enormen Umweltrisiken und die Klimaschädlichkeit Strohmann-Argumente: "Wenn sie zuträfen, dann träfen sie ja auch anderswo zu."
Haase hält die deutsche Verweigerung, die eigenen Energiereserven im Kampf gegen Putin zu mobilisieren vielmehr für ein klares Zeichen, dass der Ernst der Lage noch immer n ich erkannt worden ist. "Man hat sich weiterhin eingerichtet in einem Wolkenkuckucksheim, in dem das St. Florians-Prinzip gilt: Verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an!", analysiert der Entropologe. Mit Argumenten wie dem, das die Kosten beim Fracking höher seien als bei herkömmlichen Gasbohrungen, so dass auf Gaskundinnen oder Steuerzahler höhere Preise zukämen, würden Bürgerinnen und Bürger gezielt über die Tatsache getäuscht, dass der geplante Import von Frackinggas auf die höheren Förderkosten noch hohe Transportkosten aufschlage, die letztliche von Gaskundinnen oder vom Steuerzahler übernommen werden müssten.
Sparsamkeit ist noch teurer
Den Verbrauch von Gas zu vermeiden, indem in sogenannte erneuerbare Energien und mehr Effizienz investiert werde, wie es Claudia Kemfert vorgeschlagen habe, halte er für eine gute Idee. "Doch den Wunsch nach Unabhängigkeit auf dem Energiemarkt wird Sparsamkeit uns in den kommenden 20 Jahren kaum erfüllen können", rechnet Herbert Haase vor. Auf diese Weise eingespartes Gas sei zudem noch vielmals teurer als Gas aus konventioneller Förderung, weil beim Investitionen in Windenergieanlagen, Solarplantagen, heute noch unbekannte Großspeichertechnologien und Dämmung weit mehr Kosten verursachen als die gleiche Menge Gas aus dem Boden zu holen.
Haase sieht bei den Ablehnern und Feinden eigener deutscher Anstrengungen, um von Putin unabhängig zu werden, einer geradezu mystische Überhöhung von Mutterboden und Vaterland. Derselbe Stoff, der aus Texas importiert als "Freiheitsgas" gelte, werde eingeschlossen in derselben Art dichtem Gestein mit kleinen, nicht zusammenhängenden Poren zum Heiligtum erklärt, das selbst im existenziellen Kräftemessen mit dem Kreml unangetastet blieben müsse. Deutsche Vorkommen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auf Rügen seien gut erkundet, aber tabu. "Derzeit werden nicht einmal längst geplante Forschungsprojekte für Fracking gestartet", verweist Herbert Haase auf eine Situation, in der die Bundesregierung darauf setzt, die fatale Abhängigkeit Deutschlands von Russland einzutauschen gegen die fatale Abhängigkeit Deutschlands von Katar, den USA, Saudi-Arabien, Algerien und Angola.
Klimagas als Retter
Diese Strategie geht davon aus, dass in all diesen Ländern niemals etwas Ähnliches passiert wie jetzt in Russland", sagt Haase. In der Abwägung, Anstrengungen zu unternehmen, um sich bis zum endgültigen Energieausstieg eine Wiederholung des Russland-Schocks zu ersparen, oder aber festzuhalten an der Begründung, dass nicht klar sei, "ob die Chemikalien in der Frackingflüssigkeit über Lecks ins Trinkwasser gelangen können oder ob sie in der Tiefe mit natürlich vorkommenden Stoffen reagieren" (Zeit), sei die Entscheidung der Ampel-Regierung vergleichbar mit der der Merkel-Administration bei der Kernkraft ausgefallen. Das Fracking-Monster bleibe auswärts. Nur seine Produkte nehme man gern. "Die anderen sollen das mal ruhig machen, wir nehmen dann auch gern die Energie", schildert Herbert Haase, "aber bei uns ist Fracking einfach nichts, was wir mit gutem Gewissen tun können."
Zu große Mengen an Wasser benötigt die Technik, zu scharf steht sie damit in Konkurrenz zu Landwirtinnen, Industrie und Anwohnern, die infolge des Klimawandels zum Teil auch mehr Wasser benötigen werden. Zu wenig ist hierzulande bekannt darüber, was im deutschen Untergrund passieren könnte, wenn der hohe Druck, der auf das Gestein wirkt, wie in den benachbarten Niederlanden zu kleineren Erdbeben in der Umgebung führt. Deshalb waren die Niederlande schon ausgestiegen, auf Bitten Deutschland fracken sie nun doch weiter - jemand muss ja, denn Deutschland kann nicht, auch wegen der hohen Klimaschädlichkeit der Fördertechnik, der eine Leckrate von etwa vier Prozent zugeschrieben wird. So viel Methan entweicht im Förder- und Transportprozess in die Atmosphäre - und schon bei einer Leckrate von 2,8 Prozent gilt Erdgas als genauso klimaschädlich wie Kohle.
Klimaschäden anderswo
Gut, dass Deutschland da nicht mitmacht. Derdie frühere Klimamusterschüler*in, zuletzt oftmals wie immer seit 1990 mit enttäuschenden Leistungen bei den Pariser Klimazielen, steht beim globalen Frackingboom der letzten Jahre zwar als Verbraucher bereit. Muss sich damit aber keine Vorwürfe machen lassen, mit eigenen Frackingprojekten das Klima zu schädigen. LNG-Terminals zur Anlandung des anderswo geförderten Killergases gelten im Gegensatz zur eigenen, regionalen Förderung vor der Haustür als saubere, quasi klimaneutrale Sache: "Verabscheuungswürdiges Frackinggas wird durch eine Fahrt in einem Tank auf einem Schiff über einen Ozean vom fürchterlichen Klimavernichter zur Rettung vor der russischen Gefahr", fasst Herbert Haase zusammen.
1 Kommentar:
Herbert Haase kurz zusammengefasst: Wir sind eine extrem risikoaverse Rentnergesellschaft mit Weltrettungskomplex und haben so was von fertig. Wir merken es nicht einmal, bis der Ofen endgültig aus ist. Wir verabschieden uns mit tschingdarassabumm auf Siebenmeilenstiefeln aus der Weltgeschichte in Richtung neues Mittelalter. Mal sehen ob man die ganzen Windrädlein auf das mahlen von Getreide umrüsten kann. Mit Strom werden wir leider bald nix mehr anzufangen wissen.
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