Sonntag, 1. Mai 2022

HFC im Endstadium: Nullnummer mit Toren

Hätte seit 2020 im Grunde gleich hängenbleiben können.

Es ist wieder 2020, es ist wieder Abstiegskampf, es ist wieder Heimspiel, es ist wieder Remis. Es wieder HFC oder immer noch oder nie anders gewesen. Im März vor zwei Jahren trat ein gewissen Ismael Atalan an, den bedrohten Kahn von der Saale in ruhige Gewässer zu lenken. Am Ende hieß es im ersten Heimspiel des Neuen 1:1 gegen Ingolstadt, es war der Anfang vom Ende des Fußballhandwerkers aus dem Ruhrgebiet, der beinahe schneller ging als er gekommen war. Nachfolger Florian Schnorrenberg sicherte den Klassenerhalt, ertrotzt, erstolpert und erfleht mit einem 1:1 gegen den FC Kaiserslautern in einem streckenweise verzweifelt geführten Spiel um die blanke Existenz.  

Immer um die blanke Existenz

Die Zeit ist weitergelaufen, Schnorrenberg ist weitergezogen, der Hallesche FC ist immer noch da und immer noch dort, wo er mittlerweile ein Art Dauerwohnsitz genommen hat. Zwischen Platz 13 und dem Strich, unter dem es abwärts gehen in die Gefilde des aussichtslosen Freizeitfußballs haben die Rotweißen sich eingerichtet, Jahr um Jahr wird nichts besser, es sieht nicht einmal mehr besser aus und lustiger ist es nach dem Abschied von Terrence Boyd auch nicht geworden. Der große Mann mit dem Bart wusste die oft kläglichen Vorstellungen seiner Mannschaft wenigstens noch mit Galgenhumor in Gimmicks zu verpacken. Niemand konnte den nach Kräften um Schadensbegrenzung bemühten Spielern danach noch böse sein.

Boyd zog nach Kaiserslautern, der Aussicht auf Aufstieg hinterher.  In Halle blieb zurück, was sich an ewigen Stammkräften, überstürzten Noteinkäufen, vielverprechenden Talenten und günstig eingetauschtem Leihmaterial über vier Jahre und vier Trainer angesammelt hat. Diesmal gegen Viktoria Köln, einen Traditionsverein mit zwölfjähriger Geschichte, geht es wie immer um den Klassenerhalt, ein Sieg reicht, "irgendetwas Dreckiges, egal", sagt Marcel Titsch-Rivero danach, als es wie immer 1:1 heißt auf der Anzeigetafel und 5.700 Fans wie immer mit hängen Köpfen nach Hause traben.

In einem Schneckenrennen

Als "Schneckenrennen" bezeichnet Titsch-Rivero die wie in Zeitlupe ablaufenden Anstrengungen der aktuellen HFC-Elf, auch diesmal wieder nicht abzusteigen. Jedes Wochenende ein Matchball. Jedes Wochenende kein Sieg. Jedes Wochenende ein Trainer, der es sooooo schlecht gar nicht fand. Und jedes Wochenende das Versprechen, im nächsten Anlauf hoch anzulaufen, bissig und griffig zu sein, den Bock umzustoßen und den Klassenerhaltinsackundtüten auf dem silbernen Tablett zu präsentieren.

Viktoria hat Ähnliches vor und das verhindert auch an diesem vorvorletzten Spieltag einer jetzt schon viel zu langen Saison, dass der Matchplan von Andrè Meyer aufgeht. In der achten Minute der Begegnung zweier Mannschaften auf Augenhöhe verwirrt ein dreietagiger Freistoßaufbau der Gäste die HFC-Abwehr so umfassend, dass der Ball auf einmal hinter Daniel Mesenhöler und hinter der Linie liegt. Matchplan adè, statt zielgerichtet auf einen schmalen Sieg hinzuarbeiten, heißt es nun doch wieder, eine drohende Niederlage zu verhindern.

Bemühen und Bereitschaft

Das Bemühen ist da, der Wille, die Bereitschaft. Aber wie Schnecken rennen, so spielzaubern die Rotweißen. Manchmal blitzt ein Gedanke auf. Meist aber hat der Mitspieler gerade eine ganz andere Idee. Den Gästen aus Köln geht es zum Glück genauso: Ohne zu wissen, warum, führen sie. Und nun ist es ihnen vor allem wichtig, den kostbaren Vorsprung festzuhalten. Der anderen Mannschaft auf dem Platz zuzugestehen, sie reagiere auf den Rückstand mit wütenden Angriffen, wäre wiederum zu viel versprochen. Sie reagiert, wie man reagiert, wenn man nicht weiß, wie man anders reagieren soll.

In der 33. Minute gelangt zum Glück ein Eckball auf den Kopf von Marcel Titsch-Rivero, der keine Mühe hat, den Grundzustand des Spiels wiederherzustellen. Ein Unentschieden der unterhaltsameren Art, verglichen etwa mit dem Waffenstillstandabkommen von Dortmund. 

Es wird viel gelaufen, viel gegrätscht, viel mit Missverständnissen gearbeitet und als Niklas Landgraf, inzwischen einer der Altvorderen in einer HFC-Elf, die ihren Personalbestand schneller wechselt als der Retortenklub RB Leipzig, in der 71. Minute aus nächster Nähe vor dem Kölner Tor abzieht und die Eckfahne nur knapp verfehlt, ergibt auch die Nominierung des in 150 Drittligaspielen torlos gebliebenen Abwehrmannes für das zentrale Mittelfeld Sinn: Die Null muss stehen und der selbst in einer meist enttäuschenden Mannschaft immer wieder  enttäuschende Mittelfeldmann Louis Samson hat noch Vertrag für kommendes Spieljahr, soll aber wohl gehen und muss das signalisiert bekommen.

Grande Finale

Die zweite Halbzeit ist durch die HFC-Brille betrachtet dennoch besser als die erste. Eine positive Entwicklung, die die Handschrift des neuen Trainerteams trägt, dem es nur noch ein wenig an Spielermaterial mangelt, um die eigene überraschende Spielidee gegen Gegner durchzusetzen, die mit derselben überraschenden eigenen Spielidee anreisen und überraschenderweise das gleiche Ziel verfolgen: Drei Punkte mitnehmen oder wenigsten einen.

So gesehen können diesmal wieder beide Vertretungen zufrieden nach Hause fahren. 1:1 heißt es am Ende einer Nullnummer mit Toren, von der niemand seinen Enkeln erzählen wird, weil sich vermutlich schon in vier Wochen niemand mehr erinnern können wird, dabei gewesen zu sein, als das Schneckenrennen gegen Viktoria Köln in die Kurve bog. Dass es die vorletzte war, ist das Schönste daran.



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Büschen OT, aber ich habe kein Gelüst, mich bei EIKE anzumelden:
Weil ich mich gerade aufs Fahrrad schwingen wollte, bei Wetteronlain geguckt, Regenradar, das zeigt für die Reixhauptstadt leicht bewölkt und 16° Kelsios an - mein Thermometer zeigt aber 13°, und es ist voll bedeckt.